BFH-Urteil vom 29.8.2018, XI R 32/16 (NV)
Aufwendungen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit Provisionsvorschüssen stehen, sind nicht zu aktivieren, wenn kein Wirtschaftsgut entstanden ist.
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Problemstellung
Eine GmbH vermittelte in den Jahren 2003 bis 2005 (Streitjahre) Rückdeckungsversicherungen im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge der X sowie – ab 2004 – der Versicherung Y.
Die GmbH aktivierte in den jeweils auf den 31. Dezember erstellten Jahresabschlüssen die aus der Vermittlung von Versicherungsverträgen erzielten Umsatzerlöse von X und Y. Zugleich wurden für die aus ihrer Sicht stornobehafteten Anteile der von X und Y geleisteten Vermittlungsprovisionen Rückstellungen gebildet.
Nach Auffassung des Finanzamts sei keine erhöhte Stornogefahr ersichtlich bzw. hinreichend nachgewiesen. Insgesamt sei eine Rückstellung lediglich in Höhe eines Betrags von 10% der stornobehafteten Beträge gerechtfertigt.
Die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Vermittlung von Versicherungen könnten als Einzelkosten dem jeweils vermittelten Vertrag zugerechnet werden und seien als unfertige Leistungen (im Sinne von § 266 Abs. 2 B.I.2. HGB) zu aktivieren. Da sich der zu aktivierende Aufwand auf bereits abgeschlossene Verträge beziehe, handle es sich ebenso wenig um reine Gewinnaussichten, sondern um eine ausreichende Verfestigung der Vertragsbeziehungen, die die Aufwandsneutralisierung im Rahmen des schwebenden Geschäfts rechtfertige.
Das Finanzgericht (FG) ist mit Blick auf die von Y bezogenen Umsatzerlöse von einer sofortigen Gewinnrealisierung ausgegangen. Dem hatte die GmbH nicht widersprochen. Für die von X bezogenen Vergütungen hat das FG angenommen, dass mit der GmbH ratierlich entstehende Provisionsansprüche vereinbart worden seien. Eine erfolgswirksame Aktivierung dieser aufschiebend bedingten Provisionsteilbeträge, die X vorschüssig geleistet habe, scheide aus; sie seien als erhaltene Anzahlungen zu passivieren.
Lösung
Mit den von der GmbH vereinnahmten Vermittlungsprovisionen der X wurden im Umfang der stornobehafteten Beträge keine Gewinne realisiert. Diese Beträge sind als Provisionsvorschüsse zu werten und als „erhaltene Anzahlungen“ (nach § 266 Abs. 3 C.3. HGB) zu passivieren.
Soweit indes bezüglich der erhaltenen Provisionen noch keine Gewinnrealisierung eingetreten ist, können die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungennicht als „unfertige Leistungen“ (im Sinne von § 266 Abs. 2 B.I.2. HGB) aktiviert werden. Die Aktivierung von Aufwendungen – von Rechnungsabgrenzungsposten abgesehen – setzt grundsätzlich das Vorliegen eines Wirtschaftsguts voraus; die Aufwendungen müssen also zum Erwerb eines Wirtschaftsguts (durch Anschaffung oder Herstellung) geführt haben. Auch der Bilanzposten „unfertige Leistungen“ (im Sinne von § 266 Abs. 2 B.I.2. HGB) setzt die Wirtschaftsguteigenschaft voraus. Der Bilanzposten „unfertige Leistungen“ dient nicht vorrangig der Aufwandsstornierung im Rahmen der Erstellung von Dienstleistungen. Denn es sind nicht Aufwendungen zu aktivieren, sondern lediglich das durch die A ufwendungen erlangte (unfertige) Wirtschaftsgut.
Löhne und Gehälter, Sofortabschreibung GWG, Fahrzeugkosten, Werbe- und Reisekosten, verschiedene betriebliche Kosten sind laufende Ausgaben, die ihrer Natur nach regelmäßig wiederkehren und sich auch in ihrer Höhe, wenn auch mit gewissen Schwankungen, im Wesentlichen gleichmäßig entwickeln. Ihre Auswirkungen auf einen möglicherweise aktivierungsfähigen Vorteil sind nicht hinreichend objektivierbar. Sie lassen sich weder den einzelnen Vermittlungsleistungen zuordnen, noch sind sie selbstständig bewertungsfähig. Laufende Betriebsausgaben, die sich aber – wie im vorliegenden Streitfall – nicht eindeutig bestimmten Vermittlungen zurechnen lassen und sich nicht von den laufenden Aufwendungen abheben, sind nicht geeignet, ein selbstständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut zu begründen. Zudem sind Aufwendungen nur dann aktivierungsfähig, wenn sie – anders als die betreffenden Aufwendungen im Streitfall – unmittelbar mit den einzelnen Geschäften zusammenhängen, von einigem Gewicht sind und sich einem bestimmten Auftrag eindeutig zurechnen lassen. |
Hinsichtlich der Provisionen der Y hat das FG zu Recht entschieden, dass mit der Auszahlung von einer unmittelbaren Gewinnrealisierung in Höhe der von der GmbH verbuchten Umsatzerlöse auszugehen ist; auch Teile dieser Provisionen sind nach Lage der Dinge nicht stornobehaftet.
Für die stornobehafteten Teile der vereinnahmten Vermittlungsprovisionen der X dürfen keine Rückstellungen gebildet werden – auch nicht in Höhe des vom Finanzamt belassenen Pauschalbetrags von 10% der stornobehafteten Beträge. Die gebildeten Rückstellungen sind gewinnerhöhend aufzulösen.
Solange der Provisionsanspruch beispielsweise eines Handelsvertreters noch unter der aufschiebenden Bedingung der Ausführung des Geschäfts steht, ist er mithin stornobehaftet. Denn bei Nichtausführung bzw. unzureichender Ausführung der Vermittlungstätigkeit besteht die Verpflichtung, vorab gezahlte Provisionen zurückzuzahlen. Es liegen insoweit Provisionsvorschüsse (Vorleistungen) im Rahmen eines schwebenden Geschäfts vor. Der Provisionsanspruch darf daher nicht aktiviert werden. Stattdessen sind die Provisionsvorschüsse beim Empfänger als „erhaltene Anzahlungen“ (nach § 266 Abs. 3 C.3. HGB) zu passivieren. Für gewöhnlich entstehen in der Unternehmenspraxis Provisionsansprüche eines Handelsvertreters bereits mit Abschluss des Geschäfts (erfolgreiche Vermittlungstätigkeit) und nicht erst mit dessen Erfüllung (§ 87 HGB), während die Abrechnungspflicht durch das Unternehmen periodisch besteht. Für die am Bilanzstichtag noch nicht abgerechneten Provisionszahlungen ist wie folgt vorzugehen: - Der Provisionsberechtigte (Handelsvertreter) hat den offenen Betrag als „Forderung an Provisionserlöse/USt” zu buchen. Der Leistende hat demnach eine Forderung zu aktivieren, wenn er seine Leistung erbracht hat.
- Der Provisionsverpflichtete (beauftragendes Unternehmen) hat hierüber eine Rückstellung zu bilden („Provisionsaufwand an Rückstellungen”).
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[Anm. d. Red.]
BC 3/2019
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