FG München, Urteil vom 7.3.2018, 13 K 1029/16 (Revision zugelassen)
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG gelten regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, welche kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, als in diesem Kalenderjahr bezogen. Der BFH hat in seiner Rechtsprechung dabei einen Zeitraum von 10 Tagen als „kurze Zeit“ definiert. Doch kann aus Sicht des Finanzgerichts (FG) München auch ein längerer Zeitraum gerechtfertigt sein.
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Problemstellung
Ein nach der Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR) bilanzierender Steuerpflichtiger überwies den sich aus seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 2014 ergebenden Betrag am Sonntag, 4.1.2015, an das Finanzamt. Bewirkt bzw. beglichen wurde die Zahlung am 7.1.2015. Aus seiner Sicht war diese Ausgabe dem Jahr 2014 zuzurechnen.
Das Finanzamt lehnte dies mit der Begründung ab, der Fälligkeitszeitpunkt für die Umsatzsteuer-Vorauszahlung habe sich aufgrund des Wochenendes auf den Montag, 12.1.2015, verschoben. Damit liegt der Fälligkeitszeitpunkt außerhalb des 10-Tages-Zeitraums, welcher sich aus § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG in Verbindung mit der einschlägigen BFH-Rechtsprechung ergibt.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist es somit gleichgültig, ob eine Überweisung für eine Umsatzsteuervorauszahlung am 2.1., 3.1., 4.1., 5.1., 7.1. etc., also noch vor dem 10.1., bei der zuständigen Finanzkasse eingeht, sofern der 10.1. auf einen Samstag oder Sonntag fällt und somit als Fälligkeitszeitpunkt nach § 108 Abs. 3 EStG der 11.1. oder 12.1. gilt. In solchen Ausnahmefällen sind derartige Zahlungen nicht dem Vorjahr zuzurechnen. Die "10-Tages-Regel" kommt dann überhaupt nicht zur Anwendung. Dies ist verwunderlich, hat der BFH doch in seinem Urteil vom 11.11.2014 (VIII R 34/12) klargestellt, dass lediglich der Fristverlängerung keine Bedeutung zukommt. |
Lösung
Das FG München stellt klar, dass Umsatzsteuer-Vorauszahlungen zu den regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 EStG zählen. Fälligkeitszeitpunkt der Dezember-Umsatzsteuer-Vorauszahlung ist eigentlich der 10. Januar; doch verschiebt sich dieser im Jahr 2015 aufgrund des Wochenendes auf den 12.1.2015. Aus der bisherigen BFH-Rechtsprechung ergibt sich, dass es für die Zurechenbarkeit einer Zahlung zu einem anderen als dem tatsächlichen Zahlungsjahr erforderlich ist, dass die Fälligkeit der Forderung innerhalb des 10-Tages-Zeitraums nach Beendigung des Kalenderjahres eingetreten ist.
Diese Rechtsauffassung bedarf aus Sicht des FG München der Modifizierung. Es entspricht der periodengerechten Besteuerung und dem systematischen Abstellen der Besteuerung auf das Kalenderjahr, wenn die Umsatzsteuerzahlungen eines Jahres in ihrer Gesamtheit dem Wirtschaftsjahr ihrer Entstehung zugerechnet werden. Gemäß der Regelung des § 108 Abs. 3 AO endet die Frist erst am folgenden Werktag, wenn der Fälligkeitstag auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag trifft. Danach hat sich die Fälligkeit der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen im Streitfall um 2 Tage verschoben. Diese Regelung führt lediglich in einem oder in zwei von sieben Jahren zu einer Verlagerung des Fälligkeitszeitpunkts nach dem 10.1. Es ist aber nicht ersichtlich, warum diese Sonderjahre steuerlich anders behandelt werden sollten als die übrigen Jahre.
Das FG München vertritt daher die Auffassung, dass § 108 Abs. 3 AO auch auf den 10-Tages-Zeitraum Anwendung findet und der Begriff der „kurzen Zeit“ in diesen ein bis zwei Sonderjahren einen Zeitraum von bis zu 12 Tagen umfasst.
- Das Urteil des FG München widerspricht dem Leitsatz des BFH-Urteils vom 11.11.2014 (VIII R 34/12), in dem es heißt: „Eine Verlängerung des Zehn-Tage-Zeitraums kommt auch im Hinblick auf die nach § 108 Abs. 3 AO hinausgeschobene Fälligkeit von Umsatzsteuervorauszahlungen nicht in Betracht.“ Es bleibt abzuwarten, ob die Argumente des FG München den BFH zu einer Änderung seiner Rechtsauffassung bewegen können.
- Bei Überweisungen ist der Tag des Zahlungseingangs auf dem Konto der zuständigen Finanzkasse maßgebend (Betragsgutschrift/Tag der Wertstellung). Der Steuerpflichtige muss somit selbst dafür Sorge tragen, die Zahlung rechtzeitig anzuweisen.
- Das Lastschrifteinzugsverfahren ist demgegenüber vorteilhafter: Denn Verzögerungen bei der Einziehung gehen nicht zulasten des Steuerzahlers; eine Überwachung der Zahlung entfällt, die Forderung wird frühestens am Fälligkeitstag eingezogen.
- Sonderregelung für Scheckzahler: Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde als rechtzeitig geleistet. Zur Vermeidung von Säumniszuschlägen muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag dem Finanzamt vorliegen.
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Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 6/2018
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