BFH-Urteil vom 5.4.2017, X R 30/15
Aus Sicht der bisherigen Finanzgerichtsrechtsprechung konnte für Zusatzbeiträge zur Handwerkskammer eine Rückstellung gebildet werden, da sich die Berechnung der Beiträge auf den Gewerbeertrag der Vorjahre stützt. Der BFH hat die bisherige Praxis nun unter die Lupe genommen und kommt zu einer abweichenden Feststellung.
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Problemstellung
Alle in einer Handwerkskammer eingetragenen Betriebe müssen einen jährlichen Beitrag an die Kammer zahlen, welcher sich zusammensetzt aus
- einem fixen Grundbeitrag und
- einem einkommensbasierten Zusatzbeitrag.
Für die Berechnung des Zusatzbeitrags wird der Gewerbeertrag im Bemessungsjahr zugrunde gelegt, wobei das Bemessungsjahr von der Vollversammlung der Kammer festgelegt wird. In der Regel handelt es sich dabei um ein bis zu drei Jahre zurückliegendes Jahr. Sichergestellt werden soll damit, dass für alle Betriebe der Gewerbeertrag vom Finanzamt festgestellt wurde.
Im Ausgangsfall wurde seit Jahren ein Zusatzbeitrag in Höhe von 1,5% des Gewerbeertrags des Bemessungsjahres erhoben, wobei als Bemessungsjahr jeweils das drei Jahre vor dem Beitragsjahr liegende Steuerjahr bestimmt wurde. Da sich der Zusatzbeitrag somit auf ein bereits abgeschlossenes Geschäftsjahr bezog und der Eintritt der Zahlung hinreichend wahrscheinlich war, bildete der Steuerpflichtige zum 31.12.2009 eine Rückstellung für Zusatzbeiträge für die Jahre 2010, 2011 und 2012, deren Berechnung sich auf den jeweiligen Gewerbeertrag der bis zum Bilanzstichtag abgeschlossenen Geschäftsjahre 2007, 2008 und 2009 bezog.
Das Finanzamt erkannte die Rückstellung nicht an; das erstinstanzliche Finanzgericht ließ sie jedoch zu. Mit seiner Revision begehrt das Finanzamt die Aufhebung des Urteils.
Lösung
Der BFH folgt der Auffassung des Finanzamts und verwirft das erstinstanzliche Finanzgerichtsurteil.
Zunächst rekapituliert der BFH die handelsrechtlichen Regelungen zur Bildung einer Rückstellung. Danach kann eine Rückstellung auch dann gebildet werden, wenn die der Rückstellung zugrunde liegende Verpflichtung am Bilanzstichtag nicht nur der Höhe nach ungewiss, sondern auch dem Grunde nach noch nicht rechtlich entstanden ist. Voraussetzung hierfür ist: Die Verpflichtung ist wirtschaftlich in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren verursacht worden.
Dies ist bei den Zusatzbeiträgen zur Handwerkskammer nicht der Fall. Zwar war die Beitragsfestsetzung zum Bilanzstichtag bereits beschlossen, doch lag zum Bilanzstichtag noch keine Beitragspflicht für die künftigen Jahre vor. Die Beitragspflicht ist unmittelbar und zwingend an die Kammerzugehörigkeit im Beitragsjahr geknüpft. Somit kann eine entsprechende Verpflichtung rechtlich nicht vor dem Zeitraum entstehen, auf den sich die Beitragspflicht bezieht.
Die Verpflichtung muss nicht nur an Vergangenes anknüpfen, sondern auch Vergangenes abgelten. |
Das wäre dann der Fall, wenn die Verpflichtung auch bei Betriebsaufgabe zum Ende des Bilanzzeitraums zu erfüllen wäre. Dies ist bei den Zusatzbeiträgen zur Handwerkskammer nicht der Fall. Die Verpflichtung ist somit wirtschaftlich nicht bis zum Bilanzstichtag entstanden. Vielmehr entsteht sie gerade erst aus der Kammerzugehörigkeit im Folgejahr. Daher ist zu einem bestimmten Bilanzstichtag die rechtliche Entstehung der Beitragspflicht für künftige Jahre
nicht denkbar und die Bildung einer Rückstellung somit nicht zulässig.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 7/2017
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