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Welchen Einfluss hat die Zahlungsunfähigkeit auf die Zuflussfiktion von Mietzahlungen einer GmbH und ihren beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer?

Christian Thurow

FG Münster, Urteil vom 4.9.2019, 4 K 1538/16 E,G (Revision zugelassen)

 

Laut BFH-Rechtsprechung findet der Zufluss von vertraglich geschuldeten Zahlungen an beherrschende Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft bereits zum Zeitpunkt der Fälligkeit statt. Ob eine tatsächliche Zahlung zu diesem Zeitpunkt stattfindet, ist unerheblich. Doch ändert sich dies, wenn die Gesellschaft durch die Zahlung in die Zahlungsunfähigkeit geraten würde?


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger ist beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Er schloss mit der GmbH einen Mietvertrag über die Überlassung von Anlagevermögen ab. Der Mietvertrag sah monatliche Mietzahlungen vor. Aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten zahlte die GmbH die Mieten von März bis Dezember 2010 nicht aus. Der Gesellschafter erfasste aufgrund dessen in seiner Einkommensteuererklärung keine Mieteinnahmen. Im März 2011 vereinbarten Kläger und GmbH einen Forderungsverzicht mit Besserungsschein. Ab Mai 2011 geriet die GmbH wiederum mit ihren Mietzahlungen in Rückstand. Alle anderen Zahlungen – einschließlich des Gehalts des Klägers – wurden vereinbarungsgemäß bedient.

Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass die vertraglichen Mietzahlungen im Fälligkeitszeitpunkt beim Gesellschafter als Mieteinnahmen zu erfassen sind. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass eine Auszahlung wegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht zulässig gewesen wäre. Daher liege hier eine Ausnahme von der Zuflussfiktion bei Zahlungen an den beherrschenden Gesellschafter vor.

 

 

Lösung

Das FG Münster gibt dem Kläger nur teilweise recht. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen als Barauszahlung oder Bankkontogutschrift zugeflossen sind. Entscheidend ist der tatsächliche Zufluss. Eine Ausnahme besteht bei Zahlungen einer Kapitalgesellschaft an ihren herrschenden Gesellschafter. Hier besteht eine Fiktion (Annahme) des Zuflusses im Zeitpunkt der Fälligkeit. Dies liegt darin begründet, dass es der beherrschende Gesellschafter selbst in der Hand hat, solche Beträge stehen oder sich auszahlen zu lassen.

Eine Ausnahme von dieser Zahlungsfiktion liegt bei einer Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft vor. Fraglich ist allerdings, was der Maßstab für die Zahlungsunfähigkeit ist. Die BFH-Rechtsprechung zu diesem Thema lässt sich so auslegen, dass von einer Illiquidität in der Regel erst dann ausgegangen werden könne, wenn ein Konkurs- oder Insolvenzverfahren eingeleitet worden ist. Es muss eine faktische Unmöglichkeit der Zahlung vorliegen. In der Literatur ist diese enge Sichtweise umstritten. So mag es vernünftige wirtschaftliche Gründe geben, um der Gesellschaft liquide Mittel zu belassen. Hier wäre dann zu prüfen, ob die Forderung im objektiven Interesse der Gesellschaft oder des Gesellschafters stehen gelassen wurde.

Eine faktische Zahlungsunfähigkeit kann das FG Münster im Ausgangsfall nicht erkennen. Ein Ausnahmetatbestand zur Zahlungsfiktion liegt daher nicht vor. Im Ausgangsfall ist auch kein rechtliches Zugriffshindernis erkennbar. Gemäß § 64 S. 1 GmbHG sind Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, welche nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft bzw. nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Im Umkehrschluss wird in der Literatur hieraus auf ein „Zahlungsverbot“ bei Überschuldung oder Illiquidität geschlossen. Aus Sicht des FG Münster greift dieses Zahlungsverbot aber im Ausgangsfall nicht, da der Geschäftsführer trotz behaupteter Zahlungsunfähigkeit viele andere Gläubiger befriedigt und über einen längeren Zeitraum zugleich die Insolvenzantragspflicht des § 15a InsO missachtet hat. Von daher gilt: Will der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer die Zuflussfiktion vermeiden, muss er die vertraglichen Grundlagen – im Ausgangsfall die Mietverträge – ändern. Dies ist nicht geschehen. Somit bleibt die Zahlungsfiktion bestehen.

Allerdings ist der Kläger zu hoch belastet worden. Die verspäteten Mietzahlungen des Jahres 2009 hat der Kläger zum Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung im Jahr 2010 erfasst. Wenn das Finanzamt nun von einer Zuflussfiktion im Jahr 2009 ausgeht, können die Mietzahlungen nicht erneut mit Bewirkung der tatsächlichen Zahlung zufließen.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 1/2020

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