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Gewinnerzielungsabsicht auf dem richterlichen Prüfstand: Aufklärungspflichten und -grenzen

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Urteil vom 23.8.2017, X R 27/16

 

Bei verschiedenen, wirtschaftlich eigenständigen Betätigungen ist die Gewinnerzielungsabsicht im Wege der Segmentierung gesondert für die jeweilige Betätigung zu prüfen. Hierbei ist die Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht im Wesentlichen eine Frage der (richterlichen) Tatsachenwürdigung. Außerhalb des Hobbybereichs bedarf es zusätzlicher Anhaltspunkte dafür, dass Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Im zum BFH gelangten Streitfall ging es um verschiedene Geschäftszweige eines Ehepaars, das seit 1982 einen Handelsbetrieb unterhält. Seit 1998/1999 betreibt es außerdem in einem anderen Ort den An- und Verkauf sowie die Vercharterung von Segelyachten, die Reparatur von Segelyachten sowie den Handel mit Segelzubehör. Eine Nutzung für private Zwecke konnte vom Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht (FG) im Urteil vom 9.3.2016 (Az. 2 K 180/12 i.d.F. des Berichtigungsbeschlusses vom 21.3.2016) nicht festgestellt werden.

Dem BFH oblag die Überprüfung der finanzgerichtlichen Feststellungen hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht bei der Vercharterung von Segelyachten. Die Münchener Richter verbanden diese (engere) Problemstellung mit grundsätzlichen Betrachtungen zur Gewinnerzielung im Rahmen mehrerer Geschäftszweige. Letztlich ging es hierbei darum, inwieweit die Bereitschaft, langjährige Verluste hinzunehmen, steuerliche Anerkennung finden kann.

 

 

Lösung

Der BFH entschied mit sehr ausführlicher Begründung und ging dabei neben den eingangs vorangestellten Kernsätzen davon aus, dass im Hobbybereich eine objektiv negative Gewinnprognose einen – wenn auch widerlegbaren – Schluss auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht erlaubt. Außerhalb des Hobbybereichs bedarf es demnach aber zusätzlicher Anhaltspunkte dafür, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden. Da solche Anhaltspunkte im Vorverfahren nicht ermittelt wurden, wird sich infolge Zurückverweisung das Schleswig-Holsteinische FG erneut mit dem Sachverhalt befassen müssen. Es hätte – so der BFH in dem unter sehr vielen Erwägungen schwer zu entdeckenden Ergebnis – trotz objektiv schwer wiegender Umstände zumindest ein ihm möglich scheinendes privates Motiv für die Tätigkeit der Klägerin im Yachtbereich feststellen müssen, wenn es die Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin verneinen wollte. Das ist weder ausdrücklich noch inzident [beiläufig] geschehen. Nicht private Motive hat es ebenso wenig festgestellt.“

Der BFH reibt sich an dem Erfordernis der Feststellung persönlicher Gründe: Dieser Aufklärungsprozess unterliege zwar „keinen hohen Anforderungen“, was die Feststellung damit aber nicht vollkommen entbehrlich mache. Hierzu hatten die Kläger eingewandt, dass das FG zu Recht einen Hobbybetrieb verneint, aber für die verlustträchtige Fortführung des Yachtbetriebs keine persönlichen Gründe oder Motive festgestellt, sondern ausschließlich aus den Verlusten auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht geschlussfolgert habe. Dem ist der BFH letztlich entgegen der Auffassung des Finanzamts gefolgt.

Der BFH sieht auch rechtspraktisch kein Bedürfnis, von einer entsprechenden Feststellung zu befreien. Zwar sei nicht zu verkennen, dass es objektive Umstände gibt (namentlich hohe Verlustprognosen und lange Verlustperioden), die in besonderem Maße die Frage aufwerfen, warum der Steuerpflichtige die Tätigkeit fortgesetzt hat, wenn nicht aus persönlichen Gründen. Es erscheint dem BFH aber nur „auf den ersten Blick überflüssig, in derartigen Fällen noch über private Motive Überlegungen anstellen zu müssen, und problematisch, bei solchen Überlegungen nicht ins Spekulative abzugleiten.“ Auf den zweiten Blick fordert er aber genau das, wenn auch im Rahmen der „nicht hohen Anforderungen“.

Für interessierte Leser sei hinzugefügt: Die Urteilsbegründung spricht vielfältige andere Aspekte an, so die aus Sicht von Bilanzbuchhaltern und Controllern interessante betriebswirtschaftliche Gestaltungsfrage, ob mit dem Yachtgeschäft die im Handelsbetrieb im Sommer entstehende Liquiditätslücke gefüllt werden kann: Könnten Betriebsmittel, deren Kosten auch in ertragsschwachen Zeiten ohnehin getragen werden müssen, so wenigstens liquiditätsbringend eingesetzt werden?

 

 

 

Praxishinweise:

  • Ferner setzt sich der BFH mit einem Argument des Finanzamts auseinander, wonach zu den persönlichen Gründen auch die Absicht gehören könne, Steuern zu sparen. Die Klägerin habe die Verluste aus dem Yachtbereich, bei denen es sich um echte Verluste und nicht nur um Buchverluste handle, im Rahmen ihres seit Jahren ertragbringenden Handelsbetriebs berücksichtigt. Hierzu hat der BFH erfreulicherweise nur kurz unter Verweis auf frühere Rechtsprechung angemerkt, dass die Möglichkeit der Verrechnung mit echten Verlusten grundsätzlich für sich genommen nicht als privates Motiv angesehen wird, das zur Verneinung der Gewinnerzielungsabsicht führt.
  • Zur Thematik der Abgrenzung von Gewinnerzielungsabsicht und Liebhaberei wurde im BC-Newsletter 8/2016 über das BFH-Urteil vom 11.5.2016 (Az.: X R 61/14) berichtet, in dem ein Einzelhändler einen Strukturwandel zur Liebhaberei vollzog. Hat ein solcher Einzelhändler in dem Zeitraum, in dem er noch mit Einkunftserzielungsabsicht handelte, die Anschaffungskosten für ein Wirtschaftsgut des Umlaufvermögens als Betriebsausgaben abgesetzt, so stellt auch nach Wegfall der Einkunftserzielungsabsicht die Verwirklichung eines Realisationsakts in Bezug auf dieses Wirtschaftsgut dem Grunde nach einen Steuertatbestand dar.
  • Ferner ist das BFH-Urteil vom 11.5.2016, X R 15/15, zu beachten: Hiernach ist die Veräußerung oder Aufgabe eines Liebhabereibetriebs eine Betriebsveräußerung oder -aufgabe im Sinne von § 16 Abs. 1, 3 EStG. Der hieraus resultierende Veräußerungs- oder Aufgabegewinn ist steuerpflichtig, soweit er auf die einkommensteuerlich relevante Phase des Betriebs entfällt (siehe hier).
  • Im Ergebnis geht es also immer noch komplizierter, denn was wäre wohl hier im neuen Streitfall alles aufzuklären, wenn auch noch nach einzelnen Wirtschaftsgütern (wie im Fall X R 61/14) oder einkommensteuerlich relevanten Teilperioden (so im Fall X R 15/15) differenziert werden müsste? Wie schon im BC-Newsletter 8/2016 bleibt für das neue Jahr 2018 ff. festzuhalten: Wer sich der Liebhaberei hingibt, bettet sich zwar grundsätzlich privat und darf nicht mehr auf Steuervorteile hoffen; er kann aber nicht davon ausgehen, im Gegenzug unbehelligt von Steuerforderungen bleiben zu können. Wer seine Gewinnerzielungsabsicht in andauernden Verlustphasen nicht als Liebhaberei gewertet sehen will, benötigt gute Argumente, um eingeplante Steuerminderungen realisieren zu können.
  • Denn die Feststellungslast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Gewinn- bzw. Einkunftserzielungsabsicht, insbesondere also für nicht private Motive, trägt letztlich der Steuerpflichtige (vgl. BFH-Beschluss vom 9.7.2012, VIII B 51/11, BFH/NV 2012, 1780); und nur vorgetragene Argumente wird ein Finanzrichter berücksichtigen. Damit liegt der Ball im Sturmzentrum der Bilanzbuchhalter und Controller, die – insbesondere, wenn es der Steuerberater versäumt oder sich einen Fehlschuss geleistet haben sollte – dem Steuerpflichtigen, den sie betriebswirtschaftlich beraten oder der sie beschäftigt, entsprechende argumentative Steilvorlagen geben könnten. Gute Aussichten also für Beratungsbedarf in 2018!

 

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

BC 1/2018

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