BFH-Urteile vom 6.4.2016, X R 15/14; X R 28/14
Der Steuerpflichtige trägt die Darlegungs- und Feststellungslast für die Investitionsabsicht gemäß § 7g EStG i.d.F. des UntStRefG.
Die Durchführung einer Investition ist ein Indiz für die Existenz einer entsprechenden Investitionsabsicht.
Ein Finanzierungszusammenhang ist im Geltungsbereich des § 7g EStG i.d.F. des UntStRefG nicht mehr zu fordern (Abweichung von früherer Rechtslage).
Praxis-Info!
Problemstellung
Ein Gewerbetreibender wollte im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung (Ende 2011) nachträglich für ein Firmenfahrzeug, das 2010 angeschafft worden war, einen Investitionsabzugsbetrag (gemäß § 7g Abs. 1 EStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 – UntStRefG) geltend machen. Am 23.11.2011 stellte er einen solchen Antrag für das Wirtschaftsjahr 2008 über 10.800 €, der sich auf einen im August 2010 zu einem Nettokaufpreis von 27.193,50 € erworbenen Pkw bezog. Den Kaufpreis hatte der Gewerbetreibende über ein Darlehen mit vierjähriger Laufzeit finanziert.
Im parallelen Streitfall wurden neben einem Pkw noch für weitere Maschinen – ebenso in Verbindung mit einer steuerlichen Außenprüfung – Investitionsabzugsbeträge geltend gemacht.
Das Finanzamt berücksichtigte den Investitionsabzugsbetrag nicht, da der erforderliche Finanzierungszusammenhang fehle. Außerdem wurde der Investitionsabzugsbetrag erst im Rahmen einer Betriebsprüfung geltend gemacht, um dabei festgestellte nachträgliche Einkommenserhöhungen auszugleichen.
Auch nach Ansicht des Finanzgerichts stehe nicht fest, ob der Gewerbetreibende zum Ende des Wirtschaftsjahres 2008 tatsächlich beabsichtigt habe, das begünstigte Wirtschaftsgut in dem gesetzlich vorgegebenen Zeitrahmen voraussichtlich anzuschaffen. Es fehlten Nachweise über die angebliche Investitionsplanung. Nicht stichhaltig sei die Behauptung, es würden regelmäßig neue Firmenfahrzeuge angeschafft, die über fünf Jahre abgeschrieben und meist auch fremdfinanziert werden.
Hinweis hinsichtlich des Geltungszeitraums: Der vorliegende Streitfall bezieht sich auf die seit dem Veranlagungszeitraum 2007 geltenden Regelungen zum Investitionsabzugsbetrag. Genauer sind diejenigen Wirtschaftsjahre davon betroffen, die nach dem 14.8.2007 enden (siehe Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912). Seither erfolgt eine gewinnmindernde Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrags außerhalb der Bilanz. Zuvor war eine Ansparabschreibung als Rücklage in der Bilanz zu passivieren. Nicht zur Anwendung kommen in diesem BFH-Urteil die jüngsten Erleichterungen und Verfahrensvereinfachungen in § 7g EStG, die durch das Steueränderungsgesetz 2015 (vom 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834) eingeführt worden sind. Nach der Neuregelung kann der Steuerpflichtige – nunmehr ohne weitere Angaben – Abzugsbeträge für künftige Investitionen in bewegliches Anlagevermögen bis zu einem Höchstbetrag von unverändert 200.000 € gewinnmindernd abziehen. Die Abzugsbeträge müssen allerdings nach amtlich vorgeschriebenen Datensätzen durch Datenfernübertragung übermittelt werden. - Somit ist es nicht mehr erforderlich, die Funktion des Wirtschaftsguts anzugeben.
- Außerdem entfällt eine besondere Prüfung und Glaubhaftmachung der Investitionsabsicht.
Diese Neuregelungen gelten allerdings erst für Investitionsabzugsbeträge, die in nach dem 31.12.2015 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen werden (§ 52 Abs. 16 Satz 1 EStG). |
Lösung
Der BFH hat die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen, da sich nicht abschließend beurteilen lässt, ob es an der erforderlichen Investitionsabsicht gefehlt hat. Ein Finanzierungszusammenhang ist hingegen – abweichend von der früheren Gesetzesregelung zur Ansparabschreibung – nicht mehr zu fordern.
Die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags bis zu 40% der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens setzt kumulierend (gemäß § 7g Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des UntStRefG) voraus:
- Der Betrieb darf bestimmte Größenmerkmale nicht überschreiten (Nr. 1);
- der Steuerpflichtige beabsichtigt, das begünstigte Wirtschaftsgut voraussichtlich in den dem Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden drei Wirtschaftsjahren anzuschaffen oder herzustellen (Nr. 2 Buchst. a);
- das Wirtschaftsgut wird mindestens bis zum Ende des Wirtschaftsjahres, das dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgt, in einer inländi-schen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich (zu mindestens 90%) betrieblich genutzt (Nr. 2 Buchst. b);
- dem Finanzamt werden in den einzureichenden Unterlagen das begünstigte Wirtschaftsgut seiner Funktion nach benannt sowie die Höhe der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten angegeben (Nr. 3).
Zur Investitionsabsicht (gemäß § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG i.d.F. des UntStRefG) sind folgende Anhaltspunkte zu berücksichtigen:
- Die Investitionsabsicht hat sich auf den Gewinnermittlungsstichtag sowie den gesamten Investitionszeitraum zu beziehen.
- Für ihr Vorliegen trägt der Steuerpflichtige die Darlegungs- und Feststellungslast (Nachweis z.B. durch die Vorlage einer verbindlichen Bestellung).
- Entscheidend für das Vorliegen oder Fehlen einer Investitionsabsicht ist nicht der Zeitpunkt, zu dem der Investitionsabzugsbetrag geltend gemacht wird. Diese Rücklage kann auch erst nach Durchführung der Investition geltend gemacht werden.
- Der Investitionsabzugsbetrag muss nicht bereits bei erstmaliger Einreichung der Steuererklärung geltend gemacht werden. Er darf auch später zum Zweck der Änderung des Steuerbescheids gebildet werden (z.B. durch gegenläufige Bilanzänderung im Rahmen einer Bilanzberichtigung oder gar nach einer Betriebsprüfung zur Abwendung drohender Mehrergebnisse).
Die Möglichkeit, dass eine Investition einem ursprünglichen Plan entgegen nicht durchgeführt wird, besteht immer, gleich wie weit fortgeschritten die Planung ist. Es können unvorhergesehene Umstände eintreten, die die Durchführung des Plans objektiv unmöglich oder wirtschaftlich unpassend erscheinen lassen. Der Anreiz einer missbräuchlichen Steuergestaltung von Investitionsabzugsbeträgen ist ohnehin durch die gesetzliche Neuregelung in § 7g Abs. 3 EStG (sowohl i.d.F. des UntStRefG als auch ab 2016) nicht mehr gegeben. Danach muss der Investitionsabzug – bei ausgebliebener Investition – im Abzugsjahr rückgängig gemacht werden. Die Steuererleichterung des Abzugsjahres ist somit nur vorübergehend und verliert im Falle der Verzinsung nach § 7g Abs. 4 Satz 4 EStG (sowohl i.d.F. des UntStRefG als auch ab 2015) erst recht an Attraktivität. |
Im vorliegenden Streitfall hat der Gewerbetreibende das Fahrzeug, für dessen Anschaffung der Investitionsabzugsbetrag gebildet wurde, innerhalb des Investitionszeitraums angeschafft. Das beweist, dass er zuvor auch die Absicht hatte, dieses Fahrzeug anzuschaffen. Das Abstellen auf den Zeitpunkt, zu dem er diese Absicht gebildet hat, stellt keinen Beweis dar. Fraglich ist also in solchen Fällen nicht „ob“, sondern nur „wann“ erstmalig diese Absicht vorlag, so der BFH.
[Anm. d. Red.]