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Arbeitstägliche Fahrten mit einem Firmenwagen vom Betriebssitz des Arbeitgebers zum Kunden: Regelmäßige Arbeitsstätte?

Christian Thurow

FG Münster, Urteil vom 17.2.2016, 11 K 3235/14 E (Revision zugelassen)>

 

Außendienstmonteure, ambulante Krankenpfleger und ähnliche Berufsgruppen nutzen häufig einen speziellen Firmenwagen, um ihre wechselnden Einsatzorte aufzusuchen. Der Firmenwagen wird dabei morgens beim Betrieb des Arbeitgebers abgeholt und abends wieder abgegeben. Wird hierdurch eine regelmäßige Arbeitsstätte am Betriebssitz begründet?

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Ein Außendienstmonteur fuhr arbeitstäglich mit seinem Privat-Pkw zum Betrieb des Arbeitgebers. Dort bekam er mehrere Baustellen zugewiesen und fuhr diese mit einem Firmenwagen an. Den Firmenwagen gab er abends wieder beim Betrieb des Arbeitgebers ab. Unstreitig hielt sich der Monteur sowohl morgens als auch abends nur jeweils ca. 15 bis 20 Minuten auf dem Betriebsgelände des Arbeitgebers auf. Aus Sicht des Monteurs lag somit keine regelmäßige Betriebsstätte beim Sitz des Arbeitgebers vor (weniger als 20% der täglichen Arbeitszeit dort verbracht). Daher setzte er die gesamten Kilometer (Hin- und Rückfahrt) für die Fahrten mit dem Privat-Pkw zum Betriebssitz des Arbeitgebers als Werbungskosten an.

Das Finanzamt erkannte dies nicht an und veranlagte lediglich die Werbungskostenpauschale von 0,30 € je Kilometer einfache Strecke (sog. Entfernungskilometer).

 

 

Lösung

In seinem Urteil erörtert das Finanzgericht (FG) Münster zwar die qualitativen Aspekte, die zur Begründung einer regelmäßigen Arbeitsstätte führen, lässt aber im konkreten Sachverhalt offen, ob der Monteur am Betriebssitz eine regelmäßige Arbeitsstätte hat. Die Kilometerpauschale wird in der Rechtsprechung vor allem dadurch begründet, dass ein Arbeitnehmer sich auf den immer gleichen Weg einstellen kann und so eine Minderung der Wegekosten – z.B. durch Bildung von Fahrgemeinschaften, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder die Wahl des Wohnorts – herbeiführen kann.

Da der Außendienstmonteur im Ausgangsfall regelmäßig den Betrieb des Arbeitgebers aufsucht, hat er ebenfalls die Möglichkeit einer Optimierung seiner Wegekosten. Wenn in dieser Situation lediglich auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen wäre, würde dies zu einer sachlichen Ungleichbehandlung von bürotätigen Arbeitskollegen führen. Zur Vermeidung dieser Ungleichbehandlung hat das Finanzamt zu Recht lediglich Fahrtkosten in Höhe der Kilometerpauschale zum Abzug zugelassen.

Die Revision ist zur höchstrichterlichen Klärung zugelassen.

 

 

Praxishinweise:

  • Der Streitfall bezieht sich auf die Rechtslage vor dem 1.1.2014. Bis zum 31.12.2013 war die „regelmäßige Arbeitsstätte” der maßgebende Begriff des lohnsteuerlichen Reisekostenrechts. Eine zu Reisekosten führende beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit konnte nämlich nur dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend außerhalb seiner Wohnung und nicht an seiner regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig wurde. Für die Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte kam es darauf an, wo der Arbeitnehmer seine geschuldete Arbeitsleistung schwerpunktmäßig zu erbringen hatte.
  • Zentraler Punkt der zum 1.1.2014 in Kraft getretenen Neuregelungen ist die gesetzliche Definition der ersten Tätigkeitsstätte, die an die Stelle der regelmäßigen Arbeitsstätte tritt. Folglich liegt nunmehr eine zu Reisekosten führende beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und nicht an seiner ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig wird. Für die Höhe des steuerfreien Reisekostenersatzes ist es von entscheidender Bedeutung, ob der Arbeitnehmer eine erste Tätigkeitsstätte hat oder nicht. Der Arbeitnehmer kann je Dienstverhältnis höchstens eine erste Tätigkeitsstätte, gegebenenfalls aber auch keine erste Tätigkeitsstätte haben; im letzteren Fall wird er außerhalb seiner Wohnung stets im Rahmen einer Auswärtstätigkeit tätig.
    Tätigkeitsstätte ist eine ortsfeste betriebliche Einrichtung beim Arbeitgeber oder einem Dritten; Fahrzeuge, Flugzeuge, Schiffe können daher keine Tätigkeitsstätten sein. Eine erste Tätigkeitsstätte kann aber auch vorliegen, wenn sich auf einem Betriebs- oder Werksgelände mehrere ortsfeste betriebliche Einrichtungen befinden.

Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte erfolgt vorrangig anhand der dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen durch den Arbeitgeber. Sind solche nicht vorhanden oder sind die getroffenen Festlegungen nicht eindeutig, werden hilfsweise zeitliche (quantitative) Kriterien herangezogen (vgl. § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG).

Allein ein regelmäßiges Aufsuchen der betrieblichen Einrichtung, z.B. für kurze Rüstzeiten, zur Berichtsfertigung, zur Vorbereitung der Zustellroute, zur Wartung und Pflege des Fahrzeugs, zur Abholung oder Abgabe von Kundendienstfahrzeugen, Material, Auftragsbestätigungen, Stundenzetteln, Krankmeldungen und Urlaubstagen, führt bei Anwendung der zeitlichen Kriterien noch nicht zu einer Qualifizierung der betrieblichen Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte. Dies gilt auch bei einem Kraftfahrer für die Abholung des Lkws einschließlich der Be- und Entladung des Fahrzeugs.

Insofern würde es nach dem neuen lohnsteuerlichen Reisekostenrecht im vorliegenden Streitfall an einer Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer bestimmten Tätigkeitsstätte unter folgenden Voraussetzungen fehlen:

  1. Der Arbeitgeber hat keine dauerhafte Zuordnung des Arbeitnehmers zum Betriebssitz des Arbeitgebers durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung getroffen.
  2. Der Arbeitgeber hat auch keine Baustelle als erste Tätigkeitsstätte bestimmt. Dabei müsste es sich nicht um die Tätigkeitsstätte handeln, an der der Arbeitnehmer den zeitlich überwiegenden Teil seiner beruflichen Tätigkeit verrichtet.

Unter diesen Voraussetzungen würde der Außendienstmonteur keine erste Tätigkeitsstätte haben; er würde außerhalb seiner Wohnung somit stets im Rahmen einer Auswärtstätigkeit tätig werden.

Würde der Arbeitgeber den Arbeitnehmer hingegen dauerhaft einer bestimmten Baustelle als erster Tätigkeitsstätte zuordnen wollen, müsste eine „ortsfeste” betriebliche Einrichtung vorhanden sein. Dies kann auch ein Baucontainer sein, der auf einer Baustelle längerfristig (nicht gleichzusetzen mit dauerhaft!) fest mit dem Erdreich verbunden ist und in dem sich z.B. Baubüros, Aufenthaltsräume oder Sanitäreinrichtungen befinden. Mobile Baucontainer, die ohne große Umstände jederzeit fortbewegt werden können, sind hingegen keine „ortsfesten” betrieblichen Einrichtungen (siehe ausführlich Plenker, BC 2014, 374 ff., Heft 9).

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 5/2016

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