BFH-Urteil vom 15.3.2018, VI R 8/16
Stellt der verbilligte Erwerb einer GmbH-Beteiligung auch dann Arbeitslohn dar, wenn nicht der Arbeitgeber selbst, sondern einer der Gesellschafter die Anteilsveräußerung vornimmt? Und wenn ja, wie ist der geldwerte Vorteil zu bewerten?
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Problemstellung
Der Prokurist einer GmbH erwarb im Rahmen einer Umstrukturierung des Gesellschafterkreises einen Gesellschaftsanteil in Höhe von 0,99% für 27.000 DM.
Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung kam das Finanzamt zu der Überzeugung, dass der Kaufpreis nicht dem tatsächlichen Wert der Beteiligung entsprochen habe. Da der Verkäufer ein Gesellschafter der GmbH war, behandelte das Finanzamt die Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert und dem Kaufpreis als steuerpflichtigen Arbeitslohn.
Lösung
Der BFH bestätigt: Die verbilligte Überlassung des GmbH-Anteils führt zu einem Zufluss von Arbeitslohn beim Kläger. Im Ausgangsfall ist der Beteiligungserwerb durch das Dienstverhältnis veranlasst und dient dazu, den Kläger langfristig an das Unternehmen zu binden. Dabei kann Arbeitslohn auch dann vorliegen, wenn nicht der Arbeitgeber, sondern einer seiner Gesellschafter die Beteiligungsveräußerung vornimmt.
Der als Arbeitslohn zu erfassende geldwerte Vorteil liegt dabei nicht in der übertragenen Beteiligung selbst, sondern in dem gewährten Preisnachlass. Die Vermögensbeteiligung ist grundsätzlich mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ist der gemeine Wert einer Beteiligung in erster Linie aus im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten Verkaufspreisen abzuleiten.
Da im Ausgangsfall nur Verkäufe innerhalb eines bestimmten Personenkreises – leitende Angestellte und Gesellschafter – stattfanden, sind die Verkaufspreise hier mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage bestimmt. Eine Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen kommt in diesem Fall regelmäßig nicht in Betracht; stattdessen ist der gemeine Wert der Anteile zu schätzen. Kann die Schätzung nicht anhand des sog. Stuttgarter Verfahrens vorgenommen werden, hat das Finanzgericht die Wertermittlung selbst durchzuführen bzw. ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen. Dies ist im Ausgangsfall unterblieben, da das erstinstanzliche Finanzgericht die Wertermittlung einfach aus dem Betriebsprüfungsbericht übernommen hat, ohne die Grundlagen der Schätzung zu erörtern oder auf die abweichende Wertermittlung des Klägers einzugehen.
Hinzu kommt: Die Wertermittlung des Finanzamts wurde ausschließlich auf Basis der Ertragsaussichten erstellt. Das BewG verlangt daneben aber auch eine Berücksichtigung der Vermögenslage. Der BFH hebt das erstinstanzliche Urteil daher auf und überweist es zur Nachholung der Wertermittlung des GmbH-Anteils an das Finanzgericht zurück.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 7/2018
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