BFH Urt. v. 14.9.2023 – VI R 27/21
Im lohnsteuerlichen Reisekostenrecht ist es von entscheidender Bedeutung, ob der Arbeitnehmer eine erste Tätigkeitsstätte hat oder mangels einer solchen bei Verlassen der Wohnung von einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit auszugehen ist.
Praxis-Info!
Dies gilt u.a. für
- die Versteuerung eines geldwerten Vorteils für den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte nach der 0,03%-Bruttolistenpreisregelung bei einer Firmenwagengestellung,
- den Ansatz der Entfernungspauschale oder des Betrags von 0,30 € je gefahrenen Kilometer bei Benutzung eines eigenen Pkw des Arbeitnehmers und
- den Ansatz der Verpflegungspauschale von derzeit 14 € täglich bei einer Auswärtstätigkeit mit mehr als acht Stunden Abwesenheit von der Wohnung.
Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten (z.B. von einem Kunden), der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Dauerhaft bedeutet: unbefristet, gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses oder mehr als 48 Monate (§ 9 Abs. 4 S. 2 und 3 EStG).
Die erforderliche Zuordnung wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Dies umfasst sowohl die schriftlich als auch mündlich getroffenen Vereinbarungen (z.B. im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers = Leistungspflicht des Arbeitnehmers). Die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen. Es entspricht in der Regel der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder tätig werden soll (= „Büroangestellte“).
Eine stillschweigende Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers ergibt sich aber nicht schon daraus, dass der Arbeitnehmer diese Einrichtung nur gelegentlich zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit aufsuchen muss, im Übrigen aber seine Arbeitsleistung ganz überwiegend außerhalb der festen Einrichtung erbringt.
Der entschiedene Streitfall, bei dem eine dauerhafte Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte aufgrund des vorstehenden Absatzes verneint wurde, betraf den Bauleiter eines Bauunternehmens; der Grundsatz gilt aber generell für Außendienstmitarbeiter. Nach den Aussagen der Zeugen vor dem Finanzgericht hatte der Bauleiter vom Arbeitgeber „keine Anweisungen zum Arbeitsort“ erhalten, lediglich zum „Arbeitsgebiet“. Da somit zumindest keine eindeutige Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte vorlag und die zeitlichen Kriterien für das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte nicht erfüllt waren (unbefristet, gesamte Dauer des Dienstverhältnisses oder Zeitraum von mehr als 48 Monaten, vgl. § 9 Abs. 4 S. 4 EStG), lag beim Bauleiter mit Verlassen der Wohnung eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit vor. Somit entfiel die Versteuerung eines geldwerten Vorteils für den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte nach der 0,03%-Bruttolistenpreisregelung aufgrund der Firmenwagengestellung; zu berücksichtigen war die Verpflegungspauschale von 14 € täglich wegen der Auswärtstätigkeit mit mehr als acht Stunden Abwesenheit von der Wohnung als Werbungskosten.
Mitarbeiter der BC-Redaktion
BC 12/2023
BC20231210