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Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit nach Eröffnung der Insolvenz

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 9.12.2014, X R 12/12; Hinweis: nachträgliche Veröffentlichung am 17.8.2016

 

Mehrere (höchst)richterliche Urteile beschäftigten sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen Umsatzsteuerverbindlichkeiten zu den Insolvenzverbindlichkeiten zählen. Fraglich war, ob die hier entwickelten Grundsätze auch auf den Bereich der Einkommensteuer übertragbar sind. Der BFH hat nun mit einem Urteil für Klarheit gesorgt.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Ein Insolvenzschuldner betrieb eine Bäckerei mit drei Ladenlokalen als Einzelunternehmen. Bei der letzten eingereichten Einkommensteuererklärung wurde der Gewinn nach der Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR) ermittelt.

  • Am 3. Februar wurden die Einrichtungsgegenstände aller drei Ladenlokale sowie der Warenbestand und weitere Gegenstände des Anlagevermögens durch eine Treuhandgesellschaft verkauft.
  • Am 8. Februar wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bäckers eröffnet.
  • Am 11. Februar erfolgte die Gewerbeabmeldung.

Die Erlöse aus dem am 3. Februar getätigten Verkauf der Einrichtungsgegenstände flossen erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu. Streitig ist, ob die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer eine Masseverbindlichkeit oder eine Insolvenzforderung darstellt.

Finanzamt und erstinstanzliches Finanzgericht gehen davon aus, dass aufgrund der Gewinnermittlung mittels Einnahmen-Überschussrechnung der Gewinn erst im Zeitpunkt des Zuflusses – und somit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens – realisiert wurde. Folglich gehört die hieraus resultierende Einkommensteuer zu den vorrangig zu bedienenden (sonstigen) Masseverbindlichkeiten.

 

 

Lösung

Der BFH pflichtet dem erstinstanzlichen Finanzgericht bei. Danach ist für die Einordnung der Einkommensteuerschuld vor allem auf den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung abzustellen. Allerdings ist im Ausgangsfall der Gewinn nicht nach der Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG), sondern durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG) zu ermitteln.

Ob eine sonstige Masseverbindlichkeit oder eine Insolvenzforderung vorliegt, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Diese ist erfüllt, wenn der gesetzliche Besteuerungstatbestand verwirklicht wird. Bei der Einkommensteuer ist dabei auch die Art der Gewinnermittlung entscheidend, da bei der Einnahmen-Überschussrechnung das Zuflussprinzip, bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich aber das Realisationsprinzip zum Tragen kommt.

 

 

  • Masseverbindlichkeiten sind die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO).
  • Insolvenzforderungen sind solche Forderungen, die bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren (vgl. § 38 InsO).

 

     

Der Bäcker hat in seiner letzten eingereichten Einkommensteuererklärung den Gewinn mittels Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt. Die Entscheidung für eine Gewinnermittlungsmethode stellt eine „Grundentscheidung“ dar, die „nicht einer jährlichen Wiederholung bedarf“. Sie gilt so lange fort, bis entweder der Steuerpflichtige eine andere Gewinnermittlungsmethode wählt oder bis er vom Finanzamt zu einem Wechsel der Gewinnermittlungsmethode aufgefordert wird.

Gemäß bisheriger Rechtsprechung beginnt eine Betriebsaufgabe mit der ersten vom Aufgabeentschluss getragenen Handlung, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs gerichtet ist (wie z.B. Einstellung der produktiven Tätigkeit oder Veräußerung bestimmter, für die Fortführung des Betriebs unerlässlicher Wirtschaftsgüter). Der Abgabe einer Aufgabeerklärung bedarf es nicht. Mit der Veräußerung der Einrichtungsgegenstände und des Warenbestands am 3. Februar hat der Bäcker eine solche Betriebsaufgabe eingeleitet. Der Aufgabegewinn ist zwingend nach dem Realisationsprinzip zu ermitteln (Übertragung des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber). Es erfolgt ein Übergang von der EÜR zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich. Auf den Zeitpunkt des Zuflusses des Kaufpreises kommt es somit nicht an.

Da das erstinstanzliche Finanzgericht nicht ausreichend geprüft hat, ob die Forderung vollständig am 3. Februar begründet wurde – die Forderung war mit einem Eigentumsvorbehalt und an weitere Zustimmungen gekoppelt –, kann der BFH nicht abschließend entscheiden, wann der Gewinnrealisierungszeitpunkt der Forderung stattgefunden hat. Die Sache wird damit zur weiteren Klärung des Sachverhalts an das Finanzgericht zurückverwiesen.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit, Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

BC 9/2016

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