FG Münster, Urteil vom 20.8.2019, 12 K 2903/15 G, F (Revision zugelassen)
Steuerliche Außenprüfungen betreffen in der Regel länger zurückliegende Steuerjahre. Dies wirft die Frage auf, zu welchem Zeitpunkt Beanstandungen zu erfassen sind – im Jahr ihrer Entstehung oder im Jahr der „Aufdeckung“. Der geplagte Steuerpflichtige mag geneigt sein, hier dem Schweizer Autor Bernhard Steiner beizupflichten: „Der richtige Zeitpunkt kommt nie.“
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Problemstellung
Im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Außenprüfung wurde der Vorsteuerabzug für diverse Eingangsrechnungen versagt, da sie Teil eines Umsatzsteuerkarussells waren. Unstrittig war hierdurch eine Rückstellung für Steuernachforderungen (inklusive der Nachzahlungszinsen) zu bilden.
Aus Sicht des Finanzamts konnte die Rückstellung erst im Jahr der Aufdeckung – also zum Zeitpunkt der Außenprüfung – gewinnmindernd berücksichtigt werden. Die Klägerin vertrat dagegen die Auffassung, eine Passivierung der Rückstellung sei in den Jahren der wirtschaftlichen Verursachung zulässig.
Lösung
Auch das FG Münster kommt zu dem Schluss, dass eine gewinnmindernde Berücksichtigung in früheren Veranlagungszeiträumen nicht möglich ist.
- Nicht anerkannte Vorsteuerbeträge: Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfen Rückstellungen wegen öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen erst gebildet werden, wenn der Steuerpflichtige von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis hat. Es reicht nicht aus, dass nach allgemeiner Erfahrung im Anschluss an steuerliche Außenprüfungen häufig mit der Festsetzung von Mehrsteuern zu rechnen ist. Erst mit den vom Betriebsprüfer vorgenommenen Maßnahmen erlangte die Klägerin hinreichende Erkenntnisse für die steuerliche Behandlung der umstrittenen Vorsteuerbeträge. Zum Zeitpunkt der Außenprüfung war der Wertaufhellungszeitraum – ein Jahr nach dem Bilanzstichtag – für die betroffenen Steuerjahre bereits abgelaufen. Insofern kann die Rückstellung nur im Jahr der steuerlichen Außenprüfung passiviert werden.
- Nachzahlungszinsen: Rückstellungen für Nachzahlungszinsen können grundsätzlich nicht in dem sie betreffenden Veranlagungszeitraum erfasst werden. Die Entstehung und die Höhe der Nachzahlungszinsen hängen hinsichtlich Zeitpunkt und Inhalt von den künftigen Steuerfestsetzungen ab. Eine wesentliche Voraussetzung von Nachzahlungszinsen ist der Ablauf eines Zeitraums zwischen dem Zeitpunkt der Steuerentstehung und dem Zeitpunkt der Fälligkeit der durch die Steuerfestsetzung konkretisierten Steuerschuld. Dieser Zeitraum muss notwendigerweise nach dem Bilanzstichtag des Wirtschaftsjahres, in dem die Steuer entstanden ist, liegen. Eine Verursachung im Wirtschaftsjahr liegt nicht vor. Somit kann auch eine gewinnmindernde Rückstellung in dem jeweiligen Wirtschaftsjahr nicht gebildet werden.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 11/2019
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