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Bewertung des Vorratsvermögens – Lifo-Methode

BC-Redaktion

BMF-Schreiben vom 12.5.2015, IV C 6 – S 2174/07/10001 :002; DOK 2015/0348300

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG können Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 5 EStG [durch Betriebsvermögensvergleich, Anm. d. Red.] ermitteln, für den Wertansatz gleichartiger Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens unterstellen, dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zuerst verbraucht oder veräußert worden sind, soweit dies den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht („last in – first out“). Durch die steuerliche Anerkennung der Lifo-Methode mit dem Steuerreformgesetz 1990 sollte neben der Bewertungsvereinfachung auch die Verhinderung der Besteuerung von Scheingewinnen erreicht werden (BT-Drs. 11/2157, S. 140, und BT-Drs. 11/2536, S. 47). Zur Zulässigkeit der Anwendung dieses Bewertungsvereinfachungsverfahrens wird im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung genommen [die Änderungen gegenüber dem Entwurfsschreiben vom 22.10.2014 werden in blauer Farbe gekennzeichnet]:

 

 

1. Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens

Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens, für die eine Anwendung der Lifo-Methode in Betracht kommt, sind gemäß § 266 Abs. 2 Buchst. B I. HGB Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, unfertige Erzeugnisse, fertige Erzeugnisse und Waren.

 

 

2. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung

Die Bewertung des Vorratsvermögens unter Anwendung der Lifo-Methode setzt voraus, dass sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die am Schluss des Wirtschaftsjahres vorhandenen Wirtschaftsgüter mengenmäßig vollständig erfasst sind und die Anwendung der Lifo-Methode nach den betriebsindividuellen Verhältnissen zu einer Vereinfachung bei der Bewertung des Vorratsvermögens führt.

§ 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG enthält eine Ausnahme vom Einzelbewertungsgrundsatz. Zu diesem Zweck wird für den Wertansatz des Vorratsvermögens unterstellt, dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zuerst verbraucht oder veräußert werden. Einer weiteren Prüfung, ob eine Durchbrechung dieses Einzelbewertungsgrundsatzes zulässig ist, bedarf es daher nicht. Die weitere Voraussetzung der Entsprechung mit den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung verlangt nur, dass die Bewertung des Vorratsvermögens nach dem Wirtschaftlichkeits- und Wesentlichkeitsgrundsatz zu einer Bewertungsvereinfachung führt.

 

 

3. Anwendbarkeit der Lifo-Methode

Für die Anwendung der Lifo-Methode können gleichartige Wirtschaftsgüter zu einer Gruppe zusammengefasst werden. Wirtschaftsgüter sind gleichartig, wenn es sich bei diesen um eine gleichartige Warengattung handelt oder sie funktionsgleich sind (siehe auch R 6.9 Abs. 3 EStR). Das Bewertungswahlrecht kann für verschiedene Bewertungsgruppen unterschiedlich ausgeübt werden. Sämtliche Wirtschaftsgüter einer Bewertungsgruppe sind nach einheitlichen Grundsätzen zu bewerten. Der Steuerpflichtige darf die Lifo-Methode auch bei der Bewertung der Materialbestandteile unfertiger oder fertiger Erzeugnisse anwenden (zu den weiteren Voraussetzungen siehe R 6.9 Abs. 2 Satz 4 EStR). Zum Wechsel der Bewertungsmethoden vgl. R 6.9 Abs. 5 EStR.

Die Lifo-Methode muss nicht mit der tatsächlichen Verbrauchs- oder Veräußerungsfolge übereinstimmen. Sie ist somit unabhängig vom Vorhandensein besonderer ordnungsrechtlicher Vorschriften (z.B. Lebensmittelrecht) zulässig. Auch Zertifizierungs-Verfahren, die eine bestimmte tatsächliche Verbrauchsfolge vorschreiben, schließen die Anwendung der Lifo-Methode nicht aus.

 

 

a) Handelsware

Ist es bei zum Verkauf und nicht zur weiteren Ver- oder Bearbeitung bestimmten Vorräten (Handelsware), z.B. durch im Betrieb eingesetzte moderne EDV-Systeme, technisch möglich, die individuellen Anschaffungskosten der einzelnen Wirtschaftsgüter ohne Weiteres zu ermitteln (z.B. durch Codierung), so ist die Anwendung der Lifo-Methode unzulässig. Zur Bewertungsvereinfachung ist die Lifo-Methode für Handelsware jedoch zulässig, wenn durch den Einsatz solcher EDV-Systeme eine Einzelbewertung der Wirtschaftsgüter zwar möglich wäre, dies aber weiteren Aufwand oder weitere Rechen- oder Ermittlungsschritte erfordern würde (z.B. Zuordnung weiterer anteiliger Anschaffungsnebenkosten, aber auch weitere Programmierungs- oder Implementierungsschritte oder Kosten für den zusätzlichen manuellen Erfassungsaufwand in der Buchhaltung). Der Umfang dieser weiteren Ermittlungsschritte ist dabei unbeachtlich.

 

 

b) Ver- oder bearbeitete Erzeugnisse

Handelt es sich bei den Vorräten um Erzeugnisse, die im Betrieb erst nach einer weiteren Ver- oder Bearbeitung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen hergestellt wurden (z.B. durch Verbindung oder Trennung/Teilung, Ver- oder Entmischung, Verformung), sind zur Ermittlung der individuellen Anschaffungs- oder Herstellungskosten weitere Kosten aus dem Fertigungsprozess in die Einzelkosten einzubeziehen. Für diese Fertig- oder Teilfertigerzeugnisse ist auch bei Einsatz eines elektronischen Warenwirtschaftssystems die Anwendung der Lifo-Methode zulässig. Dies gilt für die zugehörigen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie unfertigen Erzeugnisse entsprechend.

Eine Codierung der Ausgangs-, Zwischen- oder Endprodukte ist für die Anwendung der Lifo-Methode unschädlich.

 

 

c) Verderbliche Vorräte

Sind Vorräte dauerhaft haltbar oder werden sie dies durch Be- und Verarbeitung, darf die Lifo-Methode angewandt werden. Als dauerhaft gilt eine Haltbarkeit von mindestens einem Jahr. Haben Vorräte eine geringere Haltbarkeit, so ist die Lifo-Methode nicht zulässig, weil eine Verbrauchs- oder Veräußerungsfolge, wonach die zuletzt gekauften Waren als erstes verarbeitet und verkauft werden, dem betrieblichen Geschehensablauf völlig widerspricht.

 

 

4. Einzelbewertung im HGB- oder IFRS-Abschluss

Bei der Bewertung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG handelt es sich um ein eigenständiges steuerliches Wahlrecht, das unabhängig davon ausgeübt werden kann, ob in der Handelsbilanz das entsprechende Wahlrecht gemäß § 256 Satz 1 HGB ausgeübt wird; jedoch muss dem Grunde nach auch handelsrechtlich die Anwendung des Bewertungsvereinfachungsverfahrens Lifo zulässig sein. Auch eine Einzelbewertung im IFRS-Abschluss steht der Anwendung der Lifo-Methode in der Steuerbilanz nicht entgegen.

 

 

5. Anwendung

Die Regelungen sind in allen offenen Fällen anwendbar. Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

 

 

Praxis-Info!

Die Anwendung der Lifo-Methode verhindert Scheingewinne und -verluste bei Vorratsgegenständen, die großen Preisschwankungen unterliegen. Schwankungsanfällige Preise treten u.a. bei den sog. Nichteisenmetallen (NE-Metalle) auf, wie z.B. Kupfer, Aluminium, Zink, Bronze, Messing.

Bei steuerlichen Betriebsprüfungen der jüngsten Vergangenheit sind vermehrt Unsicherheiten aufgetreten, inwieweit die Lifo-Methode angewendet werden darf. Hierauf reagiert das vorliegende BMF-Schreiben.

 

 

a) IT-gestützte Lagerhaltung

Bei IT-gestützter Lagerhaltung kann zum Abschlussstichtag genau festgestellt werden, wann welche Waren zu welchen Anschaffungskosten eingelagert wurden. Mit einer vollautomatischen Lagerbewirtschaftung lassen sich für unterschiedliche Güter des Vorratsvermögens bestimmte Verbrauchsfolgen vorgeben, die nicht übereinstimmen müssen. Auch kann eine solche Programmierung im Zeitablauf wieder geändert werden.

Das Bundesfinanzministerium macht deutlich: Sofern eine derartige IT-gesteuerte Lagerhaltung eine vom Lifo-Verfahren abweichende Verbrauchsfolge vorgeben kann, darf die Lifo-Bewertung nicht angewendet werden. Ausnahme: Für diese IT-gestützte Verbrauchsfolge sind weitere Ermittlungsschritte erforderlich, auch wenn diese noch so gering sind. Dies ist im Sinne des Vereinfachungszwecks der Lifo-Methode (Bewertungsvereinfachung).

 

 

Praxishinweis:

Um durch die Nutzung moderner IT-Technik keine steuerlichen Nachteile zu erleiden, sollten Unternehmen sorgfältig dokumentieren, welcher zusätzliche Aufwand (wie z.B. erforderliche Rechen- oder Ermittlungsschritte oder die Kosten für den zusätzlichen manuellen Erfassungsaufwand in der Buchhaltung, um eine Zuordnung von Anschaffungsnebenkosten vorzunehmen) erforderlich wäre, wenn eine Verbrauchsfolge nach der IT-gestützten Lagerhaltung ermittelt werden müsste.

 

 

Auf der anderen Seite darf die Lifo-Methode selbst dann angewendet werden, wenn die individuellen Anschaffungskosten von Handelswaren durch die im Unternehmen eingesetzten EDV-Systeme (z.B. durch Codierung im Rahmen des Warenwirtschaftssystems) ermittelt werden. Für ver- oder bearbeitete Erzeugnisse ist die Lifo-Methode somit auch dann zulässig, wenn eine Codierung der Ausgangs-, Zwischen- oder Endprodukte erfolgt.

 

 

b) Abweichende Verbrauchsfolge

Zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit und der Qualitätssicherung ist ein Standard zur Beurteilung der Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln geschaffen worden (IFS Food). Hierbei handelt es sich um einen privatrechtlichen Zertifizierungsstandard für Unternehmen der Lebensmittelbranche. Die Unternehmen verpflichten sich dabei, die Fifo-Verbrauchsfolge (First-in-first-out) zu beachten, um ein Gütesiegel zu erlangen.

Darüber hinaus müssen nach der europäischen Verordnung zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts alle Lebensmittelunternehmen sicherstellen, dass ihre Lebensmittel zurückverfolgt werden können. Aus der Rückverfolgbarkeit allein kann aber auf eine bestimmte tatsächliche Verbrauchsfolge noch nicht geschlossen werden.

Das BMF stellt hierzu klar: Eine Bewertung nach der Lifo-Methode ist hier zulässig; die abweichende Verbrauchsfolge schließt das Lifo-Verfahren nicht aus.

Lebensmittel sind nur insoweit ein spezieller Bewertungsgegenstand, als die Lifo-Methode bei leicht verderblichen Lebensmitteln (Haltbarkeit unter einem Jahr) ausgeschlossen ist. Dies galt schon bislang.

 

 

c) Abweichende Bewertung in Handels- und Steuerbilanz

Seit Inkrafttreten des BilMoG dürfen u.a. Wahlrechte, die sowohl handels- als auch steuerrechtlich bestehen, unterschiedlich ausgeübt werden: Dies betrifft z.B.

  • Verbrauchsfolgeverfahren (gewogener Durchschnitt, Lifo-Verfahren),
  • Abschreibungsmethoden (linear, degressiv, leistungsabhängig),
  • Investitionszuschüsse/-zulagen.

In der Handelsbilanz ist beispielsweise die Bewertung nach der Lifo (Last-in-first-out)- sowie der Fifo (First-in-first-out)-Methode zulässig (§ 256 Abs. 1 Satz 1 HGB). Die steuerlich (gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG) mögliche Lifo-Bewertung setzt hierbei nicht voraus, dass die Vermögensgegenstände auch in der Handelsbilanz nach dieser Methode bewertet werden. Vielmehr steht (so die erneute Klarstellung des Bundesfinanzministeriums) beispielsweise eine Einzelbewertung der Vermögensgegenstände in der Handelsbilanz einer Anwendung der Lifo-Methode in der Steuerbilanz nicht entgegen. Allerdings: Im Unterschied zur Entwurfsfassung macht das Bundesfinanzministerium in diesem BMF-Schreiben deutlich, dass handelsrechtlich das Lifo-Verfahren dem Grunde nach zulässig sein muss. Im Umkehrschluss heißt das: Wäre das Lifo-Verfahren in der Handelsbilanz unzulässig, dürfte es auch in der Steuerbilanz nicht angewendet werden.

 

 

Praxishinweise:

  • Eine abweichende Bewertung in Handels- und Steuerbilanz bedingt die gesonderte Aufnahme der steuerlichen Wertansätze in Verzeichnisse im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG (Ergänzung in R 6.9 Abs. 1 Satz 2 ff. EStR gemäß EStÄR 2012). Darüber hinaus kann dies eine Abgrenzung latenter Steuern in der Handelsbilanz zur Folge haben.
  • Ein Wechsel der steuerlich verwendeten Verbrauchs- oder Veräußerungsfolge ist in den folgenden Wirtschaftsjahren nur mit Zustimmung des Finanzamts möglich (Grundsatz der Bewertungsstetigkeit, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2a Satz 3 EStG).
  • Die (steuer)bilanzpolitischen Möglichkeiten des Lifo-Verfahrens vor dem Hintergrund dieses BMF-Schreibens zeigen Zwirner/Zimny in BC 2015, 64 ff. (Heft 2). Die unterschiedlichen buchhalterischen Erfassungsmöglichkeiten in Bezug auf die Lifo-Methode zeigt Drabek in BC 2015, 11 ff. (Heft 1).

 

[Anm. d. Red.] 

 

 

BC 12/2014, BC 6/2015

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