BMF-Schreiben vom 27.7.2015, IV C 1 – S 2211/11/10001; DOK 2015/0644430
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer Reihe von Urteilen seine bisherige Auffassung zum nachträglichen Werbungskostenabzug von Schuldzinsen und Vorfälligkeitsentschädigungen bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung revidiert. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun die neue Rechtslage in einem Schreiben zusammengefasst.
Praxis-Info!
Das aktuelle BMF-Schreiben befasst sich mit der steuerlichen Behandlung von Schuldzinsen nach Veräußerung eines Mietobjekts bzw. nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht sowie der steuerlichen Behandlung einer Vorfälligkeitsentschädigung.
1. Schuldzinsen für fremdfinanzierte Anschaffungs-/Herstellungskosten eines Mietobjekts nach dessen Veräußerung
Hier gilt der sog. Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung. Danach können Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit der Anschaffung oder Herstellung einer zur Erzielung von Vermietungs- und Verpachtungseinkünften dienenden Immobilie stehen, auch nach Verkauf der Immobilie als (nachträgliche) Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden. Voraussetzung: Die aufgenommenen Verbindlichkeiten können nicht durch den Veräußerungserlös getilgt werden. Die zehnjährige Veräußerungsfrist ist für den Werbungskostenabzug unmaßgeblich. Entscheidend ist, dass die Einkünfteerzielungsabsicht nicht bereits vor dem Verkauf der Immobilie entfallen ist (etwa durch Eigennutzung).
Bestehen mehrere Darlehen (in Verbindung mit dem veräußerten Mietobjekt), so ist ein Werbungskostenabzug der Schuldzinsen nur möglich, wenn die Tilgung der Darlehen durch den Veräußerungserlös nach vertraglichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgt. Das heißt: Diejenigen Darlehen mit den höchsten Zinskonditionen müssen – soweit vertragliche Gründe nicht dagegen sprechen – zuerst abgelöst werden.
Die aufgeführten Grundsätze gelten auch für Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen, soweit der Refinanzierungsbetrag den abzulösenden Restdarlehensbetrag nicht übersteigt und die Umschuldung sich im Rahmen einer üblichen Finanzierung bewegt.
Die genannten Grundsätze gelten nur für Veräußerungsgeschäfte, die nach dem 31.12.1998 getätigt wurden. Für vor dem 1.1.1999 getätigte Grundstücksveräußerungen ist ein nachträglicher Werbungskostenabzug von Schuldzinsen nicht möglich. |
Auch bei Schuldzinsen, die auf der Aufnahme von Verbindlichkeiten für Erhaltungsaufwendungen (Fremdfinanzierung sofort abziehbarer Werbungskosten) beruhen, ist ein nachträglicher Werbungskostenabzug möglich, wenn der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung der Verbindlichkeit ausreicht. Wird der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung des Darlehens verwendet, so ist ein nachträglicher Werbungskostenabzug der Schuldzinsen ausgeschlossen.
Hinweis: Die genannten Grundsätze zum „Schuldzinsenabzug bei Verbindlichkeiten für Erhaltungsaufwendungen“ gelten für Veräußerungsgeschäfte, die nach dem 1.1.2014 getätigt wurden. Für vor diesem Zeitpunkt getätigte Veräußerungsgeschäfte gilt weiterhin das BMF-Schreiben vom 3.5.2006 (BStBl. I, 363). Demnach ist die Verwendung des Veräußerungserlöses für den Werbungskostenabzug unerheblich. |
2. Im Zuge der Veräußerung gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung für die Ablösung einer Fremdfinanzierung der Anschaffungs-/Herstellungskosten des Mietobjekts
Vorfälligkeitsentschädigungen stehen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer vorzeitigen Ablösung des zur Finanzierung der Anschaffung oder Herstellung aufgenommenen Darlehens. Aufgrund des Veranlassungszusammenhangs mit der Veräußerung des Mietobjekts stellen Vorfälligkeitsentschädigungen keine nachträglichen Werbungskosten dar.
Die Grundsätze gelten auch bei Vorfälligkeitsentschädigungen für Darlehen, die im Zusammenhang mit der Fremdfinanzierung sofort abziehbarer Werbungskosten (Erhaltungsaufwendungen) stehen.
Die genannten Grundsätze sind erstmals auf Vorfälligkeitsentschädigungen anzuwenden, wenn das Veräußerungsgeschäft des Mietobjekts nach dem 26.7.2015 rechtswirksam abgeschlossen wurde. |
3. Schuldzinsen für fremdfinanzierte Anschaffungs-/Herstellungskosten eines Mietobjekts nach Wegfall der Einkünfteerzielungsabsicht
Nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht stehen Schuldzinsen nicht mehr in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern stellen eine dem privaten Vermögensbereich zuzuordnende Gegenleistung für Kapitalüberlassung dar. Ein Abzug von Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist daher nicht mehr zulässig.
Diese Grundsätze gelten auch für Darlehen, die im Zusammenhang mit der Fremdfinanzierung sofort abziehbarer Werbungskosten (Erhaltungsaufwendungen) stehen.
Die vorgenannten Grundsätze sind erstmals auf Schuldzinszahlungen anzuwenden, wenn die Einkünfteerzielungsabsicht nach dem 1.1.2014 aufgegeben wurde. Für eine vor diesem Zeitpunkt aufgegebene Einkünfteerzielungsabsicht gilt weiterhin das BMF-Schreiben vom 3.5.2006 (BStBl. I, 363). |
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Lead Auditor Europe in der Internen Revision, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 8/2015
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