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Zu den Anforderungen an das „Kennenmüssen“ bei schuldhaft nicht abgeführter Umsatzsteuer

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 10.8.2017, V R 2/17

 

Hat ein Unternehmer Kenntnis davon, dass ein Lieferant die auf der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt entrichtet, und begleicht der Unternehmer die Rechnung dennoch in voller Höhe, so kann er (gemäß § 25d Abs. 1 UStG) für die entgangene Steuer in Haftung genommen werden. Doch wann genau kann von einer ausreichenden Kenntnis ausgegangen werden? Mit dieser Frage hat sich nun der BFH auseinandergesetzt.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Klägerin betreibt einen Fahrzeughandel und bezog von der X-GmbH Fahrzeuge und Container. Gegen den Geschäftsführer der X-GmbH wurde seit dem Jahr 2008 wegen einer Vielzahl von Fällen der Umsatzsteuerhinterziehung ermittelt. Eine Verurteilung erfolgte im Jahr 2014. Die Steuerfahndung hatte die Klägerin offiziell im Januar 2012 über die Ermittlungen in Kenntnis gesetzt. Ob die Klägerin bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren hatte, war zwischen den Beteiligten streitig.

Das Finanzamt nahm die Klägerin (gemäß § 25d Abs. 1 UStG) für die von der X-GmbH nicht abgeführte Umsatzsteuer in Haftung.

 

 

Lösung

Wie schon das erstinstanzliche Finanzgericht sieht auch der BFH nicht genügend Hinweise dafür, dass die Klägerin über ausreichende Kenntnisse im Sinne des § 25d Abs. 1 UStG verfügt hat. Aus Sicht der Gerichte wusste die Klägerin zwar bereits seit dem Jahr 2008 von den Ermittlungen gegen die X-GmbH und deren Geschäftsführer. Es gibt aber keinen Erfahrungssatz, der besagt, dass ein steuerstrafrechtlich bedeutsames Verhalten bei anderen Geschäftsvorfällen auf eine vorgefasste Absicht bei künftigen Geschäftsvorfällen schließen lässt. Zudem galt bis zur tatsächlichen Verurteilung des Geschäftsführers im Jahr 2014 die Unschuldsvermutung.

An ein „Kennenmüssen“ nach § 25d Abs. 1 UStG sind laut BFH strenge Anforderungen zu stellen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass Unternehmer, die alle Maßnahmen treffen, um nicht zu einer mit Umsatzsteuerbetrug behafteten Lieferkette zu gehören, nicht gesamtschuldnerisch in Haftung genommen werden können. Eine Haftung ist daher nur möglich, wenn der Unternehmer im Rahmen eines konkreten Leistungsbezugs den Schluss ziehen musste, dass der Rechnungsaussteller bereits bei Vertragsschluss die Absicht hatte, die Umsatzsteuer nicht abzuführen. Die Beweislast hierfür liegt beim Finanzamt.

Die Beweislage im Ausgangsfall ist für eine Haftung nach § 25d Abs. 1 UStG nicht ausreichend.

 

Praxishinweis:

Der BFH stellt mit seinem Urteil strenge Anforderungen an ein „Kennenmüssen“ nach § 25d Abs. 1 UStG. Da weder vergangene Taten noch aktuelle Ermittlungen (Unschuldsvermutung) ein Kennenmüssen begründen, muss der Unternehmer bei Vertragsabschluss über konkrete Hinweise zur Steuerhinterziehung verfügt haben – etwa durch Hinweise aus dem Unternehmen des Lieferanten (Whistleblower) –, um für den Steuerausfall in Haftung genommen zu werden.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 12/2017

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