BFH-Urteile vom 23.8.2017, X R 38/15 und I R 52/14
Bei der Sanierung insolvenzbedrohter Unternehmen entsteht ein steuerliches Dilemma. Verzichten Gläubiger auf ihre Forderungen, um den Fortbestand des Unternehmens zu gewährleisten, so führt dieser Forderungsverzicht zu einem steuerpflichtigen Ertrag. Ein Teil der so dringend benötigten Liquidität fließt damit an das Finanzamt ab. Die von der Finanzverwaltung erdachte Ausweglösung wurde vom BFH verworfen.
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Problemstellung
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hatte in seinem Schreiben vom 27.3.2003 (BStBl. I 2003, 240) – dem sog. Sanierungserlass – die Einkommensteuerbefreiung des Sanierungsgewinns bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen vorgesehen.
Im November 2016 hat der Große Senat des BFH (Beschluss vom 28.11.2016, GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393) allerdings entschieden, der Sanierungserlass verstoße gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und darf daher nicht mehr angewendet werden.
Das BMF wies daraufhin die Finanzämter an, den Sanierungserlass auf alle Altfälle anzuwenden, bei denen die an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des (oben genannten) Beschlusses des Großen Senats des BFH (am 8.2.2017) endgültig auf ihre Forderungen verzichtet haben (vgl. Hillmer, BC 2017, 250 f., Heft 6).
Durch das „Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen“ vom 27.6.2017 wurden mit § 3a EStG („Sanierungserträge“) und § 7b GewStG („Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bei unternehmensbezogener Sanierung“) nunmehr gesetzliche Regelungen zur Behandlung eines Sanierungsgewinns geschaffen. Umstritten war, ob diese Regelungen auch auf Altfälle Anwendung finden können.
Lösung
In zwei Urteilen hat der BFH nun der Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen bei Altfällen einen Riegel vorgeschoben. Die Anordnung des BMF, den Sanierungserlass auf Altfälle anzuwenden, verstößt ebenfalls gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Eine solche Regelung hätte nur der Gesetzgeber treffen können. Damit ist endgültig entschieden, dass der Sanierungserlass keine Anwendung mehr finden kann.
Die neuen §§ 3a EStG und 7b GewStG sind (gemäß § 52 Abs. 4a Satz 1 EStG n.F. bzw. § 36 Abs. 2c GewStG n.F.) erstmals in den Fällen anzuwenden, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 8.2.2017 erlassen wurden. Eine Anwendung auf Altfälle vor diesem Datum ist nicht vorgesehen und somit ausgeschlossen.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 11/2017
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