FG Hessen, Urteil vom 4.9.2018, 4 K 385/17 (Revision zugelassen)
Seit Langem ist die Frage umstritten, ob sog. finale Betriebsstättenverluste steuerlich in Deutschland abzugsfähig sind. Auch stellt sich die Frage, ob sich die Abzugsfähigkeit nur auf die Körperschaftsteuer beschränkt oder auch auf die Gewerbesteuer erstreckt. Hierzu hat nun das Finanzgericht (FG) Hessen Stellung genommen.
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Problemstellung
Die Klägerin betrieb in den Jahren 2004 bis 2007 eine Betriebsstätte in Großbritannien. Aufgrund der anhaltenden Verlustsituation wurde die Betriebsstätte im Jahr 2007 geschlossen. Dabei entstand unstreitig ein finaler – d.h. in Großbritannien mangels lokaler Geschäftstätigkeit nicht mehr steuerlich ansetzbarer – Betriebsstättenverlust in Höhe von rund 3,4 Mio. €. Die Klägerin begehrte den Abzug der Verluste bei der deutschen Körperschaft- und Gewerbesteuer.
Das Finanzamt lehnte dies u.a. mit folgenden Argumenten ab:
- Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache „Timac Agro“ (C-388/14) zeige, dass die sich aus der abkommensrechtlichen Freistellung der Betriebsstättengewinne ergebende Nichtabzugsfähigkeit der Betriebsstättenverluste mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Dem hat sich auch der BFH angeschlossen.
- Bei der Gewerbesteuer ergibt sich die Nichtabzugsfähigkeit aus dem strukturellen Inlandsbezug der Steuer. Ausländische Betriebsstätteneinkünfte sind kein Bestandteil des Gewerbeertrags.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sich das „Timac Agro“-Urteil nicht auf finale Verluste bezieht und verweist auf die aktuelle „Bevola“-Entscheidung des EuGH vom 12.6.2018 (C-650/16 „A/S Bevola und Jens W. Trock Aps“).
Lösung
Das FG Hessen folgt der Auffassung der Klägerin. Für das Finanzgericht ergibt sich aus der „Bevola“-Entscheidung des EuGH mit „hinreichender Klarheit“, dass es die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gebietet, finale Betriebsstättenverluste in Deutschland abzuziehen. Entscheidend ist, dass es sich um finale Verluste handelt und mangels künftiger Einnahmen aus dem anderen EU-Mitgliedstaat eine Verlustverrechnung im anderen EU-Mitgliedstaat ausscheidet. In einem solchen Fall wäre es unverhältnismäßig, wenn sich die durch die Verluste der ausländischen Betriebsstätte geminderte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in keinem Mitgliedstaat der EU auswirken würde.
Dies trifft auch auf die gewerbesteuerliche Abzugsfähigkeit zu. Bei einer Kapitalgesellschaft gelten alle inländischen Betriebsstätten als ein einheitlicher Gewerbebetrieb. Da bei finalen Betriebsstättenverlusten eine doppelte Verlustnutzung im In- und Ausland ausscheidet, spricht nichts gegen eine Erfassung der Verluste beim inländischen Gewerbebetrieb.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 12/2018
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