FG Münster, Urteil vom 28.6.2017, 6 K 2446/15 L (Revision zugelassen)
Verschiedene Arbeitgeberzuschüsse sind steuerfrei oder können pauschal mit 15% bzw. 25% besteuert werden, wenn es sich dabei um „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers“ handelt. Fraglich ist, ob eine Steuerbegünstigung auch dann vorliegt, wenn die Zuschüsse bei einem gleichzeitigen Gehaltsverzicht (Gehaltsumwandlung) gewährt werden.
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Problemstellung
Ein Unternehmen beauftragte einen Steuerberater mit einem Gutachten zur Nettolohnoptimierung. Auf Basis des Gutachtens traf das Unternehmen mit seinen außertariflichen Arbeitnehmern eine „Ergänzende Vereinbarung zum Einstellungsvertrag“, in welcher den Arbeitnehmern unter Ausschluss des Freiwilligkeitsvorbehalts u.a. Zuschüsse zu Internet-, Fahrt- und Kinderbetreuungskosten zugesagt wurden. Im Gegenzug sah die Vereinbarung einen bestimmten Barlohnverzicht seitens der betroffenen Arbeitnehmer vor.
Das Finanzamt wertete die Kombination aus Barlohnverzicht und gleichzeitiger Gewährung von Zuschüssen als eine Gehaltsumwandlung. Die Steuervergünstigungen für die Zuschüsse sind laut Gesetzestext aber nur zu gewähren, soweit es sich um zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers handelt (vgl. § 3 Nr. 33 EStG für die Kinderbetreuungskosten). Somit versagte das Finanzamt die Steuerfreiheit bzw. Pauschalbesteuerung der Zuschüsse.
Lösung
Das Finanzgericht (FG) Münster folgt der Rechtsauffassung von Finanzamt und der bisherigen Rechtsprechung (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.11.2016, 2 K 1180/16) bezüglich einer schädlichen Gehaltsumwandlung nicht. So ist es aus Sicht des FG Münster schwierig, den wirtschaftlichen Wert der Zuschüsse gegenüber dem Wert des Barlohnverzichts zu bemessen, zumal unklar ist, ob dies auf Brutto- oder Nettolohnbasis geschehen soll. Auch ist nicht klar, welche Bedeutung dem zeitlichen Ablauf zwischen dem Lohnverzicht und der Vereinbarung von Zusatzleistungen beigemessen werden soll. Liegt eine „schädliche“ Barlohnumwandlung auch dann noch vor, wenn zwischen dem Barlohnverzicht und der Gewährung von Zuschüssen ein mehrmonatiger Zeitraum liegt?
Aufgrund dieser Bestimmungsprobleme ist aus Sicht des FG Münster als Abgrenzungskriterium zwischen schädlicher und unschädlicher Gehaltsumwandlung einzig darauf abzustellen, ob zu dem Zeitpunkt der Zahlung ein zivil- oder arbeitsrechtlich verbindlicher Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bestand. In den bisherigen Urteilen des BFH ging es um Sachverhalte, bei denen die Arbeitnehmer weiterhin einen Anspruch auf den vollen Barlohn hatten, da sie jederzeit zwischen den pauschalbesteuerten Zuschüssen und dem vollen Barlohn wechseln konnten.
Dies ist im Ausgangsfall nicht der Fall. Die Arbeitnehmer können hier nicht durch einseitige Willenserklärung zum ursprünglichen Barlohn zurückkehren. Insofern schuldet der Arbeitgeber dauerhaft nunmehr den neuen reduzierten Barlohn. Die Zuschüsse werden dann zusätzlich zu dem neuen niedrigeren Barlohn gewährt.
Das FG Münster legt abschließend ausführlich dar, warum die vorliegende Gestaltung nicht rechtsmissbräuchlich ist. Die Revision ist zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit, Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 10/2017
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