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Veräußerungsgewinn aus Beteiligungsverkauf im Falle eines Aktientauschs

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Urteil vom 13.10.2015, IX R 43/14

 

Für Bewertungsfragen im Rahmen einer Anteilsveräußerung kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erfüllung der Gegenleistungspflicht an, wenn diese von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns abweichen. Eine Veränderung der wertbestimmenden Umstände im Erfüllungszeitpunkt wirkt materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns zurück.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Im Rahmen eines Beteiligungsverkaufs im Wege des Aktientauschs war streitig, ob für die Bewertung der als Gegenleistung erhaltenen Aktien vom Börsenkurs

– zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (28.2.2002) oder

– zum Zeitpunkt der Gutschrift der neuen Aktien (13.12.2002)

auszugehen ist. Im konkreten Fall war dies sehr bedeutsam, weil der Börsenkurs am 28.2. noch bei 18,69 € gelegen hatte und dann auf 2,20 € am 13.12. gefallen war. Während der Verkäufer der Beteiligung (Kläger) vom niedrigeren Wert am 13.12. ausgegangen war, hatte die Finanzverwaltung den Veräußerungspreis unter Ansatz des höheren Werts vom 28.2. angesetzt.

Dem folgte das Finanzgericht Münster (FG) in seiner Entscheidung vom 2.10.2014 (Az.: 1 K 1611/11 E), da der Veräußerungsgewinn am 28.2. entstanden sei. Auf den Zeitpunkt der Erfüllung der Gegenleistung, also den 13.12., komme es demnach nicht an; die Rechtsprechung zur Berücksichtigung nachträglicher Änderungen sei bei gestundeter Kaufpreisforderung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Dies setze eine Leistungsstörung voraus. Hier sei der Vertrag aber wie vereinbart erfüllt worden.

 

 

Lösung

Der BFH hielt die FG-Auffassung für rechtsfehlerhaft. Zwar habe das FG zu Recht angenommen, dass der Gewinn aus der Veräußerung am 28.2.2002 entstanden ist. Denn grundsätzlich sei der Veräußerungsgewinn nicht nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG, sondern nach einer Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlusts zu ermitteln.

Maßgebender Zeitpunkt der Gewinn- oder Verlustrealisierung ist nach ständiger BFH-Rechtsprechung derjenige, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögens­vergleich (gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG) nach handelsrechtlichen GoB der Gewinn oder Verlust realisiert wäre. Bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften kommt es darauf an, wann der Erwerber zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den übertragenen Anteilen erlangt hat, was im Streitfall am 28.2.2002 der Fall war: In diesem Zeitpunkt entsteht der Veräußerungsgewinn, unabhängig davon, ob die Gegenleistung sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann sie dem Veräußerer tatsächlich zufließt.

Allerdings kann es für die Bewertung der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung (Veräußerungspreis) auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erfüllung ankommen, wenn diese von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns abweichen. Die Veränderung der wertbestimmenden Umstände im Erfüllungszeitpunkt wirkt dann materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurück.

Dazu beruft sich der BFH in seiner Begründung zunächst auf die Rechtsprechung des Großen Senats zu § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG, wonach es nur auf den tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinn ankommt (BFH-Beschluss vom 19.7.1993, GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897, ergangen zu einem Forderungsausfall). Dies erfordere es, später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis so lange auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, wie der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat.

Ob diese Grundsätze auch für die Bewertung von Sachgütern, also für die Berücksichtigung nachträglicher Veränderungen bei den wertbildenden Umständen gelten, wurde bisher uneinheitlich beurteilt. Nach einer Darstellung des Meinungsbilds in Rechtsprechung und Schrifttum betont der BFH: Der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH (BStBl. II 1993, 897) lasse sich nicht entnehmen, dass sie nur für Fälle zivilrechtlicher Leistungsstörungen gelten soll oder dass sich die veränderten Umstände auf den Bestand oder die Durchsetzbarkeit der Forderung ausgewirkt haben müssen. Er habe sich vielmehr für seine Auffassung, wonach auf den tatsächlich erzielten Erlös abzustellen sei, auch auf den Willen des historischen Gesetzgebers, den Zusammenhang der Vorschrift mit den Regelungen in § 16 Abs. 4 EStG und den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bezogen. Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, auch Wertveränderungen zwischen der Begründung der Forderung auf die Gegenleistung und ihrer Erfüllung bei der Ermittlung des Veräußerungspreises zu berücksichtigen. Vor allem die punktuelle Erfassung des Veräußerungsgewinns und seine Abgrenzung vom laufenden Gewinn gebiete es, im Interesse einer sachgerechten, an der individuellen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerung auf den tatsächlich erzielten Erlös abzustellen. Das schließe die Bewertung einer Sachleistung am Tag des Gefahrenübergangs (Erfüllung) ein; denn vorher habe der Veräußerer tatsächlich nichts erhalten.

 

 

Praxishinweise:

  • Letztendlich war also der Wert von 2,20 € der maßgebende. Zwar war es hierbei nicht zu einer vertraglichen Leistungsstörung gekommen, da die Vertragsparteien insoweit auf eine Anpassung der Gegenleistung verzichtet und dem Kläger einseitig das Kursrisiko zugewiesen hatten. Das ändert aus nun festgeschriebener BFH-Sicht jedoch nichts daran, dass der Kläger aus dem Vertrag letztlich weniger erhalten hat, als er bei Abschluss des Vertrags annehmen durfte. Aus Sicht des Klägers unterscheidet sich das Ergebnis nicht wesentlich von dem, dass ein Teil der Kaufpreisforderung endgültig ausfällt oder eine vereinbarte Teilleistung dauerhaft nicht erbracht wird. Lediglich der Grund für die Einbuße ist ein anderer. Darauf sollte es aber nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH gerade nicht ankommen.
  • Weiterhin betonen die Münchner Richter, in dem gefundenen Ergebnis liege keine unzulässige Durchbrechung des Grundsatzes, wonach es für die Bewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns ankommt. Nach der Rechtsprechung des Großen Senats gelte das Realisationsprinzip bei der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns uneingeschränkt nur für den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns. Für die Höhe des tatsächlich erzielten Erlöses komme es dagegen auf den Zeitpunkt der Erfüllung (Zufluss) an. Dies bedeutet: § 16 Abs. 2 EStG (und § 17 Abs. 2 EStG) gehen insofern als speziellere Vorschriften dem Realisationsgrundsatz vor.
  • Der BFH setzt aber auch Grenzen der nachträglichen Rückbeziehung: Verändert sich der Wert der Gegenleistung nach vollständiger Erfüllung der Gegenleistungspflicht, beeinflusst dies die Höhe des Veräußerungspreises nicht mehr. Vereinbarungen, durch welche eine bereits erfüllte Gegenleistung noch einmal geändert wird, wirken nach der Rechtsprechung nur dann auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns zurück, wenn der Rechtsgrund für die spätere Änderung im ursprünglichen Rechtsgeschäft bereits angelegt war.

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

 

BC 2/2016

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