Dr. Hans-Jürgen Hillmer
BFH-Urteil vom 19.2.2019, IX R 16/18
Verluste aus der Verpachtung eines Hotel- und Gaststättenkomplexes sind objektbezogen bei der Prüfung der Überschusserzielungsabsicht aus Vermietungs-/Verpachtungseinkünften anzusetzen. Unterschiede bestehen zwischen einheitlicher und gesonderter Vermietung sowie zwischen gewerblicher und nicht-gewerblicher Vermietungstätigkeit.
Finanzamtliche Prognosen eines Totalverlusts können je nach Einzelfall widerlegt werden.
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Hintergrund
Im Streitfall hatte eine im Jahr 1993 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die Einnahmen aus der Verpachtung eines Hotel-Gasthofs erzielt, auf Anerkennung von Verlusten trotz negativer Überschussprognose geklagt. Zum Hotel- und Gaststättenkomplex gehören Nebengebäude und ein Wohnhaus sowie Wald-, Wiesen- und Landwirtschaftsflächen, für die im Kaufvertrag jeweils Einzelkaufpreise vereinbart wurden. Die Klägerin verpachtete zunächst (mit Vertrag vom 4.11.1993) den Betrieb des Hotel-Restaurants an einen Fremdpächter; hierbei waren die Nebengebäude sowie das Wohnhaus nicht Gegenstand des Pachtverhältnisses. Nach der Kündigung in 1999 leitete die GbR einen Um- und Erweiterungsbau ein, mit dem die Zahl der Hotelzimmer von ursprünglich sechs auf 22 Zimmer erhöht und das Restaurant sowie weitere Gebäude und Anlagen renoviert wurden. Nach Abschluss dieser Bauarbeiten im Jahr 2001 verpachtete die Klägerin den gesamten Hotel- und Gaststättenkomplex (einschließlich Nebengebäude und Wohnhaus, in welchem sich nach dem Umbau Personalwohnungen und ein Tagungsraum befinden) durch einheitlichen Pachtvertrag an eine Betriebs-GmbH, die zunächst von fremden Geschäftsführern geführt wurde; ab 2010 übernahm die Ehefrau des Gesellschafters A die Geschäftsführung. Das Hotel und die Gastronomie werden seitdem mit angestellten Wirten betrieben.
Nachdem das Finanzamt eine Überschussprognose durchgeführt und für den Zeitraum 1995 bis 2024 einen Totalverlust ermittelt hatte, erkannte es die Werbungskostenüberschüsse für die Streitjahre wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht nicht mehr an.
Das sah der BFH mit sehr differenzierter Begründung in Teilen anders und öffnete für Steuerpflichtige günstige Argumentationswege.
Lösung
Mit seinem Urteil vom 19.2.2019 hat der BFH das Urteil der Vorinstanz (FG München vom 16.11.2017, Az.: 11 K 1149/14) aufgehoben und die Sache zur abschließenden Entscheidung zurückverwiesen. Das Finanzgericht (FG) sei im Streitfall zwar zutreffend davon ausgegangen, dass im Rahmen der von der Klägerin ausgeübten Vermietungstätigkeit die Überschusserzielungsabsicht – ohne typisierende Vermutung – im Einzelfall festzustellen ist; zu Unrecht habe das FG indes angenommen, dass der Überschussprognosezeitraum für den von der Klägerin vermieteten Hotel- und Gaststättenkomplex bereits mit der Anschaffung im Jahr 1993 begann. Die Leitsätze des BFH lauten zusammengefasst:
- Ob die Vermietungstätigkeit einen Totalüberschuss erwarten lässt, hängt von einer unter Heranziehung aller objektiv erkennbaren Umstände zu treffenden Prognose über die voraussichtliche Dauer der Vermögensnutzung, die in dieser Zeitspanne voraussichtlich erzielbaren steuerpflichtigen Erträge und anfallenden Werbungskosten ab.
- Der Prognosezeitraum beginnt grundsätzlich mit dem Erwerb oder der Herstellung des für die Prognoseentscheidung maßgeblichen Objekts.
- Entschließt sich der Steuerpflichtige, nach einer vorangegangenen Vermietungstätigkeit eine andere Form der Vermietung aufzunehmen, ist der subjektive Tatbestand des § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG in diesem Zeitpunkt neu zu bewerten.
- Sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand des § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG sind objektbezogen zu prüfen.
Auf den Punkt gebracht, ist diese abstrakte BFH-Entscheidungsfindung für die Besteuerungspraxis gemäß dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG insbesondere wie folgt von Bedeutung: Bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit ist grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, den subjektiven Steuertatbestand zu verwirklichen und damit einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben. Dies gilt jedoch nur für die Vermietung von Wohnraum, nicht indes für die Vermietung von Gewerbeimmobilien.
Bei Gewerbeimmobilien ist vielmehr die Überschusserzielungsabsicht stets ohne typisierende Vermutung im Einzelfall festzustellen. Denn die Vermietung zu gewerblichen Zwecken ist wegen ihres Einflusses auf den Gebrauchswert der Immobilie nicht mit einer auf Dauer ausgerichteten Wohnraumvermietung vergleichbar.
Der BFH moniert, dass das FG bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht der GbR einen mit der Anschaffung des Hotel- und Gaststättenkomplexes beginnenden Prognosezeitraum zugrunde gelegt habe. Nach den Feststellungen des FG waren die Nebengebäude sowie das Wohnhaus jedoch nicht Gegenstand des Pachtverhältnisses. Erst nach dem Umbau und der Erweiterung des Hotel- und Gaststättenbetriebs verpachtete die GbR den gesamten Hotel- und Gaststättenkomplex (einschließlich Nebengebäude und Wohnhaus) im Jahr 2001 durch einheitlichen Pachtvertrag an die Betriebs-GmbH. Da von diesem neuen Pachtverhältnis nicht lediglich der Betrieb des Hotel-Restaurants, sondern mehrere unterschiedliche Immobilienobjekte (Hotel-Gasthof; Nebengebäude; Wohnhaus; umliegende Flächen) erfasst waren, die von der Klägerin mittels einheitlichem Vertrag zur Nutzung überlassen wurden, bezieht sich die Vermietungstätigkeit der Klägerin von diesem Zeitpunkt an auf ein anderes Objekt im Sinne der BFH-Rechtsprechung.
- Es empfiehlt sich in vergleichbaren Fällen, die Vertragskonstellationen über viele Jahre genau zu überprüfen, um feststellen zu können, ob sich der Vermietungsgegenstand im Laufe der Zeit geändert haben könnte. Dabei sind Gewerbeimmobilien (in Abgrenzung zu einer Wohnung) alle Immobilien, die nicht Wohnzwecken dienen.
- Hinsichtlich der objektbezogenen (z.B. Grundstück, Gebäude oder Gebäudeteil) Prüfung unterscheidet der BFH wie folgt: Vermietet der Steuerpflichtige mehrere Objekte auf der Grundlage verschiedener Rechtsverhältnisse oder nach Maßgabe unterschiedlicher miet- oder pachtrechtlicher Vertragsbedingungen, so ist jede Tätigkeit grundsätzlich jeweils für sich zu beurteilen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Objekte auf einem Grundstück (im zivilrechtlichen Sinne) befinden. Vermietet der Steuerpflichtige demgegenüber mehrere Objekte bzw. das gesamte – etwa aus unterschiedlich genutzten Teilstücken bestehende – Grundstück auf der Grundlage lediglich eines Rechtsverhältnisses und mithin unter den identischen rechtlichen Vertragsbedingungen, ist die Vermietungstätigkeit einheitlich zu beurteilen.
- Auf die Frage, ob der von der Klägerin initiierte, mit einer Erweiterung des Hotel-Gasthofs verbundene Umbau, welcher mit einer Hebung des Hotelstandards von ursprünglich zwei Sternen auf vier Sterne einherging, dem gesamten Immobilienobjekt ein derart verändertes Gepräge geben könnte, dass auch aus diesem Grund der 30-jährige Prognosezeitraum von Neuem beginnen müsse, kam es im Streitfall nicht mehr an.
- Im Rahmen der Prognoseentscheidung wird das FG aufgrund der Zurückverweisung dem BFH zufolge zu berücksichtigen haben, dass die Höhe des für die Um- und Erweiterungsbauarbeiten angefallenen (und nach Maßgabe der einschlägigen steuerrechtlichen Vorschriften verteilten) Aufwands nicht schon für sich genommen dazu führen darf, die Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin infrage zu stellen. Denn die höchstrichterliche Rechtsprechung verlange (so etwa in Leerstandsfällen) vom Steuerpflichtigen, zielgerichtet darauf hinzuwirken, unter Umständen auch durch bauliche Umgestaltungen einen vermietbaren Zustand des Objekts zu erreichen; diesen Anforderungen darf – so betont der BFH ausdrücklich – dann aber nicht auf der Gegenseite entgegengehalten werden, solche vom Steuerpflichtigen getätigten – angemessenen – Investitionen würden den Rahmen der Prognoserechnung sprengen.
- Diese Parteinahme der Münchener Richter ist bemerkenswert und könnte in die Beratung bzw. Projektbetreuung eingebundenen Bilanzbuchhaltern argumentative Munition bis hin zu Sprengstoff liefern, der gegenlaufenden Ansichten der Finanzverwaltung den Boden entzieht.
Denn trotz fehlendem Totalüberschuss innerhalb des Prognosezeitraums können Steuerpflichtige gleichwohl die Erwartung eines positiven Gesamtergebnisses nachweisen, wenn sie zum maßgeblichen Zeitpunkt (hier: Beginn der Vermietung an die Betriebs-GmbH) die objektiven Gegebenheiten zunächst verkannt haben und davon ausgehen durften, zunächst angefallene Werbungskostenüberschüsse würden im Laufe der Tätigkeit durch Einnahmenüberschüsse ausgeglichen. Das musste der BFH nicht einmal begründen, da insoweit einschlägige Rechtsprechung vorliege (z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2017, 897, und in BFHE 197, 151, BStBl. II 2002, 726).
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Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld
BC 7/2019
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