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Verpflichtungsübernahmen, Schuldbeitritten und Erfüllungsübernahmen mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung: Bilanzsteuerrechtliche Berücksichtigung

Christian Thurow

BMF-Schreiben vom 30.11.2017, IV C 6 – S 2133/14/10001

   

Der BFH ist in einer Reihe von Urteilen zu Verpflichtungsübernahmen und Schuldbeitritten von den Regelungen in den BMF-Schreiben vom 16.12.2005 (BStBl. I 2005, 1052) und 24.6.2011 (BStBl. I 2011, 627) abgewichen. Das Bundesfinanzministerium hat daher nunmehr ein neues, umfangreiches Schreiben zu dem Thema veröffentlicht.

 


 

 

Praxis-Info!

 

Schuldübernahme

Bei einer Schuldübernahme (nach §§ 414 ff. BGB) tritt ein Dritter an die Stelle des bisherigen Schuldners. Für die bilanzielle Behandlung der Schuldübernahme beim Verpflichtungsübernehmer kommt es auf den Zeitpunkt der Übernahme an.

 

 

 

Abb.: Bilanzielle Behandlung der Schuldübernahme beim Verpflichtungsübernehmer

 

 

Hinweise:

  • Auf Antrag können die Neuregelungen des § 5 Abs. 7 EStG bereits für vor dem 29.11.2013 endende Wirtschaftsjahre angewendet werden.
  • Bei Mehrfachübertragung einer Schuld ist der ursprünglich Verpflichtete im Sinne des § 5 Abs. 7 EStG der Begründer der Schuld.
  • Bilanzsteuerliche Wahlrechte (z.B. Teilwert- oder Pauschalwertverfahren bei Jubiläumsrückstellungen; Wahl der biometrischen Rechnungsgrundlagen bei Pensionsverpflichtungen) können unabhängig von der Wahl des Rechtsvorgängers in Anspruch genommen werden.
  • Für den Unterschiedsbetrag zwischen den „Anschaffungskosten“ zum Zeitpunkt der Übernahme der Verpflichtung und dem in der folgenden Schlussbilanz nach § 5 Abs. 7 EStG anzusetzenden niedrigeren Wert kann eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden.
  •  
    • Bei einer Schuldübernahme vor dem 14.12.2011 können 19/20 des Gewinns als Rücklage für 20 Jahre passiviert werden; diese ist (beginnend im Jahr der Übernahme) in den folgenden 19 Wirtschaftsjahren aufzulösen (Auflösungszeitraum).
    • Bei nach dem 13.12.2011 übernommenen Schulden kann eine gewinnmindernde Rücklage in Höhe von 14/15 gebildet werden; diese ist in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren aufzulösen.

 


 

Beispiel:

Unternehmer A pachtet seit dem 1.1.2003 ein Grundstück für 20 Jahre und errichtet dort eine Lagerhalle. Nach Ablauf des Pachtvertrags am 31.12.2022 ist die Lagerhalle wieder abzureißen, wobei die voraussichtlichen Abrisskosten zum Bilanzstichtag 31.12.2012 rund 10.000 € betragen. Für die voraussichtlichen Abrisskosten wurde eine Rückstellung gebildet, welche nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 1 EStG abzuzinsen ist. Der Abzinsungsfaktor bei einer Restlaufzeit von 10 Jahren beträgt 0,585. Somit ist zum 31.12.2012 eine Rückstellung in Höhe von 10.000 € x 10/20 x 0,585 = 2.925 € zu bilanzieren.

Anfang 2013 übernimmt der Unternehmer B den Pachtvertrag nebst bestehender Lagerhalle. Der Kaufpreis für die Lagerhalle beträgt 50.000 €, wobei die übernommenen Abrissverpflichtungen in Höhe von 10.000 € mit dem Kaufpreis verrechnet werden. Somit ergibt sich für Unternehmer B folgender Buchungssatz für die Erstbilanzierung:

 

 

 

Soll

Haben

 

Betriebsanlage

50.0000 €

 

an

Bank

 

40.000 €

 

Abrissverpflichtung

 

10.000 €

 

Zum Bilanzstichtag gelten für B dieselben Bilanzierungsregeln, die ursprünglich für A gegolten haben. Der Abzinsungsfaktor bei einer Restlaufzeit von 9 Jahren beträgt 0,618. Somit beläuft sich die Rückstellung zum 31.12.2013 auf 10.000 € x 11/20 x 0,618 = 3.399 €. Nunmehr ist ein Gewinn in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den Anschaffungskosten der Abrissverpflichtung (10.000 €) und dem Wertansatz in der ersten Folgebilanz (3.399 €) von 6.601 € entstanden. Dieser Gewinn kann nun zu 14/15 (6.161 €) in eine gewinnmindernde Rücklage eingestellt werden.

 

 

Beim ursprünglichen Verpflichteten richtet sich die Bilanzierung nach den Vorschriften des § 4f EStG. Bei einer nach dem 28.11.2013 erfolgten Schuldübertragung ist ein daraus resultierender Aufwand gleichmäßig auf das Jahr der Schuldübernahme und die folgenden 14 Wirtschaftsjahre aufzuteilen. Sind infolge der Übertragung einer Verpflichtung in der Steuerbilanz des Vorjahres ausgewiesene Passivposten (z.B. Rückstellungen) gewinnerhöhend aufzulösen, so ist der sich aus dem Übertragungsvorgang ergebende Aufwand im Wirtschaftsjahr der Übertragung in Höhe der aufgelösten Passivposten als Betriebsausgabe abzugsfähig. Der übersteigende Aufwand ist wiederum auf das Jahr der Schuldübernahme und die folgenden 14 Wirtschaftsjahre gleichmäßig zu verteilen.

 

 

Schuldbeitritt und Erfüllungsübernahme

Bei einem Schuldbeitritt bzw. einer Erfüllungsübernahme verpflichtet sich der Übernehmer, den bisherigen Verpflichteten ganz oder teilweise von den künftigen Leistungspflichten freizustellen. Das bisherige Vertragsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Freistellungsberechtigten besteht aber unverändert fort. Für den Übernehmer bzw. Beitretenden gelten bilanziell dieselben Regelungen wie bei der Schuldübernahme.

Beim Freistellungsberechtigten ist eine bislang passivierte Rückstellung aufgrund der fehlenden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme gewinnerhöhend aufzulösen. Ein Freistellungsanspruch gegenüber dem Beitretenden ist in der Steuerbilanz nicht auszuweisen.

Bei der Bewertung übernommener Pensionsverpflichtungen nach § 6a EStG können bilanzsteuerrechtliche Wahlrechte, wie z.B. das Pensionsalter, nach EStR 6a Abs. 11 unabhängig von der Entscheidung des Rechtsvorgängers in Anspruch genommen werden. Das sog. Nachholverbot in der Fassung des § 6a Abs. 4 EStG für bei einem Rechtsvorgänger entstandene Fehlbeträge gilt nicht in der ersten Schlussbilanz nach der Übernahme.

Das neue BMF-Schreiben ist auf alle noch offenen Fälle anwendbar.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 1/2018

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