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Rückwirkende Rechnungsberichtigung: Anforderungen an die Anerkennung

Christian Thurow

FG Münster, Urteil vom 1.12.2016, 5 K 1275/14 U (Revision zugelassen)

 

Der EuGH hat im September 2016 im Rahmen der „Senatex-Entscheidung“ vom 15.9.2016 (C-518/14) klargestellt, dass der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung zwar eine formelle, aber keine materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug darstellt. Fraglich bleibt, welche Mindestanforderungen eine Rechnung erfüllen muss, um überhaupt berichtigungsfähig zu sein.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Im Rahmen der steuerlichen Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin bei diversen Rechnungen, aus denen sie Vorsteuer gezogen hatte, nicht als Rechnungsempfängerin genannt war, und kürzte den Vorsteuerabzug entsprechend. Darüber hinaus fehlten bei den von der Klägerin ausgestellten Gutschriften die Angaben der Steuernummer bzw. der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) des leistenden Unternehmers. Daher wurde die von der Klägerin aus den Gutschriften geltend gemachte Vorsteuer ebenfalls gekürzt. Bereits vor Erlass der Änderungsbescheide wurden berichtigte Rechnungen und Gutschriften nachgereicht.

Das Finanzamt erkannte die berichtigten Rechnungen und Gutschriften nicht an. Folgende Punkte wurden beanstandet:

  • Die Berichtigung einer Rechnung oder Gutschrift muss durch ein Dokument erfolgen, welches sich spezifisch und eindeutig auf die ursprüngliche Rechnung bezieht. Das bloße Ausstellen einer neuen Rechnung zum Datum der Originalrechnung mit den geänderten bzw. ergänzten Informationen reicht nicht aus. So wurde im Ausgangsfall bei den Originalgutschriften teilweise lediglich die Steuernummer handschriftlich ergänzt.
  • Auf den geänderten Rechnungen/Gutschriften fehlen Hinweise, dass es sich um berichtigte Dokumente handelt.

 

 

Lösung

Laut der neueren EuGH-Rechtsprechung ist der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung eine formelle, aber keine materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Allerdings setzt eine rückwirkende Berichtigung nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Münster voraus, dass die ursprüngliche Rechnung überhaupt berichtigungsfähig ist. Hierzu müssen wesentliche Rechnungsbestandteile, wie Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer, in dem ursprünglichen Dokument enthalten sein. Ist dies nicht der Fall, so liegt keine Rechnung vor, und eine Berichtigung kann daher nicht erfolgen. Vielmehr ist in einem solchen Fall die berichtigte Rechnung – so sie denn nun alle Pflichtangaben enthält – als Erstrechnung zu werten und im Jahr der Berichtigung bzw. Ausstellung steuerlich zu berücksichtigen.

Somit kommt es auf die Prüfung des Einzelfalls an. Im Ausgangsfall führt dies zu verschiedenen Rechtsfolgen:

  • Der Vorsteuerabzug wird für die Rechnungen versagt, in der die Klägerin auch in der korrigierten Rechnung nicht als Leistungsempfängerin genannt wird.
  • In den Fällen, in denen die Klägerin in der korrigierten – nicht aber in der ursprünglichen – Rechnung als Leistungsempfängerin genannt wird, stellt die korrigierte Rechnung eine Erstrechnung dar. Der Vorsteuerabzug hat im Jahr der Ausstellung der korrigierten Rechnung zu erfolgen.
  • Bei den nicht korrigierten Gutschriften kommt ein Vorsteuerabzug weiterhin nicht in Betracht.
  • Bei den korrigierten Gutschriften ist der Vorsteuerabzug in den Streitjahren – also rückwirkend – zu gewähren. Trotz der zunächst fehlenden Angabe der Steuernummer ist hier eine Überprüfung der Rechnungsangaben und Umsätze ohne weitere Schwierigkeiten möglich. Die Steuernummer stellt hier lediglich eine formelle Anforderung dar.

Das FG Münster hat das Urteil zur Revision zugelassen, um höchstrichterlich klären zu lassen, welche Mindestanforderungen ein Dokument erfüllen muss, um als berichtigungsfähige Rechnung zu gelten.

 

 

Praxishinweise:

  • Schon bislang war es gängige Rechtsauffassung in Deutschland, dass ein Unternehmer eine Rechnung jederzeit berichtigen kann, sofern diese lediglich formale Fehler enthält (z.B. Rechtschreibfehler oder anderweitige falsche Angaben zum Rechnungsdatum oder Leistungszeitpunkt). Anders verhielt es sich, wenn die Umsatzsteuer unrechtmäßig ausgewiesen wird.
  • Laut dem BFH-Urteil vom 20.10.2016, V R 26/15, verlangt die rückwirkende Berichtigung eine ursprüngliche Rechnung, die den Mindestanforderungen an eine Rechnung genügt. Konkret sind das, so die BFH-Richter, Angaben …
    –  zum Rechnungsaussteller,
    – zum Leistungsempfänger,
    – zur Leistungsbeschreibung,
    – zum Entgelt und
    – zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer.
    Diesbezügliche Angaben sollten nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sein, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen.
  • Die berichtigte Rechnung kann bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG berichtigt werden. Dies ist von großer Bedeutung für Unternehmer, die trotz formaler Rechnungsmängel den Vorsteuerabzug aus bezogenen Leistungen in Anspruch nehmen. Sie hatten bislang bei späteren Beanstandungen selbst im Fall einer Rechnungsberichtigung Steuernachzahlungen für das Jahr des ursprünglich in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs zu leisten. Die Steuernachzahlung war zudem im Rahmen der sog. Vollverzinsung mit 6% jährlich zu verzinsen. Beides entfällt nunmehr.
  • Für die Praxis ist Folgendes zu beachten: Auf die ordnungsgemäße Rechnungsstellung ist weiterhin äußerster Wert zu legen. Sofern z.B. während einer steuerlichen Betriebsprüfung oder Umsatzsteuer-Sonderprüfung eine Rechnung zu Recht beanstandet wird, empfiehlt es sich vorsorglich, so bald wie möglich dem Finanzamt eine korrigierte Rechnung zuzuleiten, die der Leistende zuvor ausgestellt hat. Die Umsatzsteuerbescheide bzw. Festsetzungen sollten angefochten werden. Als Vorsichtsmaßnahme sollte zusätzlich ein Antrag auf rückwirkende Gewährung des Vorsteuerabzugs nach § 163 AO im Billigkeitswege gestellt werden. Denn unklar ist, inwieweit die Rückwirkung für die Stornierung oder Neuausstellung fehlerhafter Rechnungen gilt. Das oben genannte BFH-Urteil vom 20.10.2016, V R 26/15, bezieht sich lediglich auf die Rückwirkung der Rechnungsberichtigung hinsichtlich Rechnungsergänzungen (gemäß § 31 Abs. 5 Satz 1 UStDV).

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit, Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 3/2017

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