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Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt: Tilgung aus Bilanzgewinn und Liquidationsüberschuss

BC-Redaktion

BFH-Urteil vom 15.4.2015, I R 44/14

 

  1. Eine Verbindlichkeit, die nach einer im Zeitpunkt der Überschuldung getroffenen Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn und aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen ist, unterliegt dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG.
  2. Beruht der hierdurch ausgelöste Wegfallgewinn auf dem Gesellschaftsverhältnis, ist er durch den Ansatz einer Einlage in Höhe des werthaltigen Teils der betroffenen Forderungen zu neutralisieren.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Eine GmbH (T-GmbH), deren Wirtschaftsjahr jeweils zum 30. Juni endete, erhielt von ihrer Muttergesellschaft (MU) im Zuge einer Konzernumstrukturierung Darlehen in Höhe von 7 Mio. € sowie 2,6 Mio. US-Dollar (USD). Für beide Darlehen wurde im Oktober 2004 ein Rangrücktritt vereinbart. Demzufolge durfte die MU die Tilgung und Verzinsung des Darlehens nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss verlangen.

In dem auf den 30.6.2005 erstellten Jahresabschluss der T-GmbH wurden unter den Passivposten die beiden MU-Darlehen als Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern in Höhe von rund 9,2 Mio. € ausgewiesen.

Nach Ansicht des Finanzamts widerspricht die Passivierung der gegenüber dem MU bestehenden Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz der TU-GmbH der Regelung in § 5 Abs. 2a EStG. Die Verbindlichkeiten seien daher erfolgswirksam aufzulösen.

 

 

Lösung

Der BFH schließt sich der Auffassung des Finanzamts an. Demnach durfte die TU-GmbH in ihrer auf den 30.6.2005 aufzustellenden Steuerbilanz die gegenüber dem MU bestehenden Darlehensschulden nicht passivieren.

In der Handelsbilanz sind (gemäß § 247 Abs. 1 HGB) Verbindlichkeiten unter folgenden Voraussetzungen zu passivieren:

  1. Der Unternehmer muss „zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen Dritten verpflichtet” sein.
  2. Diese Verpflichtung muss ferner vom Gläubiger erzwingbar sein und bei dem Unternehmer zu einer wirtschaftlichen Belastung führen.

Dies gilt auch für die Steuerbilanz (Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Allerdings stellen Verpflichtungen, deren Erfüllung an den Gesamtgewinn des Unternehmens anknüpfen, noch keine wirtschaftliche Belastung dar. Grund: Die Verpflichtungen müssen nicht aus dem zum Stichtag vorhandenen Vermögen bedient werden. Schulden dieser Art sind deshalb in der Handelsbilanz nicht zu passivieren (Wahlrecht). In der weiteren Folge unterliegen sie einem steuerrechtlichen Passivierungsverbot.

Betraf die Rückzahlungsverpflichtung hingegen nur einen Ausschnitt der gewerblichen Tätigkeit, ist sie unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) lediglich in der Handelsbilanz auszuweisen. Grund hierfür ist der seit 1999 geänderte § 5 Abs. 2a EStG.

 

 

Der Wortlaut des § 5 Abs. 2a EStG

„Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, sind Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.“

 

 

Das steuerrechtliche Passivierungsverbot (§ 5 Abs. 2a EStG) ist somit nicht daran gebunden, dass die Verbindlichkeiten nur im Falle eines Gesamtgewinns zu erfüllen sind. Andererseits ist es dabei geblieben: Allein die Vermögenslosigkeit des Schuldners führt nicht dazu, eine rechtlich bestehende Verpflichtung aus dem handels- oder steuerrechtlichen Abschluss auszubuchen. Es bedarf hierzu einer (rechtlichen) Beschränkung des Rückzahlungsanspruchs auf künftige Einnahmen oder Gewinne (d.h. auf künftige Vermögenswerte).

 

 

Bilanzierungshinweis:

Die Verpflichtung in Rangrücktrittsvereinbarungen, Kredite aus dem sog. freien Vermögen zu tilgen, erfordert sowohl handels- als auch steuerrechtlich (nach den Merkmalen des § 5 Abs. 2a EStG) eine Passivierung.

 

 

Im vorliegenden Fall hätte sich angesichts eines Fehlbetrags im Geschäftsjahr 2004/2005 (von rund 2 Mio. €) sowie eines Verlustvortrags (rund 8,1 Mio. €) selbst nach Auflösung der Kapitalrücklage (rund 0,644 Mio. €) kein Bilanzgewinn ergeben. Folglich waren die gegenüber dem MU bestehenden Verpflichtungen nur durch die Erzielung künftiger Gewinne (Jahresüberschüsse) zu erfüllen.

Zudem ist zu beachten: Stille Reserven erhöhen erst im Zeitpunkt ihrer Aufdeckung das Jahresergebnis und damit den für Zwecke der Forderungserfüllung (gemäß den Rangrücktrittsabreden) maßgeblichen Bilanzgewinn.

Das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG gilt im Übrigen nicht nur für künftig entstehende, sondern gleichermaßen auch für bereits entstandene Verbindlichkeiten, wenn diese nur aus künftig anfallenden Gewinnen (Jahresüberschüssen) zu erfüllen sind und deshalb das aktuelle Vermögen des Schuldners nicht belasten.

Neu ist folgende Auffassung des BFH, wonach derartige Darlehen, die aus künftigen Gewinnen zu tilgen sind, zumindest steuerlich Eigenkapital darstellen können. Diese Form der Tilgung widerspricht nicht mehr der Eigenkapitalfunktion. Voraussetzung: Der aufgelöste Wegfallgewinn beruht auf einem Gesellschaftsverhältnis (also z.B. nicht im Fall der Darlehensgewährung mit Rangrücktritt durch eine Bank). Zum sog. Einlagetatbestand durch Zuführung eines Wirtschaftsguts zählt auch der Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens (nicht nur der Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens). Es ist temporär – bis zur Erfüllung der Darlehensverbindlichkeit bei Anfall eines künftigen (Bilanz-)Gewinns oder Liquidationsüberschusses – davon auszugehen, dass dem Schuldner (TU-GmbH) Eigenkapital zur Verfügung steht.

 

 

Bilanzierungshinweise:

Die Ausbuchung einer Verbindlichkeit kommt demnach nicht nur in folgenden Fällen in Betracht, wenn

  • der Gläubiger dem Schuldner die Verbindlichkeit erlässt,
  • die Verbindlichkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden muss.

Auch wenn für ein Darlehen eine Rangrücktrittsverpflichtung besteht, wonach dieses nur aus künftigen Bilanzgewinnen oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss (verbleibender Betrag nach Veräußerung der Wirtschaftsgüter und Begleichung aller übrigen Verbindlichkeiten) zu tilgen ist, ist die Verbindlichkeit auszubuchen.

Nach wie vor umgangen werden kann die „befürchtete“ Ausbuchung einer Darlehensverbindlichkeit in Verbindung mit einem Rangrücktritt des Gläubigers durch entsprechende Vertragsgestaltung: Die betreffende Vertragspassage ist zu ergänzen „unter Einbeziehung der Tilgungsmöglichkeit aus sonstigem freien Vermögen“. Als „freies Vermögen” bezeichnet der BFH (Urteil vom 30.11.2011, I R 100/10, DStR 2012, 450) einen über das Nennkapital hinausgehenden Eigenkapitalausweis. Der unten wiedergegebene Formulierungsvorschlag (vgl. Hoffmann, BC 2006, 50, Heft 3) für eine insolvenzrechtlich „ausreichende” Rangrücktrittserklärung ist dahingehend neutral gehalten („wie es zur Vermeidung einer Überschuldung … erforderlich ist”) und umfasst deshalb auch die Tilgungsmöglichkeit aus sonstigem freien Vermögen.

Zur Bilanzierung aufseiten des Gläubigers: Die Beteiligung am verbundenen Unternehmen (im handelsrechtlichen Abschluss als Anteile verbundener Unternehmen auszuweisen) umfasst nicht die betreffenden Forderungen aus Darlehensgewährung an die Tochtergesellschaft. Diese sind „Ausleihungen an verbundene Unternehmen” bzw. im Umlaufvermögen „Forderungen gegen verbundene Unternehmen”. Die Ausbuchung der Darlehensverbindlichkeit mit Rangrücktritt bei der Tochtergesellschaft im vorliegenden Fall führt beim Mutterunternehmen sozusagen „spiegelbildlich“ nicht zur Ausbuchung der betreffenden Forderung. Es liegt ja schließlich kein ausdrücklicher Forderungsverzicht seitens des Mutterunternehmens vor. Da nunmehr derartigen Darlehen mit Rangrücktritt eine Eigenkapitalfunktion zukommt, bleibt die „Spiegelbildlichkeit“ der Bilanzierung beim Schuldner und Gläubiger ohnehin bestehen.

 

 

 

Formulierungsvorschlag zur Rangrücktrittserklärung (Hoffmann, BC 2006, 50, Heft 3)

1Der Darlehensgeber tritt mit seinen Forderungen samt Zinsen und Nebenforderungen hiermit unwiderruflich hinter sämtliche Forderungen derzeitiger und künftiger Gläubiger des Darlehensnehmers, die keinen Rangrücktritt erklärt haben („Vorrangforderungen”), in dem Umfang und so lange zurück, wie es zur Vermeidung einer Überschuldung des Darlehensnehmers erforderlich ist. Demgemäß kann der Darlehensgeber die Begleichung der Forderungen nur insoweit verlangen, wie entweder sämtliche Vorrangforderungen vollständig beglichen sind oder aber das nach Rückzahlung der Forderungen verbleibende Vermögen des Darlehensnehmers zur Begleichung sämtlicher Vorrangforderungen ausreicht.

2Soweit der Rangrücktritt gemäß Satz 1 reicht, sind die Forderungen des Darlehensgebers auf dem Rang des § 39 Abs. 2 InsO.

3Wenn die Rechtsprechung weitergehende Anforderungen an den Rangrücktritt stellen sollte, sind die Forderungen des Darlehensgebers abweichend von Satz 1 auf demjenigen Rang, der nach der Rechtsprechung erforderlich ist, um die Passivierung der Forderungen in der Überschuldungsbilanz des Darlehensnehmers zu verhindern.

 

 

[Anm. d. Red.] 

 

 

 

BC 8/2015

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