FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.4.2015, 8 K 1961/14 (Revision zugelassen)
„Drum prüfe wer, sich (ewig) bindet“ – Schillers Mahnspruch aus dem „Lied von der Glocke“ gilt nicht nur für frisch verliebte Privatpersonen, sondern auch für Freiberufler, die eine Gemeinschaftspraxis gründen wollen. Denn für den Fiskus heißt es: „Mitgefangen, mitgehangen“.
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Problemstellung
Die Ärzte Dr. A und Dr. B betrieben eine Gemeinschaftspraxis. Aufgrund persönlicher Differenzen wurde diese nach mehreren Jahren aufgelöst. Vor der Auflösung erfolgte eine steuerliche Betriebsprüfung bei der Arztpraxis. Dabei wurden die Einkünfte des Dr. A aus selbstständiger Arbeit für die Jahre 2004 und 2005 um jeweils mehr als 300.000 € erhöht. Die Erhöhung resultiert aus Betriebsausgaben des Dr. B, die in erheblichem Umfang mangels betrieblicher Veranlassung rückgängig gemacht wurden. Der sich hieraus ergebende Mehrgewinn wurde gemäß der Gewinnverteilungsvereinbarung zu 60% Dr. B und zu 40% Dr. A zugerechnet.
In seiner Klage gegen die Erhöhung seiner Einkünfte führt Dr. A an, ihm sei der Gewinn nicht tatsächlich zugeflossen. Der Mehrgewinn beruht vielmehr auf dem Verhalten von Dr. B, der von den nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben profitiert hat. Dr. A hat seinen Anspruch auf Auszahlung der erhöhten Gewinne gegenüber Dr. B geltend gemacht. Dieser verweigert jedoch die Auszahlung. Darüber hinaus stehen Dr. A noch Ausgleichszahlungen aus der Auflösung der Praxisgemeinschaft zu, die Dr. B ebenfalls noch nicht geleistet hat. Ob Dr. B die Zahlungen überhaupt leisten kann, sei zweifelhaft. Mangels Zuflusses könne es somit auch nicht zu einer Besteuerung bei ihm kommen.
Lösung
Das FG Baden-Württemberg widerspricht der Auffassung des Klägers Dr. A. Bei Personengesellschaften ist laut BFH-Rechtsprechung der aus einer steuerlichen Betriebsprüfung resultierende Mehrgewinn grundsätzlich allen Gesellschaftern nach dem vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen. Dies gilt auch bei Gewinnen, die aus der Kürzung von Betriebsausgaben resultieren. Eine Ausnahme hiervon liegt vor, wenn die Mehrgewinne ausschließlich einem Gesellschafter zugutegekommen sind und die Erstattungsansprüche von Gesellschaft bzw. Mitgesellschaftern gegen diesen wertlos sind (z.B. wegen Vermögenslosigkeit).
Im Ausgangsfall hat der Kläger seine Ansprüche noch nicht gerichtlich geltend gemacht. Insofern kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht festgestellt werden, ob Dr. A seinen Erstattungsanspruch durchsetzen kann.
Fraglich ist allerdings, ob der Erstattungsanspruch gegen Dr. B nach Auflösung und Beendigung der Praxisgemeinschaft bereits deswegen als nicht mehr durchsetzbar gilt, weil er rechtlich in einem einheitlichen – erhöhten – Auseinandersetzungsanspruch aufgegangen ist. Zur Klärung dieser Frage hat das Finanzgericht die Revision beim BFH zugelassen.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Lead Auditor Europe in der Internen Revision, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 12/2015
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