Dr. Hans-Jürgen Hillmer
Praxisbericht über Controlling-Umstellungen: Was machen die Lindt-Controller anders als früher?
Für Finanzexperten führt kein Weg an der Digitalisierung vorbei. Emotionale Intelligenz und Digitalkompetenz prägen das neue Anforderungsprofil. Das Denken in Szenarien und Simulationen ist zwingende Voraussetzung, um in einem Krisenumfeld zu bestehen.
Praxis-Info!
Problemstellung
Anlässlich der „Controller Tagung Schweiz“, die das IFZ (Institut für Finanzdienstleistungen, Hochschule Luzern) und der Internationale Controller Verein (ICV) jährlich durchführen, stehen traditionell besonders praktische Lösungsansätze im Themenfeld „Controlling“ auf der Agenda. Über das Schwerpunkt-Thema „Future Skills im Controlling“ wurde bereits im BC-Newsletter vom 21.9.2023 informiert. An dieser Stelle wird nun über die Maßnahmen berichtet, mit denen die Controllingpraxis im Unternehmen der Lindt & Sprüngli (Schweiz) AG den aktuellen Anforderungen angepasst wurde. Ergänzend wird nachfolgend darauf hingewiesen, was das für Recruitingprozesse bedeutet, um das Controllingteam anforderungsgerecht verstärken zu können.
Lösung
Die Frage, wie die Unternehmenswerte unser Mindset (unsere grundsätzliche Denkweise) beeinflussen, war der Ausgangspunkt im Vortrag von Daniel Britschgi, Leiter Controlling, Lindt & Sprüngli (Schweiz) AG. Für ihn sind Simulationen und das Denken in Szenarien als fester Bestandteil des Controller-Skill-Sets anzusehen. Dabei sind Soft Skills („weiche” berufliche Fähigkeiten) auch im Controlling von entscheidender Bedeutung, erläuterte er nach einem Kurzportrait von Lindt & Sprüngli, ein erfolgreiches Unternehmen, das zuletzt eine EBIT-Marge von ca. 15% erreichte.
Im Unternehmen definierte Werte sind
Im Controllingteam wurde schwerpunktmäßig auf die Werte Exzellenz und Zusammenarbeit (übergreifende Teams) gesetzt. Diese Ziele werden genutzt, um im Controlling ein eigenes Selbstverständnis zu entwickeln. Der Fokus auf Zusammenarbeit hilft, um ein Silodenken zu vermeiden und Barrieren abzubauen. Starke Controlling-Präsenz in den Fachbereichen fördert die Proaktivität.
Während früher (2017) ca. 60% des Controlling-Arbeitsvolumens auf Prozesse und Daten mit Vergangenheitsorientierung entfielen, 30% der Gegenwart gewidmet waren und nur 10% eine Forward-Orientierung hatten, gab und gibt es tiefgreifende Veränderungen für ein zukunftsgerichtetes Controlling. Dabei galt es, den Controlling-Output zu verschieben in Richtung von deutlich mehr Handlungsempfehlungen.
Dafür war insbesondere ein besseres Verständnis für das Geschäftsmodell zu entwickeln und mit mentaler Stabilität (kühler Kopf) zu verbinden: Die Devise lautet nun: „Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation!“ Gerade auch bei einem Traditionsunternehmen müssen Simulationen und Szenarien das Denken beherrschen. Marktentwicklungen und Trends sind im Auge zu behalten. Eine zentrale Controllingaufgabe besteht darin, dass die finanzielle Transparenz zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen ist. Insbesondere im Corona-Umfeld hat sich als wichtigstes Controller-Asset die Beherrschung von What-if-Analysen („Was-wäre-wenn-Analyse”) herausgestellt. Anpassungen von Zielwerten während des Planungsprozesses sind üblich, starre Budgets eher die Ausnahme. Auch im Non-financial-Bereich wurde mittlerweile eine Controllingposition geschaffen.
Einhergehend mit den Digitalisierungsanforderungen ist Begeisterung für Neues besonders wichtig. Daneben kommt es für derart aufgestellte Controller und Bilanzbuchhalter (m/w) nach den schokoladig geprägten Lindt-Erfahrungen auf folgende Aspekte an:
- Fachwissen auch anderen zur Verfügung stellen;
- Beziehungsmanagement und Bildung eines sozialen Bewusstseins als Antwort auf die weltweit zunehmende Relevanz von emotionaler Intelligenz;
- Freiraum für motiviert Mitarbeitende schaffen;
- Affinität zur Digitalisierung fördern;
- Digitalisierung in den Zielprozess integrieren und Mitarbeitende zur Umsetzung befähigen.
Und dies ist, so ein nachdrücklich vorgetragener Hinweis des Controllingchefs Britschgi, auch mit kleinen Teams und beschränkten Budgets machbar!
Praxishinweise: - Als Fazit lässt sich auch für nicht in Schokoladenunternehmen tätige Finanzexperten mitnehmen: Jede Krise sollte für das Controlling als Chance und Bewährungsprobe gesehen werden. Das Denken in Szenarien und Simulationen ist zwingende Voraussetzung, um in einem Krisenumfeld zu bestehen.
- Beim Rekrutieren neuer Mitarbeitender sollte mehr auf die Soft Skills geachtet werden: Kommunikationsfähigkeit, Verständnis für das Geschäftsmodell, Gespür für Prozesse und Beziehungspflege sind unerlässlich. Emotionale Intelligenz wird als wesentlicher Erfolgsfaktor immer wichtiger.
- Diese Empfehlungen wurden am 20.9.2023 in Rotkreuz/Luzern auch von der Rekrutierungsspezialistin Christine Seibert (Vice President Global HR, Datwyler IT Infra AG) geteilt. Für die Chancen und Möglichkeiten, Controller zu finden, zu entwickeln und zu halten, sind drei Skills von herausragender Bedeutung:
(1) Data Analytics, insbesondere die Fähigkeit zur Modellierung sehr großer Datenmengen; (2) Digitalkompetenz: Umgang mit generativer KI; (3) Cybersecurity: Betrugserkennung.
- Im Rahmen einer Gegenüberstellung von traditionellem und skillbasiertem Recruiting zeigte sich, dass weniger auf zurückliegende Erfahrungen zu schauen ist, sondern auf die aktuellen Fähigkeiten in Bezug auf den Umgang mit Daten und Forecastingprozessen. Zu empfehlen ist eine verhaltensorientierte, nicht wissensorientierte Interviewführung. Bewerber sollten sich darauf einstellen.
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Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld
BC 8/2023
BC20231027