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Berechnung von Hinterziehungszinsen auf Einkommensteuer-Vorauszahlungen

Christian Thurow

FG Münster, Urteil vom 20.4.2016, 7 K 2354/13 E (Revision zugelassen)

 

Gemäß § 235 Abs. 1 AO sind hinterzogene Steuern zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt mit Eintritt der Verkürzung. Doch wann genau tritt die Verkürzung ein – erst bei der Jahressteuererklärung oder schon bei den unterjährigen Steuervorauszahlungen? Mit dieser Frage hat sich das Finanzgericht (FG) Münster in seinem am 1.6.2016 veröffentlichten Urteil auseinandergesetzt.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger war als selbstständiger Zahnarzt tätig und zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Über mehrere Jahre hinweg hatten die Eheleute wesentliche Teile ihres Vermögens in die Schweiz gebracht und dort angelegt. Die erzielten Kapitaleinkünfte wurden nicht in den jeweiligen Jahres-Einkommensteuererklärungen erwähnt. Aufgrund seiner Einkünfte aus selbstständiger Arbeit hatte der Kläger Einkommensteuer-Vorauszahlungen zu leisten. Diese wurden im Streitzeitraum auf Antrag herabgesetzt.

Im Rahmen einer Selbstanzeige machte der Kläger die Steuerbehörden auf die bisher verschwiegenen Kapitalerträge aufmerksam. Unstreitig setzte das Finanzamt darauf die Steuernachzahlungen fest. Bei der Berechnung der Hinterziehungszinsen legte das Finanzamt einen Zinslauf zugrunde, welcher mit Fälligkeit der vierteljährlichen Vorauszahlungen beginnt und zum Zeitpunkt der Zahlung der nachträglich festgesetzten Steuerschuld endet.

Hiergegen erhob der Kläger (bzw. nach dessen Tod sein Gesamtrechtsnachfolger) Einspruch, da aus seiner Sicht die Steuerhinterziehung erst mit Einreichung der Jahressteuerklärung vollendet sei. Unterjährig habe er auch noch keine Kenntnis über die tatsächliche Höhe seiner Zinseinkünfte gehabt. Außerdem hätten die Vorauszahlungen auch nachträglich erhöht werden können, was zu geänderten Fälligkeitszeitpunkten geführt hätte.

Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, dass der objektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung bereits verwirklicht sei, wenn aufgrund unvollständiger oder unrichtiger Angaben die tatsächlich geschuldeten Einkommensteuer-Vorauszahlungen nicht in voller Höhe festgesetzt werden. Die Tatsache, dass der Kläger jahrelang hohe Kapitalerträge verschwiegen habe, bedingt, dass er auch die Vorauszahlungen hinterziehen wollte. Es gehöre zum Allgemeinwissen, dass Steuerpflichtige auf die zu erwartende Einkommensteuer Vorauszahlungen zu leisten haben. (Um es vorwegzunehmen: Aus Sicht des FG Münster gehören diese Kenntnisse nicht zum Allgemeinwissen steuerlicher Laien).

 

 

Lösung

Das FG Münster folgt in seinem Urteil der Auffassung der Finanzbehörde. Gemäß § 235 Abs. 1 AO sind hinterzogene Steuern zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt (nach § 235 Abs. 2 AO) mit Eintritt der Verkürzung und endet (gemäß § 235 Abs. 3 AO) mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Laut BFH-Rechtsprechung reicht es zur Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Steuerhinterziehung aus, wenn aufgrund unvollständiger oder unrichtiger Angaben die tatsächlich geschuldeten Einkommensteuer-Vorauszahlungen nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Die Höhe der Vorauszahlung bemisst sich (gemäß § 37 Abs. 3 Satz 2 EStG) nach der Steuerschuld der letzten Veranlagung. Somit wird die Steuerhinterziehung nicht erst mit Abgabe der unrichtigen Steuererklärungen für das laufende Jahr, sondern bereits mit Abgabe der Erklärungen für frühere Jahre begangen. Die Steuerverkürzung tritt in dem Moment ein, in welchem das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid erlässt, ohne die Vorauszahlungen für die Folgejahre anzupassen. In ausführlichen Berechnungen legt das FG Münster dar, wie sich die Höhe der verschwiegenen Kapitalerträge auf die festgesetzten Vorauszahlungen der Streitjahre ausgewirkt hätte.

Auch der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung ist erfüllt, da der Kläger die Kapitaleinkünfte jahrelang bewusst verschwiegen hat.

Eventuell mögliche Verschiebungen der Vorauszahlungszeitpunkte sind bei der Berechnung der Hinterziehungszinsen nicht zu berücksichtigen. Diese theoretischen Möglichkeiten mildern die tatsächlich begangene Handlung nicht ab. Oder in den Worten des FG Münster: „... weil für die Frage der Kausalität der Tathandlung für den Hinterziehungserfolg hypothetische Kausalverläufe außer Betracht bleiben.“

Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Zinsbescheide auch hinreichend bestimmt. Das Finanzamt hat für jedes Streitjahr einen getrennten Bescheid über die Hinterziehungszinsen erlassen. Eine getrennte Festsetzung von Hinterziehungszinsen auf Vorauszahlung und Jahressteuerschuld ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Die Revision gegen das Urteil ist zugelassen, da die Frage nach der Entstehung und Berechnung von Hinterziehungszinsen auf Einkommensteuer-Vorauszahlungen höchstrichterlich bislang nicht geklärt ist.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 7/2016

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