FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.5.2017, 1 K 3691/15 (Revision zugelassen)
Der Abzug bestehender Verlustvorträge vom laufenden Gewerbeertrag ist gemäß § 10a GewStG Beschränkungen unterworfen. Fraglich ist, wie sich ein unterjähriger Gesellschafterwechsel auf diese Beschränkungen auswirkt. Hierzu hat das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg nun in einem Urteil Stellung genommen.
Praxis-Info!
Problemstellung
Bei einer KG kam es Ende Oktober zu einem unterjährigen Gesellschafterwechsel. Bis zum Zeitpunkt des Wechsels erwirtschaftete die KG einen Gewerbeertrag in Höhe von rund 75 Mio. €. In den zwei Monaten nach dem Gesellschafterwechsel fiel ein Verlust in Höhe von rund 8 Mio. € an. Es bestanden gewerbesteuerliche Verlustvorträge in Höhe von rund 50 Mio. €. Aus Sicht der KG war die Berechnung der Gewerbesteuer getrennt für die beiden Zeiträume bis zu und nach dem Gesellschafterwechsel vorzunehmen.
Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, der Gewerbeertrag der Mitunternehmerschaft sei für den gesamten Erhebungszeitraum einheitlich zu ermitteln. Daher sind aus Sicht des Finanzamts die nach dem Gesellschafterwechsel entstandenen Verluste mit den vor dem Gesellschafterwechsel entstandenen Gewinnen zu verrechnen.
Die Frage ist deswegen von Bedeutung, da nach § 10a Satz 2 GewStG bestehende Verlustvorträge in Höhe von 60% des maßgebenden Gewerbeertrags abgezogen werden können. Somit ist hier strittig, ob vortragsfähige Verluste
– in Höhe von 45 Mio. € (60% von 75 Mio. € Gewerbeertrag bis zum Gesellschafterwechsel) oder
– in Höhe von 40 Mio. € (60% vom 67 Mio. € Gewerbeertrag insgesamt)
genutzt werden können. Strittig ist auch, ob die sog. Vorwegmillion im Sinne des § 10a Satz 1 GewStG in voller Höhe oder nur zeitanteilig abzuziehen ist.
Lösung
Das FG Baden-Württemberg folgt der Auffassung des Finanzamts. Gemäß § 14 Satz 1 GewStG wird der Steuermessbetrag für das Kalenderjahr (Erhebungszeitraum) nach dessen Ablauf festgesetzt. Ein Gesellschafterwechsel hat auf die Steuerpflicht der Mitunternehmerschaft keine Auswirkungen. Somit beträgt der Gewerbeertrag im Ausgangsfall 67 Mio. € (75 Mio. € ./. 8 Mio. €).
Für die gewerbesteuerliche Verlustverrechnung wird der maßgebende Gewerbeertrag zunächst um einen bestehenden Verlustvortrag bis zu einem Betrag in Höhe von 1 Mio. € (Vorwegmillion) gekürzt. Der danach verbleibende Gewerbeertrag wird dann um bis zu 60% der nicht berücksichtigten Fehlbeträge gekürzt.
Die Vorwegmillion ist gemäß § 10a Satz 5 GewStG den Mitunternehmern entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen. Im Ausgangsfall sind somit
– 10/12 der Vorwegmillion (für die Monate bis zum Gesellschafterwechsel) den Altgesellschaftern und
– 2/12 dem Neugesellschafter
zuzurechnen. Da die Verlustvorträge nicht auf den Neugesellschafter übergehen und kein gewerbesteuerlicher Verlust auf den Neugesellschafter entfällt, ist dessen 2/12-Anteil an der Vorwegmillion nicht bei der Gewerbesteuerermittlung zu berücksichtigen. Somit wird der Gewerbeertrag nur um 833.334 € (10/12 von 1 Mio. €) gekürzt. Anschließend erfolgt der Abzug von 60% der nicht genutzten Verlustvorträge. Demnach ergibt sich aus Sicht des FG Baden-Württemberg folgende Berechnung:
Maßgebender Gewerbeertrag | 67,0 Mio. € |
./.anteilige Vorwegmillion nach § 10a Satz 1 GewStG | 0,8 Mio. € |
./. 60% aus 66,2 Mio. € | 40,0 Mio. € |
= Zwischensumme | 27,0 Mio. € |
→ Gewerbesteuermessbetrag (3,5% der Zwischensumme) | 0,9 Mio. € |
Es bestanden gewerbesteuerliche Verlustvorträge in Höhe von 50 Mio. €. Hiervon wurden die anteilige Vorwegmillion (0,8 Mio. €) und der 60%-Abzug (40 Mio. €) genutzt. Der verbleibende Verlustvortrag in Höhe von 9,2 Mio. € (50 Mio. € ./. 40,8 Mio. €) geht aufgrund des Gesellschafterwechsels unter.
Das FG Baden-Württemberg hat das Urteil zur Revision zugelassen.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit, Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 8/2017
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