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Nachträgliche Anschaffungskosten einer Beteiligung bei Einzahlung in die Kapitalrücklage zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 20.7.2018, IX R 5/15

 

Mit Inkrafttreten des MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026) sind viele von der Rechtsprechung entwickelte Grundsätze zur Behandlung von eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen entfallen. Doch scheinen auch die neuen Regelungen einer Klarstellung durch den BFH zu bedürfen, wie ein aktuelles Urteil zeigt.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger war an einer GmbH beteiligt und hatte gegenüber einer Bank eine Bürgschaft für Verbindlichkeiten der GmbH übernommen. Darüber hinaus war ein den Gesellschaftern gehörendes Grundstück mit einer Grundschuld im Namen der GmbH belastet.

Im Jahr 2010 leistete der Kläger zusammen mit den anderen Gesellschaftern eine Zuführung in die Kapitalrücklage, um die drohende Insolvenz der Gesellschaft – und somit eine Inanspruchnahme der Bürgschaft und Grundschuld durch die Bank – zu vermeiden. Die Einzahlungen wurden dafür verwendet, die Bankverbindlichkeiten der GmbH zu tilgen.

Im Anschluss verkauften die Gesellschafter ihre Anteile zu einem Wert von 0 € an eine externe Gesellschaft. In seiner Steuererklärung machte der Kläger den Veräußerungsverlust geltend, welcher sich aus der ursprünglichen Stammeinlage und den nachträglichen Anschaffungskosten aus der Erhöhung der Kapitalrücklage zusammensetzte.

Finanzamt und Finanzgericht erkannten die Einzahlungen in die Kapitalrücklage nicht als nachträgliche Anschaffungskosten an. Soweit die Einzahlung in die Kapitalrücklage zur Ablösung der Grundschuld gedient habe, seien dem Kläger keine nachträglichen Anschaffungskosten entstanden, weil ihm zu keinem Zeitpunkt ein werthaltiger Rückgriffsanspruch gegen die GmbH zugestanden habe. Auf die Zahlungen zur Ablösung der Bürgschaft seien weiterhin die Regelungen des Eigenkapitalersatzrechts anzuwenden. Durch „Stehenlassen“ in der Krise wurde die Bürgschaft eigenkapitalersetzend, und die Rückgriffsforderung sei daher mit ihrem gemeinen Wert im Zeitpunkt des Kriseneintritts anzusetzen.

Aus Sicht des Klägers entspricht die Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht nicht den seit dem Jahr 2008 geltenden Regelungen des MoMiG, durch welche das Eigenkapitalersatzrecht reformiert wurde.

 

 

Lösung

Der BFH folgt der Auffassung des Klägers. Mit dem MoMiG kam es zu einer Einführung eines gesetzlichen Nachrangs sämtlicher Gesellschafterfinanzierungen im Insolvenzfall. Eine Unterscheidung in Fremdkapital und eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfen ist deshalb nicht mehr zu treffen. Der handelsrechtliche Anschaffungskostenbegriff ist daher auch bei nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zugrunde zu legen. Demzufolge können nachträgliche Anschaffungskosten nur solche Aufwendungen des Gesellschafters sein, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen. Darunter fallen insbesondere Nachschüsse (im Sinne der §§ 26 ff. GmbHG), sonstige Zuzahlungen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB wie Einzahlungen in die Kapitalrücklage, Barzuschüsse oder der Verzicht auf eine werthaltige Forderung. Die Kapitalrücklage ist Bestandteil des Eigenkapitals der Gesellschaft und steht nur der Gesellschaft zu; hierdurch erhöhen sich auch die Anschaffungskosten des Gesellschafters für seine Beteiligung. Wie die Gesellschaft den eingezahlten Betrag verwendet, ist aus steuerlicher Sicht ohne Bedeutung. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft den Betrag verwendet, um eigene betriebliche Verbindlichkeiten abzulösen, für die die Gesellschafter Sicherheiten gestellt haben.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger die Einzahlung in die Kapitalrücklage zu Recht als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung geltend gemacht.

Dabei spielt es aus Sicht des BFH keine Rolle, ob eine Inanspruchnahme von Bürgschaft und Grundschuld ebenfalls zu nachträglichen Anschaffungskosten geführt hätte oder nicht. Entgegen der Auffassung von Finanzamt und Bundesfinanzministerium (BMF) liegt in dieser Handhabung kein Gestaltungsmissbrauch vor.

 

 

Praxishinweise:

Gesellschafterdarlehen und Leistungen auf Forderungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen, sind seit Inkrafttreten des MoMiG (am 1.11.2008) ausdrücklich nicht mehr dem Eigenkapital gleichgestellt. Tilgungsleistungen stellen deshalb – vorbehaltlich des solvency-tests – keine nach dem GmbHG verbotene Auszahlung des Kapitals dar (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG).

Allerdings ist seither einheitlich für alle Rechtsformen von Gesellschaften in der Insolvenzordnung der Nachrang von Gesellschafterdarlehen und diesen wirtschaftlich entsprechenden Forderungen aus Rechtshandlungen festgelegt; diese dürfen erst nach Befriedigung aller anderen Insolvenzforderungen befriedigt werden (§ 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 InsO). Ausgenommen sind Darlehen von nicht geschäftsführenden Gesellschaftern, die mit 10% oder weniger am Kapital der Gesellschaft beteiligt sind (bislang bei der AG: 25%). Nach dem weiterhin geltenden Sanierungsprivileg gilt der Nachrang einer Gesellschafterforderung bis zur nachhaltigen Sanierung der Gesellschaft nicht gegenüber demjenigen Gesellschafter, der bei (drohender) Insolvenz Gesellschaftsanteile zum Zwecke der Sanierung erwirbt.

Wurde ein Gesellschafterdarlehen innerhalb eines Jahres vor Insolvenzeröffnung getilgt, ist es auf Anfechtung zu erstatten; dies betrifft Besicherungen während der letzten 10 Jahre (§ 135 Abs. 1 InsO). Entsprechendes gilt außerhalb des Insolvenzverfahrens nach § 6 Abs. 1 Anfechtungsgesetz.

Ungeachtet der regelmäßigen Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz sind Gesellschafterdarlehen als Verbindlichkeit der Gesellschaft im Überschuldungsstatus zu berücksichtigen, wenn nicht ausdrücklich ein „Rangrücktritt” vereinbart worden ist, wonach der Gesellschafter im Rang hinter die übrigen Kreditgeber zurücktritt, die keine Rangrücktrittserklärung abgegeben haben (vgl. ausführlich Bode/Herzing, BC 2009, 231 f., Heft 5).

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 12/2018

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