Dr. Hans-Jürgen Hillmer
OFD Niedersachsen, Verfügung vom 31.5.2017, S 7222-27-St 184
Steuersatzunterschiede sind sehr oft Grund für schwierige Abgrenzungsfragen; sie reichen offenbar bisweilen bis hin zur Kaffeesatzleserei: Die Lieferung von Kaffeebohnen und -pulver unterliegt dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. laufender Nr. 12 der Anlage 2 zum UStG, während auf die Lieferung von zubereitetem Kaffee der Regelsteuersatz anzuwenden ist.
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Problemstellung
Die Überlassung von Kaffeeautomaten im Zusammenhang mit der Lieferung von Kaffeebohnen und -pulver ist eigentlich ein alltäglicher Vorgang. Dass aber nicht immer auch klar ist, was auf den ersten Blick klar scheint, gab der OFD Niedersachsen Anlass, mit der oben genannten Verfügung vom 31.5.2017 unter Verwendung eines konkreten Sachverhalts die sich stellenden Abgrenzungsfragen ausführlich zu behandeln.
Im zur besseren Verständlichkeit angenommenen Sachverhalt beliefert ein Unternehmer seine Kunden (z.B. Kantinenbetreiber oder Restaurantbesitzer oder Hoteliers) mit Kaffeebohnen oder -pulver. Zeitgleich stellt er seinen Kunden Kaffeeautomaten (z.B. Kaffeevollautomaten) einschließlich Wartung unentgeltlich zur Verfügung. Die Kunden sind verpflichtet, den Kaffee ausschließlich beim Unternehmer zu erwerben. Die Kosten für die Kaffeeautomaten wurden bei der Preiskalkulation für die Kaffeelieferung berücksichtigt. Erst der Endnutzer (Kantinenbesucher) erhält fertig zubereiteten Kaffee auf Knopfdruck.
Lösung
In diesem Fall ist die Überlassung der Kaffeeautomaten – der OFD zufolge – nach den Grundsätzen in Abschn. 3.10 Abs. 5 UStAE eine selbstständige Nebenleistung zur steuerbegünstigten Lieferung der Kaffeebohnen bzw. des Kaffeepulvers. Denn der Kaffeeautomat erfülle für den Kantinenbetreiber einen eigenen Zweck, da das verzehrfertige Getränk erst durch den Kaffeeautomaten hergestellt wird; ohne den Kaffeeautomaten sind keine Getränkeumsätze zu erzielen. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Denn das war bekanntlich auch schon zu vormaschinellen Zeiten des Prütt-Kaffees so, der ebenfalls nicht ohne Vorrichtung im luftleeren Raum aufgebrüht werden konnte. Aber die Sache ist ja noch viel komplizierter:
(1) Keine Zusammenfassung von Leistungen
Auch eine vereinfachende Zusammenfassung lässt die OFD nicht gelten und bemüht den durchschnittlichen deutschen Kaffeetrinker:
„Die Überlassung von Kaffeeautomaten und die Lieferung der Kaffeebohnen und/oder des -pulvers sind grundsätzlich nicht zu einer einheitlichen Leistung eigener Art zusammenzufassen. Aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers sind beide Leistungen nicht so eng aufeinander abgestimmt, dass sie ihre Selbstständigkeit verlieren und zu etwas Neuem zusammenwachsen (vgl. Abschn. 3.10 Abs. 2 ff. UStAE).“
(2) Entgeltaufteilung
Deshalb werden somit also zwei Leistungen erbracht – aber es wird ja nur ein Gesamtentgelt vereinnahmt. Dieses vereinbarte Entgelt ist folglich entsprechend den Grundsätzen in Abschn. 10.1 Abs. 11 UStAE nach der einfachstmöglichen Methode aufzuteilen. Hierbei unterliegt die Überlassung der Kaffeeautomaten dem allgemeinen Steuersatz, während für die Lieferung der Kaffeebohnen und des Kaffeepulvers der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist.
(3) Ausnahme (?) bei Heiß-Getränkeautomaten
Während unter (1) und (2) noch der Fall zu dominieren scheint, dass auch kalter Kaffee serviert wird, gehen die OFD-Experten bei dem Betrieb von (Heiß-)Getränkeautomaten aufgrund besonderer Sachverhaltsgestaltung davon aus, dass eine komplexe unteilbare, insgesamt dem allgemeinen Steuersatz unterliegende einheitliche Leistung anzunehmen ist. Dies könne der Fall sein, wenn im Rahmen der Gesamtbetrachtung die Überlassung des Automaten und z.B. des Kaffeepulvers so eng miteinander verbunden sind, dass sie für den Kunden objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden.
(4) Kriterien
Damit hier keine Zweifel und zu weite Auslegungsspielräume auftreten, liefert die OFD die Kriterien für einen „einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang“ gleich mit:
- Die Überlassung des Kaffeepulvers erfolgt in einer für den Automaten kompatiblen Form, d.h., das Kaffeepulver wird in eigenentwickelten sog. Systembechern (Cups), bei denen sich lose vorportioniertes Kaffeepulver in Einwegbechern befindet, bereitgestellt. Der Automat kann ausschließlich mit diesen Bechern des Unternehmers betrieben werden. Die Überlassung des Kaffeepulvers erfolgt nur an Personen, die über einen vom Unternehmer zur Verfügung gestellten Automaten verfügen.
- Der vom Kunden (z.B. Kantinenbetreiber) an den Unternehmer zu entrichtende Preis ist abhängig von der Anzahl der Getränke, die die Endnutzer (Kantinenbesucher) an dem Automaten erwerben. Je mehr Getränke am Automaten umgesetzt werden, desto geringer ist der vom Kunden zu entrichtende Preis für das Kaffeepulver je Portion.
- Dem Kunden steht der Kasseninhalt zu. Er bestimmt auch den vom Endnutzer am Automaten zu entrichtenden Preis und ist dabei an keine Vorgaben des Unternehmers gebunden.
- Der Kunde erlangt durch die einheitliche Leistung eine Infrastruktur, die es ihm ermöglicht, Getränke an seine Endnutzer zu liefern. Er wünscht gerade die Verbindung der Leistungselemente, die technisch aufeinander abgestimmt sind. Auch die Art und Weise der Preisgestaltung zeigt, dass beide Elemente wirtschaftlich unteilbar miteinander verbunden sind.
- Hinsichtlich der mit der Sache befassten OFD-Experten ist nicht bekannt, ob sie vielleicht aus dem niedersächsischen Ostfriesland stammen und deshalb als Tee-Trinker sonst eher Abstand zu Kaffeeautomaten halten.
- Bei der hinsichtlich der Abgrenzungskriterien dennoch im Detail bemühten Sachkunde, die hier wörtlich übernommen wurde, dürfte nun eigentlich keine Frage mehr offen sein, auch die nicht, warum nach vielfach zu hörenden Erfahrungssätzen mehr als 75% (manche sprechen auch von 90%) der Welt-Steuerfachliteratur in Deutschland zu Papier gebracht oder Online „verzapft“ werden.
- Ob für Kaffeeautomaten in Oktoberfestzelten vielleicht noch Ausnahmen gelten könnten, wenn Brezelverkäufer – wie in einem Fall des FG München – ins Spiel kommen, bleibt abzuwarten. Denn mit Blick auf den anzuwendenden Steuersatz für Backwaren hat das Finanzgericht München unlängst im Urteil vom 22.2.2017 entschieden, dass der Verkauf von Brezeln in Bierzelten auf dem Oktoberfest nicht ermäßigt besteuert wird. Neben dem Recht zum Verkauf in bestimmen Festzelten hatte sich ein Brezelverkäufer die Nutzungsmöglichkeit der von Festwirten bereitgehaltenen Zeltinfrastruktur gegen Entgelt einräumen lassen. Damit, so urteilte das FG, sind ihm neben dem Backwarenverkauf zusätzliche Serviceleistungen – wie die Zurverfügungstellung von Biertischgarnituren, das Tragen der Brezen an die Biertische, die Stimmungsmusik und der besondere eventähnliche Charakter in den Zelten – zuzurechnen. Insgesamt handelt es sich somit nicht um steuerermäßigte Speiselieferungen, sondern um regelbesteuerte Restaurantdienstleistungen (FG München, Urteil vom 22.2.2017, 3-K-2670/14, Revision zugelassen; mehr zu diesem FG-Fall demnächst in einem Beitrag von Wolf, Cyrilla in SRTour 07/2017 vom 15.7.2017).
- Brezelverkäufer bzw. (münchnerisch) Brezenläufer sitzen also steuertechnisch in einem Boot mit Sterne-Köchen. Ob das gutgehen kann, wird demnächst der BFH zu entscheiden haben.
- Buchhaltungsexperten mögen sich allerdings trösten; denn die Notwendigkeit zur Lösung derlei diffiziler Einzelfragen (gegebenenfalls mit Aufteilungsberechnungen [siehe oben] hinsichtlich der vereinnahmten Entgelte) dürfte vor im Zuge der Digitalisierung anstehenden Arbeitsplatzbedrohungen schützen.
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Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld
BC 7/2017
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