FG Düsseldorf, Urteil vom 5.12.2017, 10 K 1232/16 E

Auf Antrag können sich im Ausland wohnende Personen der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht unterwerfen. Doch gelten für die Anwendung dieser fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht bestimmte Wesentlichkeitsgrenzen. Dabei ist nicht immer klar, welche Einkünfte bei der Ermittlung der Wesentlichkeitsgrenze zu berücksichtigen sind.
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Vorbemerkung
Gemäß § 1 Abs. 3 EStG können auf Antrag natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Einkünfte im Kalenderjahr zu mindestens 90% der deutschen Einkommensteuer unterliegen (sog. relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG (zurzeit: 9.000 €) nicht übersteigen (sog. absolute Wesentlichkeitsgrenze).
Die Prüfung der Wesentlichkeitsgrenzen erfordert ein zweistufiges Vorgehen:
- Zuerst ist die Summe der Welteinkünfte zu ermitteln.
- Im zweiten Schritt ist diese Summe der Einkünfte aufzuteilen in Einkünfte, welche der deutschen Einkommensteuer unterliegen, und Einkünfte, welche nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen.
Problemstellung
Die Klägerin, eine Physiotherapeutin mit Wohnsitz in den Niederlanden, erzielte in Deutschland Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von rund 60.000 €. Darüber hinaus erzielte sie in den Niederlanden Zinseinkünfte in Höhe von rund 1.000 €. Im Jahr 2012 erhielt sie vom niederländischen Sozialversicherungsträger ein Krankengeld in Höhe von rund 16.000 €. Das Krankengeld war in den Niederlanden steuerpflichtig. Die Klägerin beantragte, als in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden.
Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, da aus Sicht der Behörde durch das niederländische Krankengeld die relative Wesentlichkeitsgrenze der Einkünfte überschritten sei.
Der Fall ist deswegen strittig, weil das Krankengeld zwar in den Niederlanden steuerpflichtig ist, aber im Inland steuerfrei wäre. Aus Sicht der Klägerin ist es daher nicht bei der Berechnung der Wesentlichkeitsgrenze zu berücksichtigen.
Lösung
Das FG Düsseldorf folgt der Auffassung der Klägerin. Bei der Ermittlung der Welteinkünfte sind sämtliche im In- und Ausland erzielten Einkünfte nach deutschem Recht zu ermitteln. Zuflüsse, welche nicht unter die Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG fallen, bleiben dabei unberücksichtigt. Somit sind bei der Ermittlung der Wesentlichkeitsgrenzen nur die ausländischen Einkünfte zu berücksichtigen, welche bei unterstellter deutscher Besteuerung auch im Inland steuerbar wären. Ob die ausländischen Einkünfte im Ausland steuerbar sind, ist in diesem Falle ohne Belang.
Aufgrund der Steuerfreiheit im Inland ist das niederländische Krankengeld daher nicht bei der Überprüfung der Wesentlichkeitsgrenzen zu berücksichtigen. Somit wird im Ausgangsfall die relative Wesentlichkeitsgrenze nicht überschritten.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 4/2018
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