Entwurf eines BMF-Schreibens vom 22.11.2016, IV C 6 – S 2133/14/10001
Der BFH hat in mehreren Urteilen entschieden, dass die Erstbilanzierung von übernommenen Verbindlichkeiten zu deren Anschaffungskosten oder zum höheren Teilwert zu erfolgen hat. Darüber hinaus kann bei einem sog. Schuldbeitritt der bisherige Schuldner mangels Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme die Verpflichtung nicht länger bei sich passivieren.
Die BFH-Rechtsprechung weicht hier von der bisherigen Verwaltungspraxis (BMF-Schreiben vom 16.12.2005 und 24.6.2011) ab. Der nun vorliegende Entwurf des BMF Schreibens zielt darauf ab, Rechtsprechung und Verwaltungspraxis wieder in Einklang zu bringen.
Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten der Übertragung einer Verbindlichkeit:
- Schuldübernahme und
- Schuldbeitritt.
Schuldübernahme nach §§ 414 ff. BGB
Bei einer Schuldübernahme wird eine bestehende Schuld mittels Vertrag von einem Dritten übernommen. Dabei tritt der Dritte anstelle des bisherigen Schuldners. Verpflichtungen können einzeln, als Bündel (z.B. bei einer entgeltlichen Betriebsübertragung) oder per Gesetz (z.B. § 613a BGB) auf einen neuen Schuldner übergehen.
- Die Erstbilanzierung der übernommenen Verbindlichkeit erfolgt – in Wirtschaftsjahren, die nach dem 28.11.2013 enden – zu den Anschaffungskosten. Bei Wirtschaftsjahren, die vor dem 29.11.2013 enden, ist alternativ auch der Ansatz des höheren Teilwerts (entsprechend der oben genannten BFH-Rechtsprechung) zulässig.
- Für die Folgebilanzierung hat der übernehmende Schuldner allerdings die gleichen Bilanzierungsvorschriften zu beachten, die auch für den ursprünglich Verpflichteten am Bilanzstichtag gegolten hätten.
Wurde eine Schuld bereits mehrfach übertragen, so ist der ursprüngliche Verpflichtete derjenige, der die Schuld seinerzeit begründet hat. Bilanzsteuerliche Wahlrechte (z.B. Teilwert- oder Pauschalwertverfahren bei Jubiläumsrückstellungen; Wahl der biometrischen Rechnungsgrundlagen bei Pensionsverpflichtungen) können jedoch unabhängig von der Wahl des ursprünglich Verpflichteten in Anspruch genommen werden.
Ergibt sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten im Zeitpunkt der Schuldübernahme und dem niedrigeren Wertansatz zum Bilanzstichtag ein Gewinn, gilt Folgendes: Für einen solchen Gewinn kann in Höhe von 14/15 in eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden, die in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens 1/14 gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum). Für Schuldübernahmen vor dem 14.12.2011 kann eine 19/20-Rücklage für den Gewinnbetrag gebildet werden und über 19 Wirtschaftsjahre aufgelöst werden.
Beispiel: Der Unternehmer A pachtet seit dem 1.1.2003 ein Grundstück für 20 Jahre und errichtet dort eine Lagerhalle. Nach Ablauf des Pachtvertrags ist die Lagerhalle wieder abzureißen, wobei die voraussichtlichen Abrisskosten zum Bilanzstichtag 31.12.2012 rund 10.000 € betragen. Für die voraussichtlichen Abrisskosten wurde eine Rückstellung gebildet, welche nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG abzuzinsen ist. Der Abzinsungsfaktor bei einer Restlaufzeit von 10 Jahren beträgt 0,585. Somit ist zum 31.12.2012 eine Rückstellung in Höhe von 10.000 € x 10/20 x 0,585 = 2.925 € zu bilanzieren. Anfang 2013 übernimmt der Unternehmer B den Pachtvertrag nebst bestehender Lagerhalle. Der Kaufpreis für die Lagerhalle beträgt 50.000 €, wobei die übernommenen Abrissverpflichtungen mit dem Kaufpreis verrechnet werden. Somit ergibt sich für Unternehmer B folgender Buchungssatz für die Erstbilanzierung: | | Soll | Haben | | Betriebsanlage | 50.0000 € | | an | Bank | | 40.000 € | | Abrissverpflichtung | | 10.000 € |
Zum Bilanzstichtag gelten für B die gleichen Bilanzierungsregeln, die ursprünglich für A gegolten haben. Der Abzinsungsfaktor bei einer Restlaufzeit von 9 Jahren beträgt 0,618. Somit beläuft sich die Rückstellung zum 31.12.2013 auf 10.000 € x 11/20 x 0,618 = 3.399 €. Nunmehr ist ein Gewinn in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den Anschaffungskosten der Abrissverpflichtung (10.000 €) und dem Wertansatz in der ersten Folgebilanz (3.399 €) von 6.601 € entstanden. Dieser Gewinn kann nun zu 14/15 (6.161 €) in eine gewinnmindernde Rücklage eingestellt werden. |
Die Rücklage ist bei Wegfall der Verpflichtung aufzulösen. Wenn, wie im Beispiel, die Fristigkeit der Verbindlichkeit niedriger ist als der Auflösungszeitraum der Rücklage (9 Jahre Restlaufzeit versus 14 Jahre Auflösung der Rücklage), so kann die Rücklage auch mit einem höheren Betrag jährlich aufgelöst werden (z.B. 1/9 anstelle von 1/14).
Ein beim ursprünglich Verpflichteten entstehender Aufwand aus dem Übertragungsvorgang muss gleichmäßig auf das Jahr der Schuldübernahme und die folgenden 14 Wirtschaftsjahre verteilt und als Betriebsausgabe abgezogen werden.
Schuldbeitritt
Bei einem Schuldbeitritt bleibt die Verpflichtung zwischen Gläubiger und ursprünglichen Schuldner weiterhin bestehen. Der Übernehmer verpflichtet sich aber, den ursprünglichen Schuldner ganz oder teilweise von künftigen Leistungsverpflichtungen freizustellen. Für eine zu passivierende Freistellungsverpflichtung gelten die oben genannten Regelungen zur Schuldübernahme analog.
Beim Freistellungsberechtigten ist die bisher gebildete Rückstellung aufgrund der fehlenden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme gewinnerhöhend aufzulösen. Ist die Gegenleistung für den Schuldbeitritt höher als die bislang gebildete Rückstellung, so ist der daraus entstehende Aufwand gleichmäßig auf das Jahr des Schuldbeitritts und die folgenden 14 Wirtschaftsjahre verteilt als Betriebsausgabe abzuziehen.
Weitere Sonderfälle
Das BMF-Schreiben befasst sich auch mit einer Reihe von Sonderfällen wie einem aufzulösenden Passivposten, Übertragung von (Teil-)Mitunternehmeranteilen und der Übertragung bzw. dem Schuldbeitritt im Zusammenhang mit Pensionsverpflichtungen. Auch in diesen Sonderfällen gelten im Wesentlichen die oben genannten Regelungen.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit, Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 12/2016
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