>BFH-Urteil vom 6.6.2018, VI R 32/16
Ein Sachbezug von bis zu 44 € pro Kalendermonat zählt nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn. Wird diese Freigrenze überschritten, ist der Sachbezug der Lohnsteuer zu unterwerfen. Umstritten ist, ob bei der Berechnung der Freigrenze auch Versandkosten mit einzubeziehen sind.
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Problemstellung
Eine GmbH gewährte ihren Mitarbeitern diverse Sachprämien wie Werkzeuge, Kosmetikartikel, Lebensmittel etc. Hierzu bediente sie sich eines Drittanbieters. Jeder bezugsberechtigte Arbeitnehmer der GmbH konnte über einen Onlinezugang monatlich aus der Angebotspalette des Drittanbieters einen Sachbezug auswählen. Die Waren wurden an die Mitarbeiter versandt. Der Drittanbieter stellte der GmbH für jeden Sachbezug einen Betrag von 43,99 € zuzüglich einer Versand- und Handlingspauschale in Höhe von 6 € in Rechnung.
Aus Sicht des Finanzamts war die Versand- und Handlingspauschale dem Wert des jeweiligen Sachbezugs hinzuzurechnen, so dass in allen Fällen die Freigrenze überschritten wurde. Das erstinstanzliche Finanzgericht (FG) folgte der Auffassung des Finanzamts.
Lösung
Der BFH gibt der Revision statt, kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG aber nicht abschließend beurteilen, ob die Freigrenze überschritten wurde. Gemäß der bisherigen BFH-Rechtsprechung ist der übliche Endpreis (im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG) der Endverbraucherpreis, also der im allgemeinen Geschäftsverkehr von Letztverbrauchern für identische bzw. gleichartige Waren tatsächlich gezahlte günstigste Einzelhandelspreis.
Dabei zählen Fracht-, Liefer- und Versandkosten nicht zum Endpreis. Vielmehr stellt die Lieferung einen gesonderten Sachbezug dar, der separat zu bewerten ist. Wird der günstigste Einzelhandelspreis des Sachbezugs am Markt im Versand- oder Onlinehandel gefunden und ist der Versand dort als eigenständige Leistung ausgewiesen, so tritt der geldwerte Vorteil aus der Lieferung bei der Berechnung der Freigrenze von 44 € zum Warenwert hinzu.
Aus Sicht des BFH legt das Geschäftsmodell des Drittanbieters aber nahe, dass der lohnsteueroptimierte Rechnungsbetrag von 44 € den üblichen Einzelhandelspreis der zugewendeten Wirtschaftsgüter gerade nicht abbildete. Somit ist zunächst der niedrigste Einzelhandelsverkaufspreis der von der GmbH an ihre Arbeitnehmer ausgekehrten Sachbezüge zu ermitteln. Da dies vom erstinstanzlichen FG unterlassen wurde, wird der Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Das Finanzgericht steht nun vor dem Problem, für eine Vielzahl von unterschiedlichen Sachbezügen den üblichen Einzelhandelspreis für die Streitjahre 2006 bis 2009 zu ermitteln. Doch wie ermittelt man z.B. den üblichen Einzelhandelspreis eines bestimmten Lippenstifts vor 12 Jahren? Zwar weist der BFH in seinem Urteil darauf hin, dass der übliche Einzelhandelspreis auch im Wege einer Schätzung errechnet werden kann; doch kann dies sicherlich zu neuen Kontroversen führen. |
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 9/2018
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