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Bürgschaft als nachträgliche Anschaffungskosten: Voraussetzungen

Christian Thurow

FG Köln, Urteil vom 30.9.2015, 3 K 706/12 (Revision zugelassen)

 

Durch das „Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen“ (MoMiG) wurde das bisher von der Rechtsprechung geschaffene Eigenkapitalersatzrecht außer Kraft gesetzt. Unter welchen Voraussetzungen kann nun eine Bürgschaft zu nachträglichen Anschaffungskosten führen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Finanzgericht Köln in seinem am 1.12.2015 veröffentlichten Urteil.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger war zu mehr als 50% an der A-GmbH beteiligt. Die GmbH schloss mit der örtlichen Sparkasse einen Kontokorrentkreditvertrag ab. Die Gesellschafter zeichneten den Vertrag als Mitverpflichtete. Nach diversen wirtschaftlichen Schwierigkeiten verkaufte der Kläger seinen GmbH-Anteil an den Mitgesellschafter zu einem Kaufpreis von 1 €. Die Bürgschaft gegenüber der Sparkasse blieb im Außenverhältnis weiterhin bestehen; im Innenverhältnis wurde der Kläger vom Erwerber der GmbH-Anteile freigestellt.

Nach der Insolvenz der GmbH im folgenden Jahr nahm die Sparkasse den Kläger in Höhe der bestehenden Bürgschaftsverpflichtung in Anspruch. Der Insolvenzverwalter ging bei der GmbH von einer Insolvenzquote von weniger als 2% aus. Die Ersatzansprüche gegen den Mitgesellschafter blieben erfolglos, da dieser verstarb und die Erben das Erbe ausschlugen. Der Kläger machte daraufhin die Aufwendungen aus der Bürgschaftsinanspruchnahme als nachträgliche Anschaffungskosten seiner Beteiligung an der GmbH geltend.

Das Finanzamt erkannte dies nicht an. Als Grund für die Ablehnung führte das Finanzamt u.a. an, dass die Bürgschaft bereits vor Eintritt der Krise gewährt worden sei.

 

 

Lösung

Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) Köln handelt es sich bei der Bürgschaftszahlung sehr wohl um nachträgliche Anschaffungskosten. In der recht ausführlichen Urteilsbegründung skizziert das Finanzgericht zunächst noch einmal die Regelungen des Eigenkapitalersatzrechts nach dem GmbH-Recht in der alten Fassung (a.F.). Dabei wurde wie folgt unterschieden:

  • Eigenkapitalersetzende Darlehen (oder Bürgschaft): Ein in der Krise gewährtes Darlehen wurde im Insolvenzrecht bislang wie Eigenkapital (also nachrangig) behandelt.
  • Ein vor Eintritt der Krise gewährtes Darlehen wurde wie normales Fremdkapital (daher keine Anschaffungskosten im Sinne des § 17 EStG) eingestuft.

Im Rahmen der Einführung des MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen) wurde § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO jedoch so gestaltet, dass bei Darlehens- und wirtschaftlich vergleichbaren Forderungen der Gesellschafter eine grundsätzliche insolvenzrechtliche Nachrangigkeit besteht. Im Schrifttum ist seither umstritten, ob mit dieser Regelung die bisherige Unterscheidung zwischen eigenkapitalersetzendem Darlehen und dem „Vorkrisen-Darlehen“ überholt ist. Eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu steht noch aus.

Aus Sicht des Finanzgerichts (FG) Köln besteht das entscheidende Kriterium nunmehr darin, dass die betreffende Finanzierungshilfe – anders als beim Darlehen – durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen sein muss. Für den Ausgangsfall ist die weitere Klärung der Frage aber nicht entscheidend, da die Bürgschaft „in der Krise“ gewährt wurde. Der Krise ist nämlich auch die Kreditunwürdigkeit gleichgestellt. Ob eine Kreditunwürdigkeit vorliegt, ist (so das Finanzgericht) aufgrund der Gesamtwürdigung des Einzelfalls festzustellen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kontokorrentkredits hatte die GmbH rund zwei Drittel ihres Stammkapitals verloren. Darüber hinaus verfügte die GmbH über keine beleihungsfähigen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Auch stille Reserven waren aus Sicht des Finanzgerichts nicht vorhanden. Soweit die Finanzbehörde anführt, die GmbH hätte mit ihrer über 100 Jahre alten Marke über einen erheblichen Firmenwert verfügt, bezweifelt das Gericht, ob ein solch schwer schätzbares immaterielles Wirtschaftsgut von der Sparkasse als Sicherheit akzeptiert worden wäre. Aufgrund des Verfalls des Stammkapitals und des Fehlens gesellschaftseigener Sicherungsmittel war die GmbH kreditunwürdig.

Der Abschluss des Kreditvertrags bedurfte daher der Hingabe einer persönlichen Bürgschaft der Gesellschafter. Ein fremder Dritter wäre das Risiko einer solchen Finanzierungsmaßnahme nicht eingegangen. Insofern war die Hingabe der Bürgschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Bei einer Bürgschaft muss aus Sicht des Finanzgerichts auch nicht ausdrücklich erklärt werden, dass es sich um eine krisenbestimmte Finanzierungshilfe handelt. Bürgschaftsversprechen, Schuldbeitritte und ähnliche Finanzierungshilfen kommen ja gerade erst in der Krise zum Tragen, ihre Krisenbestimmtheit ist inbegriffen.

Unstreitig steht dem Kläger kein werthaltiger Rückgriffsanspruch gegenüber der GmbH oder den Erben des Mitgesellschafters zu. Insofern stellen die Aufwendungen aus der Inanspruchnahme der Bürgschaft nachträgliche Anschaffungskosten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Sinne von § 17 Abs. 2 EStG dar.

 

 

Praxishinweise:

Gesellschafterdarlehen und Leistungen auf Forderungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen, sind seit Inkrafttreten des MoMiG (am 1.11.2008) ausdrücklich nicht mehr dem Eigenkapital gleichgestellt. Tilgungsleistungen stellen deshalb – vorbehaltlich des solvency-tests – keine nach dem GmbHG verbotene Auszahlung des Kapitals dar (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG).

Allerdings ist seither einheitlich für alle Rechtsformen von Gesellschaften in der Insolvenzordnung der Nachrang von Gesellschafterdarlehen und diesen wirtschaftlich entsprechenden Forderungen aus Rechtshandlungen angeordnet; diese dürfen erst nach Befriedigung aller anderen Insolvenzforderungen befriedigt werden (§ 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 InsO). Ausgenommen sind Darlehen von nicht geschäftsführenden Gesellschaftern, die mit 10% oder weniger am Kapital der Gesellschaft beteiligt sind (bislang bei der AG: 25%). Nach dem weiterhin geltenden Sanierungsprivileg gilt der Nachrang einer Gesellschafterforderung bis zur nachhaltigen Sanierung der Gesellschaft nicht gegenüber demjenigen Gesellschafter, der bei (drohender) Insolvenz Gesellschaftsanteile zum Zwecke der Sanierung erwirbt.

Wurde ein Gesellschafterdarlehen innerhalb eines Jahres vor Insolvenzeröffnung getilgt, ist es auf Anfechtung zu erstatten; dies betrifft Besicherungen während der letzten 10 Jahre (§ 135 Abs. 1 InsO). Entsprechendes gilt außerhalb des Insolvenzverfahrens nach § 6 Abs. 1 Anfechtungsgesetz.

Ungeachtet der regelmäßigen Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz sind Gesellschafterdarlehen als Verbindlichkeit der Gesellschaft im Überschuldungsstatus zu berücksichtigen, wenn nicht ausdrücklich ein „Rangrücktritt” vereinbart worden ist, wonach der Gesellschafter im Rang hinter die übrigen Kreditgeber zurücktritt, die keine Rangrücktrittserklärung abgegeben haben (vgl. ausführlich Bode/Herzing, BC 2009, 231 f., Heft 5).

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Lead Auditor Europe in der Internen Revision, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

BC 1/2016

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