Dr. Hans-Jürgen Hillmer
BFH-Urteil vom 6.12.2017, VI R 41/15

Nutzt ein Miteigentümer allein eine Wohnung zu beruflichen Zwecken, kann er AfA und Schuldzinsen nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil als Werbungskosten geltend machen, wenn die Darlehen zum Erwerb der Wohnung gemeinsam aufgenommen wurden und Zins/Tilgung von einem gemeinsamen Konto beglichen werden.
Praxis-Info!
Problemstellung
Die Entscheidung betrifft den Abzug von Aufwendungen für ein sog. außerhäusliches Arbeitszimmer mit der wichtigen Besonderheit, dass sie nicht der Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG unterfallen. Das dürfte auch für viele Bilanzbuchhalter und Controller ein hochinteressanter Aspekt sein, den es nicht nur für betreute Mandanten oder Arbeitgeber mit Immobilienbesitz zu beachten gilt, sondern auch in eigener Sache.
Im Streitfall war nicht die Außerhäuslichkeit an sich streitig; denn es handelte sich in einem Mehrfamilienhaus um eine zusätzlich zur Hauptwohnung ausschließlich beruflich genutzte Zweitwohnung. Dennoch stimmte der BFH letztlich der schon vom Finanzamt und FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 18.6.2014, Az.: 11 K 11055/11) vertretenen Auffassung zu. Danach sind zwar die nutzungsorientierten Aufwendungen wie Energie- und Wasserkosten voll abzugsfähig, nicht aber die sog. grundstücksorientierten Aufwendungen wie vor allem die AfA und die Schuldzinsen. Es stellt sich insbesondere auch wegen der nicht unerheblichen Beträge die Frage, ob und gegebenenfalls wie sich das hätte vermeiden lassen?
Lösung
Steuerlich gesehen richtig gehandelt haben die betreffenden Steuerpflichtigen insoweit, als für die zweite Wohnung der Typus des „Arbeitszimmers“ von Finanzgericht (FG) und BFH ausdrücklich anerkannt wurden. Denn die Klägerin (Ehefrau) nutzte die Wohnung ausschließlich für ihre berufliche Tätigkeit. Ferner ist die Arbeitswohnung nicht in die in der anderen Wohnung befindlichen privat genutzten Räumlichkeiten einbezogen und auch nicht mit der Privatwohnung als gemeinsame Wohneinheit verbunden. Vielmehr handelt es sich um räumlich voneinander getrennte Eigentumswohnungen, wobei sich die Arbeitswohnung in einem anderen Stockwerk des Mehrfamilienhauses befindet und nur über das allgemein genutzte Treppenhaus erreichbar ist.
Nicht ausreichend beachtet wurde aber im Streitfall, dass die Einkünfte eines jeden Ehegatten grundsätzlich getrennt zu ermitteln sind. Nur außerhalb der Einkünfteermittlung (z.B. beim Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen) sind zusammen zu veranlagende Eheleute als ein Steuerpflichtiger zu behandeln. Bezahlen nun solche Eheleute wie im Streitfall Aufwendungen „aus einem Topf“, d.h. aus Guthaben, zu denen beide Eheleute beigetragen haben, oder aus Darlehensmitteln, die zulasten beider Eheleute aufgenommen wurden (§ 421 BGB), wird (sofern keine besonderen Vereinbarungen getroffen sind) der Betrag jeweils für Rechnung desjenigen geleistet, der den Betrag schuldet. Daher sind gemeinschaftlich getragene Aufwendungen für eine Immobilie, die einem Ehegatten gehört und die dieser zur Erzielung von Einnahmen nutzt, beim Eigentümerehegatten in vollem Umfang Werbungskosten (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23.8.1999, GrS 2/97, BStBl. II 1999, 782, unter C.V.1.; BFH-Urteile vom 2.12.1999, IX R 21/96, BStBl. II 2000, 312; vom 20.6.2012, IX R 29/11, BFH/NV 2012, 1952).
Es kommt also für die Gewährleistung der vollen Abzugsfähigkeit auch der grundstücksorientierten Aufwendungen auf das Alleineigentum an. Sind aber Eheleute Miteigentümer eines Grundstücks oder erwerben sie wie im Streitfall eine Eigentumswohnung zu Miteigentum, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass jeder von ihnen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten (AHK) entsprechend seinem Miteigentumsanteil getragen hat, und zwar unabhängig davon, wie viel er tatsächlich aus eigenen Mitteln dazu beigetragen hat.
Demgemäß sind auch die gemeinsam getragenen laufenden Aufwendungen für eine solche Wohnung, soweit sie grundstücksorientiert sind (z.B. Schuldzinsen auf den Anschaffungskredit, Grundsteuern, allgemeine Reparaturkosten, Versicherungsprämien und ähnliche Kosten, siehe Beschluss des Großen Senats des BFH in BStBl. II 1999, 782, unter C.V.1.), nur entsprechend den Miteigentumsanteilen als Werbungskosten abziehbar.
- Für ein häusliches Arbeitszimmer gilt etwas anderes als für die im Streitfall gegebene Arbeitswohnung: Miteigentümer, die innerhalb der Wohnung jeweils einen Raum allein zur Einkünfteerzielung nutzen, können die AfA für die gesamten auf dieses Zimmer entfallenden AHK als Werbungskosten oder Betriebsausgaben geltend machen (allerdings nur in Höhe der dann greifenden Abzugsbeschränkungen). Denn es ist – so der BFH – davon auszugehen, dass sie die auf sie entfallenden Aufwendungen getragen haben, um diesen Raum insgesamt zu nutzen.
- Die Anerkennung einer Wohnung als „außerhäusliches Arbeitszimmer“ kann beispielsweise dadurch gefährdet werden, dass für Besuche im Familien- und Freundeskreis Übernachtungsmöglichkeiten bereitgehalten werden. Da allerdings gegen ein Besucher-Sofa an sich noch nichts einzuwenden ist, kommt es dabei auf die Gestaltung im Einzelfall an: Nach Schlafzimmer darf es jedenfalls – im Regelfall, hier einmal abgesehen vom horizontalen Gewerbe – nicht aussehen.
- Mit dem BFH ist darauf hinzuweisen, dass die streitigen Aufwendungen auch nicht als sog. Drittaufwand als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen wären. Aufwendungen eines Dritten können im Fall eines abgekürzten Zahlungs- oder Vertragswegs als Aufwendungen des Steuerpflichtigen zu werten sein. Abkürzung des Zahlungswegs bedeutet die Zuwendung eines Geldbetrags an den Steuerpflichtigen in der Weise, dass der Zuwendende im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen dessen Schuld trägt, statt ihm den Geldbetrag unmittelbar zu geben. Im Fall des sog. abgekürzten Vertragswegs schließt der Dritte im eigenen Namen für den Steuerpflichtigen einen Vertrag und leistet auch selbst die geschuldeten Zahlungen.
- Da der Ehemann aber die Aufwendungen für die Arbeitswohnung seiner Ehefrau als hälftiger Erwerber, Miteigentümer und Darlehensnehmer aufgewendet hat, liegen im Streitfall die Voraussetzungen für die Berücksichtigung sog. Drittaufwands als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit nicht vor. Der Ehemann hat seiner Ehefrau mit der Zahlung der anteiligen Anschaffungskosten für die Wohnung und der Schuldzinsen nichts zugewandt, sondern diese als Erwerber und Darlehensnehmer auf eigene Rechnung aufgewendet. Die bloße Nutzungsmöglichkeit der Wohnung kann weder zivilrechtlich noch steuerrechtlich übertragen oder zugewendet werden.
- Für Bilanzbuchhalter ebenso wie für Controller (und viele andere Berufsgruppen) ist als Fazit also mitzunehmen: Zu viel Gemeinsamkeit im Rahmen der Eheschließung kann steuerschädlich sein. Vor allem bei Immobilieneigentum empfiehlt sich regelmäßig das Alleineigentum zumindest für alle Objekte, die über den gemeinsam genutzten Hauptwohnsitz hinausgehen. Dies eröffnet auch losgelöst vom Streitfall manche Gestaltungsfreiheit, so beispielsweise bei der Nutzung von Ferienwohnungen die für die Vermeidung steuerschädlicher Privatnutzungszeiten wichtige Möglichkeit der Vermietung an den Ehegatten.
- Im Streitfall hätte sich angeboten, zwecks Sicherung der vollen Abzugsfähigkeit einem Appell Martin Luthers zu folgen (Tischreden vom Ehestande 45): „Eine jegliche Person in der Ehe soll ihr Amt tun, das ihr gebührt. Der Mann soll erwerben, das Weib aber soll ersparen.“
|
Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld
BC 5/2018
becklink404588