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Anrechnung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung – oder die Geschichte vom Räuber Halblitzel

Peter tom Suden

FinMin Brandenburg, Erlass vom 24.2.2010, 31 – S – 7348 – 1/09 (zum BFH-Urteil vom 16.12.2008, VII R 17/08)

 

Wird die Dauerfristverlängerung für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen widerrufen und die Sondervorauszahlung auf die Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum, für den die Fristverlängerung gilt, angerechnet, ist der insoweit nicht verbrauchte Betrag der Sondervorauszahlung nicht zu erstatten, sondern mit der Jahressteuer zu verrechnen. Nur soweit die Sondervorauszahlung auch durch diese Verrechnung nicht verbraucht ist, entsteht ein Erstattungsanspruch.

[Leits. des BFH-Urteils vom 16.12.2008]

 

 

Die Erzählung

In einem finsteren Wald wohnte der Räuber Halblitzel. Sein Büro hatte er am Waldrand; und immer, wenn jemand an seinem Büro vorbeikam, dann rief er: „Halt! Abgaben zahlen! Die Hälfte von allem gehört immer dem König; und den vertrete jetzt gerade mal ich!“ Die Leute mussten dann die Hälfte ihres Geldes dem Räuber Halblitzel abgeben. Und wenn sie das nächste Mal kamen, war wieder die Hälfte ihres Geldes weg. Ein Märchen? Nicht unbedingt, wie das genannte Urteil des BFH vom 16.12.2008 zeigt.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Frage ist: Wird künftig ein Guthaben aus der Anrechnung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung (1/11 der Umsatzsteuerschuld des vorangegangenen Jahres) in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Dezember nicht mehr ausgezahlt, sondern die USt-Voranmeldung erst auf 0,00 € gerechnet und ein darüber hinaus bestehendes Guthaben erst in der USt-Jahreserklärung angerechnet, und zwar in allen Fällen? Also auch beim „normalen“ Unternehmer, oder nur in Sonderfällen wie Widerruf, Verzicht, Insolvenz etc.?

 

Beispiel zum Erstattungsanspruch von Umsatzsteuervorauszahlungen: .

Unternehmer U hat eine Dauerfristverlängerung beantragt, weshalb er nicht schon zehn Tage nach dem Monatsende seine Umsatzsteuer-Voranmeldung abgeben muss, sondern erst einen Monat später. Hierfür hat er zu Beginn des Jahres 2009 eine Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung für 2009 in Höhe von 15.000 € zu entrichten (1/11 der Umsatzsteuerschuld des Jahres 2008).

Für den Monat Dezember 2009 gibt U Anfang Februar 2010 eine Umsatzsteuer-Voranmeldung mit einer Zahllast von 10.000 € ab. Nach Anrechnung der für 2009 bereits geleisteten Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung von 15.000 € ergibt sich ein Erstattungsanspruch von 5.000 €.

Erfolgt die Erstattung erst bei Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2009 oder bereits mit der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 2009 im Februar 2010?

 

 

 

Hintergrund

Da die genannte BFH-Entscheidung mittlerweile im Bundessteuerblatt (BStBl. II 2010, S. 91) veröffentlicht worden ist, hat sie bindenden Charakter. Die Finanzverwaltung hat der Allgemeingültigkeit dieser Rechtsprechung nicht widersprochen („… über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden …“).

Zudem gibt es hierzu zwischenzeitlich den Erlass des Finanzministeriums Brandenburg: Wenn nach Anrechnung der Sondervorauszahlung in der Umsatzsteuer-Voranmeldung noch ein Erstattungsbetrag verbleibt, ist dieser nicht auszuzahlen bzw. zu verrechnen, sondern auf die Jahresumsatzsteuer anzurechnen.

Danach wird zumindest bis 0,- € angerechnet. Nur eine Umsatzsteuererstattung kann sich nicht mehr sofort ergeben. Umstritten ist die Reichweite, die durch das Wörtchen „auch“ aus Sicht der Finanzverwaltung verlängert wurde. Das Anrechnungsverfahren ist – auch! – auf folgende Fälle anzuwenden:

  1. Die Dauerfristverlängerung wird unterjährig vom Finanzamt widerrufen.
  2. Das Unternehmen verzichtet unterjährig auf die Dauerfristverlängerung.
  3. Der Unternehmer beendet seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit während des laufenden Jahres.

Urteil und Erlass werden von den eigenen Leuten kritisiert. so das BFH-Urteil von Karl-Hermann Eckert (BBK-2009-0577; Quelle: Kurzfassung LexInf)): „Dies kritisiert der Verfasser, tätig im Umsatzsteuerreferat des Ministeriums der Finanzen des Landes Brandenburg, und hofft auf einen Nichtanwendungserlass sowie eine Regelung in der UStDV.“

Die bestehenden Regelungen des Gesetzgebers und der Finanzverwaltung haben bislang das BFH-Urteil noch nicht integriert:

  • Nach § 48 Abs. 4 UStDV ist „die festgesetzte Sondervorauszahlung … bei der Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum des Besteuerungszeitraums anzurechnen, für den die Fristverlängerung gilt“. Dies ist meines Erachtens der Dezember und nicht die USt-Jahreserklärung.
  • R 228 Abs. 5 UStR „Dauerfristverlängerung“: „Die festgesetzte Sondervorauszahlung ist bei der Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum anzurechnen, für den die Fristverlängerung im jeweiligen Besteuerungszeitraum in Anspruch genommen werden konnte (§ 48 Abs. 4 UStDV). Die Sondervorauszahlung wird daher grundsätzlich bei der Berechnung der Vorauszahlung für den Monat Dezember angerechnet. Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Laufe eines Kalenderjahres eingestellt, hat er die Anrechnung bereits in der Voranmeldung für den Voranmeldungszeitraum vorzunehmen, in dem der Betrieb eingestellt oder der Beruf aufgegeben worden ist. Bei einem Verzicht des Unternehmers auf die Dauerfristverlängerung und bei einem Widerruf durch das Finanzamt im Laufe des Kalenderjahres gilt Satz 1 entsprechend.“

 

Praxisempfehlung:

Sofern das Finanzamt anders als nach § 48 Abs. 4 UStDV bzw. R 228 Abs. 5 UStR verfahren sollte, wäre es ratsam, vorsorglich einen Einspruch einzulegen.

 

 

Mögliche weitere Vorgehensweise

Richtig besehen, versucht die Finanzverwaltung mit dem neuen Erlass bei den Unternehmen – quasi zinslos – Geld zu leihen. Eigentlich ist das ein Kassenkredit, der da aufgenommen wird.

Gemäß dem genannten Erlass des Finanzministeriums Brandenburg (vom 24.2.2010) soll standardisiert verfahren werden: Für den Normalfall keine Verrechnung mehr mit der USt-Voranmeldung Dezember, sondern erst mit der USt-Jahreserklärung. Wird das so durchgeführt, kommt es nicht nur in unbedeutenden Einzelfällen zu spürbaren Liquiditätsbelastungen durch die im Prinzip zu erwartende doppelte Zahlung im Februar 2011 (Monatszahlung plus USt-Sondervorauszahlung). Ein schwacher oder eigentlich kein Trost ist hierbei: Der Erstattungsanspruch ist zu verzinsen; denn der Zinslauf beginnt erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (Karenzzeit gemäß § 233a Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Verzicht auf die 1/11-Regelung kommt ja kaum in Betracht, da ansonsten die Abgabefristen für die USt-Voranmeldungen schwer einzuhalten sind.

 

Praxishinweis:

  • Die vorgestellte Regelung kann bei einem Teil der Unternehmen – was vielen derzeit noch nicht bewusst ist – zu erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten im Abrechnungsmonat Februar 2011 führen – vor allem in Branchen, die im Winter weniger Umsatz erwirtschaften (z.B. Gaststätten, Bau usw.).
  • Dem möglichen Liquiditätsengpass lässt sich vorbeugen, indem die USt-Jahreserklärung sogleich im Februar erstellt und eingereicht wird. Schließlich ist es auch möglich, eine „vorläufige“ USt-Jahreserklärung abzugeben. Dazu müssten dann die Formulare vorliegen und die Software der Finanzverwaltung die entsprechenden Berechnungen durchführen können. Für den Umgang mit dem Finanzamt sind das zu viele Eventualitäten (Konjunktive). Aber: Der Unternehmer hat hiermit einen Erstattungsanspruch, mit dem er Aufrechnung begehren, mindestens aber technische Stundung seiner Einkommensteuer-Vorauszahlung am 15.1.2011 verlangen kann.

Damit müsste der Räuber Halblitzel einen Teil „seiner Beute“ wieder herausrücken.

 

Weitere Internet-Fundstellen:

 

Peter tom Suden, Steuerberater, Cuxhaven

 

BC 7/2010

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