Dr. Hans-Jürgen Hillmer
FG Münster, Urteil vom 10.7.2019, 7 K 2862/17 E (Revision eingelegt, Az. BFH: VIII R 24/19)
Die für die Inanspruchnahme des sog. Investitionsabzugsbetrags (früher Ansparabschreibung) gemäß § 7g EStG erforderliche fast ausschließliche betriebliche Nutzung eines Pkw kann nicht durch nachträglich erstellte Unterlagen nachgewiesen werden.
Praxis-Info!
Hintergrund
Selbstständig tätige Steuerpflichtige (auch Freiberufler im Rahmen einer Einnahmen-Überschussrechnung) können gemäß § 7g Abs. 1 S. 1 EStG in der für die Streitjahre gültigen Fassung für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens bis zu 40% der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen (Investitionsabzugsbetrag = IAB). Im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung ist der IAB gewinnerhöhend hinzuzurechnen (§ 7g Abs. 2 EStG); geschieht dies nicht bis zum Ende des dritten auf das Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden Wirtschaftsjahres, ist der Abzug rückgängig zu machen (§ 7g Abs. 3 EStG).
Erfolgt eine Anschaffung oder Herstellung innerhalb der Dreijahresfrist, ist der IAB nach § 7g Abs. 4 S. 1 rückgängig zu machen, wenn das Wirtschaftsgut nicht bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird.
Im entschiedenen Sachverhalt, der auf selbstständig tätige Bilanzbuchalter und andere Berufsgruppen übertragbar ist, hatte ein Rechtsanwalt für die geplante Anschaffung von Pkws in den Streitjahren 2009 und 2013 solche IAB nach § 7g Abs. 1 EStG gebildet und dann entsprechend innerhalb der Reinvestitionsfristen jeweils Pkws angeschafft. Da er keine Fahrtenbücher führte, ermittelte er die Privatnutzung nach der 1%-Bruttolistenpreismethode.
Aus diesem Grund ging das Finanzamt nicht von einer fast ausschließlich betrieblichen Nutzung der Fahrzeuge (90%) aus und versagte die Anerkennung der IAB. Daraufhin wurden vom Rechtsanwalt zum Nachweis der betrieblichen Fahrten für die Zeiträume ab Anschaffung der Fahrzeuge bis zum Schluss des jeweiligen Folgejahres Aufstellungen seiner betrieblichen Fahrten eingereicht, die eine Mitarbeiterin anhand der Terminkalender nachträglich erstellt hatte. Die gesamten Laufleistungen der Fahrzeuge errechnete er anhand von Händler- bzw. Werkstattrechnungen sowie einem Foto des Tachostands. Hiernach ergaben sich rechnerisch betriebliche Anteile von (knapp) über 90%. Ferner gab er an, es hätten für Privatfahrten weitere Fahrzeuge zur Verfügung gestanden.
Lösung
Das Finanzgericht (FG) Münster hat in seinem Urteil vom 10.7.2019 diese Vorgehensweise im Wege nachträglich erstellter schriftlicher Auflistungen nicht anerkannt und entschieden, dass der Kläger eine fast ausschließlich betriebliche Nutzung der Fahrzeuge nicht nachgewiesen habe. Die eingereichten Aufstellungen genügten nicht den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch. Selbst wenn man der Auffassung folge, dass dieser Nachweis auch durch andere Unterlagen erbracht werden könne, sei dieser nicht gelungen.
Der Kläger habe bereits die Gesamtfahrleistungen für die maßgeblichen Zeiträume nicht nachgewiesen. Angesichts der nach den eigenen Berechnungen des Klägers nur geringfügigen Unterschreitung der 10%-Grenze seien strenge Maßstäbe an den Nachweis anzulegen. Aus den eingereichten Auflistungen ergebe sich nicht zwingend der Umfang der betrieblichen Fahrten des Klägers. Da seine Mitarbeiterin diese nachträglich anhand der Terminkalender erstellt habe, sei nicht sichergestellt, dass der Kläger für alle im Kalender enthaltenen Termine den jeweils fraglichen Pkw, ein anderes Fahrzeug oder öffentliche Verkehrsmittel genutzt habe. Schließlich könne der Umstand, dass weitere Fahrzeuge für Privatfahrten zur Verfügung gestanden hätten, lediglich den für die Privatnutzung eines Fahrzeugs bestehenden Anscheinsbeweis erschüttern, nicht aber einen Nachweis für den Umfang betrieblicher Fahrten ersetzen.
- Das Finanzamt hatte die Auffassung vertreten, dass bei Anwendung der sog. 1%-Bruttolistenpreisregelung grundsätzlich von einem schädlichen Nutzungsumfang auszugehen sei. Nach der Lebenserfahrung betrage in diesem Fall die Privatnutzung etwa 20%. Der Gegenbeweis könne nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erbracht werden. Selbst wenn der Kläger Aufstellungen für sämtliche Zeiträume vorgelegt hätte, wären damit die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht erfüllt.
- Das FG bezieht sich in seiner Entscheidung (der vollständige Urteilstext ist unter https://www.justiz.nrw.de/nrwe/fgs/muenster/j2019/7_K_2862_17_E_Urteil_20190710.html einsehbar. Eine Zusammenfassung hat das FG Münster mit der Pressemitteilung Nr. 14 vom 15.8.2019 veröffentlicht) auf die einschlägige BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 16.11.2005, VI R 64/04, BStBl. II 2006, 410): Hiernach erfüllen mit Computerprogrammen erstellte Auflistungen der betrieblichen Fahrten, die nachträglich eingereicht werden, nicht die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch. Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss zeitnah und in geschlossener Form geführt werden und die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergeben (BFH-Urteil vom 9.11.2005, VI R 27/05, BStBl. II 2006, 408).
- Die Tatsache, dass im Streitfall weitere Fahrzeuge für Privatfahrten zur Verfügung standen, wurde ebenfalls als nicht geeignet angesehen, eine fast ausschließliche betriebliche Nutzung nachzuweisen. Interessanterweise stellen die Münsteraner Richter dabei auch darauf ab, dass diese zusätzlichen Pkws dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar sein sollen (BFH-Urteil vom 4.12.2012, VIII R 42/09, BStBl. II 2013, 365). Das sei im Streitfall nicht der Fall: Der Rechtsanwalt fuhr einen Audi Q5, seine Frau einen BMW Z4, also „einen Sportwagen mit lediglich zwei Sitzen, der für größere Einkäufe oder längere Urlaubsfahrten nicht geeignet ist“. Allerdings wollten sich die Richter dann doch nicht im Detail daran abarbeiten, ob ein BMW Z4 mit einem Audi Q5 in Status und Gebrauchswert vergleichbar ist. Denn das könne dahinstehen, zumal die Erschütterung des Anscheinsbeweises für jeden Haushaltsangehörigen, der im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, das Vorhandensein eines in Status und Gebrauchswert vergleichbaren Fahrzeugs erfordere (vgl. hierzu die vorherige Entscheidung des FG Münster im Urteil vom 21.6.2017, 7 K 3919/14 E).
- Der Rechtsanwalt gab dennoch nicht auf; denn das Verfahren ist nun beim BFH unter dem Az. VIII R 24/19 anhängig. Mit vergleichbaren Konstellationen befassten Bilanzbuchhaltern kann nicht geraten werden, auf einen Meinungsumschwung beim BFH zu hoffen. Der Rat lautet eher, bei der Inanspruchnahme der Ansparabschreibung – einem durchaus attraktiven Gestaltungsinstrument mit allerdings eng gesetzten Grenzen z.B. auch hinsichtlich des Höchstverdienstes – von vornherein die Mühen der Führung eines Fahrtenbuchs auf sich zu nehmen. Wer hier zweifellos bestehende Dokumentationsaufwendungen scheut, um die schematische 1%-Bruttolistenpreisregelung anwenden zu können, dürfte jedenfalls mit halbherzig durch Mitarbeiter erstellten Auflistungen nicht zum Ziel kommen. Sprichwörtlich wird der Faule erst abends fleißig – das nützt dann aber auch nichts, wenn eigentlich klare Vorgaben offenbar im Halbdunkel bleiben und die Einreichung lückenhafter Auflistungen die Folge ist. Die Zeit sollte man dann doch vielleicht lieber auf erfrischende und erhellende Fahrten im Cabrio verwenden – das muss ja kein BMW Z4 sein, sondern z.B. auch ein Audi A5, dem die mangelnde Eignung für Einkaufsfahrten nicht vorgeworfen werden könnte und bei dem dann Zweifel hinsichtlich Status und Gebrauchswert nicht aufkommen würden.
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Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld
BC 9/2019
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