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44-€-Freigrenze für Sachbezüge: Auch Gutscheine mit Betragsangabe können Sachbezüge sein

Jürgen Plenker

BFH-Urteile vom 11.11.2010, VI R 21/09, 27/09 und 41/10

  1. Überlässt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer bei einer beliebigen Tankstelle einlösbare Benzingutscheine, wendet er seinen Arbeitnehmern auch dann einen Sachbezug zu, wenn der Arbeitnehmer auf seine Kosten tankt und sich gegen Vorlage der Benzingutscheine von seinem Arbeitgeber die Kosten erstatten lässt.

  2. Sachbezüge liegen auch dann vor, wenn der Arbeitgeber seine Zahlung an den Arbeitnehmer mit der Auflage verbindet, den empfangenen Geldbetrag nur in einer bestimmten Weise zu verwenden.

  3. Überlässt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer einen bei einer größeren Buchhandelskette einlösbaren Gutschein über einen in Euro lautenden Höchstbetrag für den Bezug einer Sache aus deren Warensortiment, so wendet er seinem Arbeitnehmer einen Sachbezug zu.

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die mit dem üblichen Endpreis am Abgabeort anzusetzenden Sachbezüge sind steuer- und sozialversicherungsfrei, wenn die sich nach Anrechnung der vom Arbeitnehmer gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 44 € im Kalendermonat nicht übersteigen (§ 8 Abs. 2 Satz 9 EStG, § 3 Abs. 1 Satz 4 Sozialversicherungsentgeltverordnung). Die Finanzverwaltung hat bislang in den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) die Auffassung vertreten, dass ein bei einem Dritten einzulösender Gutschein dann kein Sachbezug ist, wenn neben der Bezeichnung der abzugebenden Ware oder Dienstleistung ein anzurechnender Betrag oder Höchstbetrag angegeben ist. Die 44-€-Freigrenze für Sachbezüge wurde bisher in diesen Fällen von der Finanzverwaltung nicht gewährt (R 8.1 Abs. 1 Satz 7 LStR).

In den nunmehr vom BFH entschiedenen – voneinander unabhängigen – drei Streitfällen ging es um Folgendes:

  • Die Arbeitnehmer durften mit vom Arbeitgeber ausgestellten Tankgutscheinen bei einer Tankstelle ihrer Wahl 30 Liter Treibstoff tanken und sich die Kosten dafür von ihrem Arbeitgeber erstatten lassen;

  • die Arbeitnehmer hatten das Recht, auf Kosten ihres Arbeitgebers gegen Vorlage einer Tankkarte bei einer bestimmten Tankstelle bis zu einem Höchstbetrag von 44 € monatlich zu tanken; und

  • die Arbeitnehmer hatten anlässlich ihres Geburtstags Geschenkgutscheine einer großen Einzelhandelskette über 20 € von ihrem Arbeitgeber erhalten.

Während die Arbeitgeber diese Zuwendungen jeweils als Sachbezug beurteilten und angesichts der 44-€-Freigrenze für Sachbezüge keine Lohnsteuer einbehielten, gingen die Finanzämter von nicht steuerbefreitem Barlohn aus und hatten entsprechende Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheide erlassen.

 

Lösung

Der BFH hat in allen drei Streitfällen Sachlohn angenommen, die 44-€-Freigrenze für Sachbezüge angewendet und den Klagen somit stattgegeben. Die Frage, ob Barlohn oder Sachlohn vorliegt, entscheidet sich auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen danach, welche Leistung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber beanspruchen kann. Die Unterscheidung ist also nach der Art des arbeitgeberseitig zugesagten und daher arbeitnehmerseitig zu beanspruchenden Vorteils und nicht durch die Art und Weise der Erfüllung dieses Anspruchs zu treffen. Kann der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber nur eine „Sache“ beanspruchen, ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber zur Erfüllung dieses Anspruchs selbst tätig wird oder dem Arbeitnehmer gestattet, auf seine Kosten die Sachen bei einem Dritten zu erwerben. Sachbezüge liegen daher selbst dann vor, wenn der Arbeitgeber seine Zahlung an den Arbeitnehmer mit der Auflage verbindet, den empfangenen Geldbetrag nur in einer bestimmten Weise zu verwenden.

 

Praxishinweise:

  • Ob eine Geldleistung oder eine Sachleistung vorliegt, ist auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zu entscheiden. Ausschlaggebend ist die Art des arbeitgeberseitig zugesagten und arbeitnehmerseitig zu beanspruchenden Vorteils, nicht die der Erfüllung dieses Anspruchs. Im Streitfall lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Arbeitnehmer auch das Recht hatten, auf die Sachleistung zu verzichten und stattdessen eine Geldleistung in Höhe des Gegenwerts der Sachleistung zu beanspruchen. Der BFH weist in diesem Zusammenhang auf seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2008 zum Rabattfreibetrag von 1.080 € jährlich (§ 8 Abs. 3 EStG) hin. In diesem Streitfall waren Einkaufsgutscheine als Barlohnverwendung qualifiziert worden mit der Folge, dass der Rabattfreibetrag nicht zur Anwendung kam, weil der Arbeitnehmer statt des Gutscheins auch Geld beanspruchen konnte (BFH-Urteil vom 6.3.2008, BStBl. II, S. 530).

  • Lohnsteuerlich ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber die Sachleistung bei einem Dritten bezieht und sie an den Arbeitnehmer weitergibt oder der Arbeitnehmer selbst Vertragspartner des die Leistung erbringenden Dritten ist. Lohnsteuerlich ist nämlich nicht der zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten zustande gekommene Kaufvertrag, sondern der zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestehende Arbeitsvertrag entscheidend. Daher können auch zweckgebundene Geldleistungen des Arbeitgebers – z.B. zur Begleichung von Vereinsbeiträgen – Sachleistungen sein. An seiner gegenteiligen Rechtsprechung (Urteil vom 27.10.2004, BStBl. 2005 II, S. 137) hält der BFH nicht mehr fest.

  • Umsatzsteuerlich ist der Arbeitgeber aber nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er als Leistungsempfänger aus dem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis mit dem Dritten berechtigt/verpflichtet ist (Abschn. 15.2 Abs. 16 UStAE). Sofern dies bejaht wird, liegt bei der Weitergabe an den Arbeitnehmer auch eine umsatzsteuerpflichtige Ausgangsleistung vor (§ 3 Abs. 9a UStG).

  • Ein Zufluss von Geld und kein Sachlohn liegt lohnsteuerlich vor, wenn der Barlohn nicht an den Arbeitnehmer ausbezahlt, sondern auf seine Weisung anderweitig verwendet wird (z.B. zur Erfüllung einer Verbindlichkeit des Arbeitnehmers aus Kauf, Miete, Darlehen). Hierbei handelt es sich lediglich um die Abkürzung des Zahlungswegs, die den Charakter der Zahlung des Arbeitgebers als Barlohnzuwendung unberührt lässt.

  • Die vorstehende Rechtsprechung hat m.E. auch Auswirkung auf den Zuflusszeitpunkt bei Gutscheinen. Zurzeit geht die Finanzverwaltung davon aus, bei einem Dritten einzulösende Gutscheine sind mit der Hingabe des Gutscheins zugeflossen, weil der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch gegenüber dem Dritten erhält (R 38.2 Abs. 3 Satz 1 LStR). Es bleibt also z.B. bei einem Zufluss, auch wenn der Arbeitnehmer den Gutschein verliert. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsprechung ist hingegen von einem Zufluss wohl erst dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer die Sachleistung bzw. die Kostenerstattung vom Arbeitgeber erhält. In den Fällen der als Sachleistung zu beurteilenden Kostenerstattung durch den Arbeitgeber besteht zudem keine Veranlassung, einen Abschlag von 4% (vgl. hierzu R 8.1 Abs. 2 Satz 9 LStR) vorzunehmen.

 

Dipl.-Finanzwirt Jürgen Plenker

 

BC 3/2011

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