Häufig haftet den Steuergesetzen ein verstaubt-langweiliges und lebensfernes Image an. Steuererklärungen sind für die meisten eine lästige jährliche Pflichtübung. Bei genauerem Hinsehen lässt sich aber erkennen, dass Steuergesetzgebung und Finanzgerichtsrechtsprechung einen Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse und Debatten darstellen. Und manchmal dienen sie sogar zur Durchsetzung ideologischer Interessen, wie das mahnende Beispiel des § 1 Steueranpassungsgesetz vom 16.10.1934 („Die Steuergesetze sind nach nationalsozialistischer Weltanschauung auszulegen.“) zeigt.
Dieselskandal
FG Hamburg, Urteil vom 14.11.2018, 4 K 86/18
Der Dieselskandal – ausgelöst durch die technische Manipulation der Abgasmessungen – hat nicht nur zu Strafverfolgung und Bußgeldern in Milliardenhöhe geführt, sondern auch das Vertrauen in die deutsche Industrie nachhaltig beschädigt. Privatpersonen mussten einen deutlichen Wertverlust ihrer Dieselfahrzeuge verkraften. Die drohenden bzw. verhängten Fahrverbote in deutschen Innenstädten senken den Wert älterer Dieselfahrzeuge weiter. Doch schlägt sich diese Wertminderung auch in der Kfz-Steuer nieder? Mit dieser Frage hat sich das FG Hamburg befasst.
Der Kläger argumentierte, die Steuer werde für die Benutzung von Straßen erhoben. Sein Kraftfahrzeug werde als Diesel unabhängig vom Schadstoffausstoß besteuert. Da seit dem Jahr 2018 einzelne Städte und Gemeinden die Straßennutzung für sein Fahrzeug einschränken, werde er durch die Besteuerung unrechtmäßig ungleich behandelt.
In seinem Urteil stellt das FG Hamburg jedoch klar, dass das geltende Kraftfahrzeugsteuergesetz eine Reduzierung bzw. Aufhebung der Kraftfahrzeugsteuer nicht vorsieht. An diese gesetzgeberische Entscheidung sind sowohl die Steuerbehörde als auch das erkennende Gericht gebunden.
MeToo
FG Münster, Urteil vom 20.11.2018, 15 K 655/16 E
Die seit Oktober 2017 nach und nach an die Öffentlichkeit gebrachten Verfehlungen des amerikanischen Medienmoguls Harvey Weinstein haben die weltweite „#MeToo“-Debatte ausgelöst, in deren Rahmen sich immer mehr Frauen trauten, über ihre häufig traumatischen Erfahrungen zu berichten. Gleichzeitig hat auch in vielen Unternehmen eine Sensibilisierung für die Thematik eingesetzt. In Zeiten von Twitter, Facebook & Co. hat die Debatte indes auch des Öfteren zu einer „Schuldig bei Verdacht“-Haltung in der Öffentlichkeit geführt. Strafrechtlich relevant bleibt jedoch der Grundsatz der Unschuldsvermutung – in dubio pro reo (deutsch: „Im Zweifel für den Angeklagten“). Wird ein Arbeitnehmer der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz beschuldigt und angeklagt, entstehen ihm für die Strafverteidigung Anwaltskosten. Doch sind diese Kosten nach einem erfolgten Freispruch steuerlich als Werbungskosten abziehbar? Mit dieser Frage musste sich das FG Münster auseinandersetzen.
Der Kläger führt an, dass die Strafverteidigungskosten der Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit dienten. Eine Fortführung seiner Anstellung sowie die Bewerbung bei einem anderen Arbeitgeber seien nur bei Entlastung vom strafrechtlichen Vorwurf möglich. Außerdem hätten sich die ihm vorgeworfenen Übergriffe eindeutig und ausschließlich im Rahmen der beruflichen Tätigkeit bewegt.
In seiner Urteilsbegründung verweist das FG Münster aber auf die gängige BFH-Rechtsprechung. Danach sind Strafverteidigungskosten nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn der strafrechtliche Vorwurf durch das berufliche Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst war. Da die von den Anzeigeerstatterinnen behaupteten fraglichen Handlungen unzweifelhaft nicht zu den beruflichen Pflichten des Angeklagten gehören, liegt kein beruflicher Veranlassungszusammenhang vor. Das Gericht stellt klar, dass sexuelle Übergriffe niemals zu den beruflichen Pflichten zählen können; entsprechende Strafverteidigungskosten stellen daher grundsätzlich keine Werbungskosten dar.
Herrenabende
FG Düsseldorf, Urteil vom 31.7.2018, 10 K 3355/16 F, U
Im Kontext der aktuellen „#MeToo“-Debatte wirkt der Begriff „Herrenabend“ schon fast antiquiert bzw. überholt. Doch hat eine Anwaltskanzlei einen solchen veranstaltet und dazu ausschließlich männliche Mandanten, Geschäftsfreunde sowie Persönlichkeiten aus Verwaltung, Politik, öffentlichem Leben und Vereinen eingeladen.
Im ersten Rechtsgang hatte das FG Düsseldorf den Betriebsausgabenabzug für die Veranstaltung mit Hinweis auf das Abzugsverbot für Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segel- oder Motorjachten und ähnliche Zwecke abgelehnt.
Die Revision war erfolgreich. Der BFH stellte fest, das vom Finanzgericht angenommene Abzugsverbot könne nur zur Anwendung kommen, wenn den Gästen ein besonderes qualitatives Ambiente oder ein besonderes Unterhaltungsprogramm geboten werde. Da das Finanzgericht hierzu keine Angaben gemacht hat, wurde das Urteil an das FG Düsseldorf zurückverwiesen.
Im zweiten Durchgang kommt das Gericht nun zu dem Urteil, dass die Aufwendungen für den Herrenabend gemischt veranlasst sind, weil sowohl Gäste aus dem privaten wie auch aus dem beruflichen Umfeld der Partner der Anwaltskanzlei teilgenommen hatten. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Finanzverwaltung hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Weiterhin …
Auch mit folgenden kuriosen wie aktuellen Themen haben sich deutsche Finanzgerichte im Jahr 2018 u.a. beschäftigt:
- altersbedingtes Nachlassen der Fertilität bzw. Fruchtbarkeit (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.10.2018, 9 K 11390/16),
- zolltarifliche Einreihung von Instantnudelsuppen (FG Hamburg, Urteil vom 10.4.2018, 4 V 194/16) und
- Herstellung von Bier ohne Erlaubnis (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.3.2018, 11 K 1344/17).
Ganz zu schweigen von den diversen Urteilen zu Luxussportwagen als Firmenwagen.
Feiern, Sportwagen, Fortpflanzung, Alkohol – sage da noch jemand, Steuerrecht wäre langweilig und lebensfern. Mal schauen, was das Jahr 2019 bringen wird.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 1/2019
becklink413004