FinMin Nordrhein-Westfalen, Erlass vom 18.7.2018, S 2133-000036-V B 1/S 2741-91-V B 4
Die Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben hinsichtlich der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital bei Genussrechten folgende Beschlüsse gefasst:
Genussrechtskapital ist nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Steuerbilanz als Verbindlichkeit anzusetzen.
Vergütungen auf dieses Genussrechtskapital sind grundsätzlich als Betriebsausgaben abzugsfähig. Sie mindern, vorbehaltlich § 8 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KStG, grundsätzlich das Einkommen.
Diese Rechtsauffassung soll im Nachgang zu den Antwortschreiben des Bundesministeriums der Finanzen an die Verbände durch ein BMF-Schreiben kommuniziert werden.
Diesen Beschlüssen liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Genussrechte einen schuldrechtlichen Charakter haben.
Die Beschlüsse betreffen allein die Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital bei Genussrechten. Inwieweit diese Verbindlichkeit in der Bilanz im Einzelfall anzusetzen ist oder ein Passivierungsverbot besteht, war nicht Gegenstand der Entscheidung und ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu beurteilen.
Praxis-Info!
Das Genussrecht ist gesetzlich nicht speziell geregelt. Insbesondere existieren keine handelsrechtlichen Vorschriften, die das Genussrecht ausdrücklich definieren und deren Bilanzierung festlegen. Ein Genussrecht ist die Gewährung eines Vermögensrechts durch ein Unternehmen an einen Nichtgesellschafter. Die Einräumung eines Vermögensrechts erfolgt in der Regel gegen die Leistung von Geld.
Ohne besondere Abreden ist Genussrechtskapital auch handelsbilanziell zunächst als eine Schuld zu qualifizieren. Genussrechtskapital stellt deshalb in der Regel gewinnbeteiligtes Fremdkapital dar. Von daher führt Genussrechtskapital – ohne spezielle Abreden – zu einer Erhöhung der Verbindlichkeiten und verringert damit die Eigenkapitalquote.
Der Ausweis des Genussrechtskapitals kann in der Bilanz als gesonderter Posten unter den Verbindlichkeiten als „Genusskapital“ erfolgen (vgl. § 266 Abs. 3 HGB). Nur unter nachfolgenden zusätzlichen Voraussetzungen, die der IDW HFA (HFA 1/1994) aufgestellt hat, kommt ein Ansatz als Eigenkapital in Betracht:
- Nachrangigkeit: Ein Rückzahlungsanspruch des Genussrechtsinhabers darf im Liquidations- oder Insolvenzfall erst nach der Befriedigung aller weiteren Gläubiger geltend gemacht werden.
- Verlustteilnahme: Das Genussrechtskapital muss am Verlust bis zur vollen Höhe teilnehmen.
- Erfolgsabhängigkeit: Eine Vergütung für die Kapitalüberlassung muss unter der Bedingung stehen, dass sie nur aus Eigenkapitalbestandteilen geleistet werden darf, die nicht besonders gegen Ausschüttungen geschützt sind.
- Langfristigkeit: Das Genussrechtskapital muss für einen längerfristigen Zeitraum überlassen werden, in dem die Rückzahlung/Rückforderung für beide Seiten ausgeschlossen ist. Eine nähere Spezifizierung des Zeitraums nennt der HFA 1/1994 nicht, er wird jedoch in der Praxis regelmäßig bei mehr als fünf Jahren angesetzt (siehe auch Art. 52 Bankenaufsichts-VO).
Für den Ausweis des Genussrechtskapitals kann ein separater Posten „Genusskapital” innerhalb des Eigenkapitals gebildet werden. Er soll unmittelbar nach dem gezeichneten Kapital, aber noch vor den Kapitalrücklagen ausgewiesen werden. Laufende Gewinnausschüttungen sind wie bei üblichen Darlehen in der Gewinn- und Verlustrechnung als „Zinsen und ähnliche Aufwendungen” zu erfassen. Ein bei der Ausgabe der Genussrechte eingenommenes Agio, das vereinbart werden kann, ist grundsätzlich in die Kapitalrücklage zu buchen. Nur soweit das Agio ausdrücklich einer erfolgswirksamen Vereinnahmung dient, ist es in der Gewinn- und Verlustrechnung als sonstiger betrieblicher Ertrag auszuweisen.
Sind die vorstehenden Voraussetzungen für eine Bilanzierung des Genussrechtskapitals als Eigenkapital erfüllt, ändert der Eigenkapitalcharakter nichts an der Abzugsfähigkeit der Gewinnausschüttungen vom Jahresergebnis in der Handelsbilanz. Die Ausschüttungen stellen weiterhin Betriebsausgaben dar.
Für Verlustbeteiligungen des Genussrechtskapitals ist ein Ertragsposten „Erträge aus Verlustübernahme” (gemäß § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB) zu bilden. Durch ihn werden die Rückzahlungsverpflichtungen des Unternehmens gemindert.
Inwieweit die Kriterien des IDW HFA 1/1994 zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital auch für die Steuerbilanz maßgeblich sind, erwähnt der jüngste Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen nicht. Laut der Verfügung der OFD Nordrhein-Westfalen vom 12.5.2016 (S 2742-2016/0009-St 131) soll jedoch auch IDW HFA 1/1994 für die Steuerbilanz maßgeblich sein. Insofern sorgt der vom Finanzministerium Nordrhein-Westfalen vorgegebene Ansatz von Genussrechtskapital in der Steuerbilanz als Verbindlichkeit – ohne ausdrücklichen Hinweis auf eine Ausnahme – für Verunsicherung. Es stellt sich die Frage: Inwieweit hat die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz hiermit doch eine Einschränkung erfahren? § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, auf den der Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen verweist, hat ohnehin schon Vorrang vor dem Maßgeblichkeitsgrundsatz. Danach dürfen Ausschüttungen auf Genussrechte, mit denen das Recht am Gewinn und am Liquidationserlös verbunden ist, den Gewinn der ausschüttenden Gesellschaft nicht mindern.
Es bleibt zu hoffen, dass möglichst bald Klärung durch das angekündigte BMF-Schreiben erfolgt.
[Anm. d. Red.]
BC 8/2018
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