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Voraussetzungen für eine grenzüberschreitende Funktionsverlagerung

Christian Thurow

FG Niedersachsen Urt. v. 16.3.2023 – 10 K 310/19 (Revision zugelassen)

 

Eine grenzüberschreitende Funktionsverlagerung innerhalb eines Konzernverbunds kann eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) auslösen, wenn Wirtschaftsgüter oder sonstige Vorteile unter Wert übertragen werden. Im Falle der Übertragung von Gewinnchancen muss dabei eine hinreichende Konkretisierung vorliegen.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Innerhalb eines Konzerns wurde die Produktion bei einer der Tochtergesellschaften eingestellt und durch eine andere Tochtergesellschaft fortgeführt. Die Produktionsanlagen der aufgebenden Tochtergesellschaft wurden an (andere) Schwestergesellschaften verkauft. Die im Rahmen der Produktionseinstellung anfallenden Schließungskosten wurden von der weiterführenden Gesellschaft getragen.

Aus Sicht des Finanzamts lag eine Funktionsverlagerung vor. Es berechnete daher für die aufgebende Gesellschaft ein gewinnerhöhendes Transferpaket abzüglich der vereinnahmten Beträge aus dem Verkauf des Anlagevermögens und der Erstattung der Schließungskosten („Bewertungsdifferenz“).

 

 

Lösung

Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen widerspricht der Auffassung des Finanzamts. Aus Sicht der Finanzrichter in Hannover kann im Streitfall eine vGA lediglich in Form einer verhinderten Vermögensmehrung vorliegen, genauer gesagt in Gestalt einer Überlassung einer Geschäftschance. Soweit das Finanzamt davon ausgeht, dass die Einstellung der Produktion zu einer Übertragung von Geschäftschancen geführt hat und deshalb nur gegen Entschädigung hätte erfolgen dürfen, kann das Gericht dem nicht folgen.

Der Begriff der „Geschäftschance“ ist gesetzlich nicht bestimmt. Allgemein ist hierunter die Aussicht zu verstehen, aus einem künftigen Geschäft Gewinne zu erzielen. Es handelt sich somit um ein immaterielles Wirtschaftsgut. Die Chance muss dabei hinreichend verselbstständigt und von anderen Wirtschaftsgütern unterscheidbar sein. Das der Chance innewohnende Gewinnpotenzial muss so konkretisiert und einzeln bewertbar sein, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer gewöhnlich ein Entgelt einfordern würde, und dass ein fremder Dritter bereit wäre, hierfür ein entsprechendes Entgelt zu leisten.

Im Ausgangsfall fehlt es an einer solchen Chance. Die aufgebende Konzerngesellschaft hat lediglich Produktionsvorgaben der Konzernleitung erfüllt und keine nennenswerten eigenen externen Kundenbeziehungen unterhalten. So lag der konzernfremde Umsatz der aufgebenden Gesellschaft nur bei 1,5% bis 3,5% des Gesamtumsatzes. Die Übertragung einer Geschäftschance scheidet folglich aus. Es liegt auch keine Funktionsverlagerung vor, da weder Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile übertragen worden sind. Hinzu kommt, dass die weiterführende Gesellschaft unstreitig bereits vor Übertragung in der Lage war, die Produktion zu betreiben. Somit ist die in § 1 Abs. 2 FVerlV verlangte Voraussetzung, dass das übernehmende Unternehmen durch die Übertragung eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist, nicht erfüllt.

Folglich liegen die Voraussetzungen zur Gewinnkorrektur aufgrund einer Funktionsverlagerung im Ausgangsfall nicht vor.

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 7/2023 

BC2023715

 

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