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Corona-Krise – Nachträgliche Änderung des testierten Gewinnverwendungsvorschlags?

Prof. Dr. Christian Zwirner und Dr. Julia Busch

 

In schnelllebigen Krisenzeiten überschlagen sich oftmals die Ereignisse. Nichts anderes gilt auch aktuell für die Unsicherheiten in der Wirtschaft hinsichtlich der Abschätzung der nachhaltigen bzw. langfristigen Auswirkungen infolge des Corona-Virus. Zunehmend gehen Unternehmen deshalb dazu über, Liquidität zu sichern. Daher kann es schnell dazu kommen, dass eine noch zuvor geplante Ausschüttung vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse nun nicht mehr vorgenommen werden soll. Sofern nun abweichend vom testierten Ergebnisverwendungsvorschlag nach § 285 Nr. 34 HGB eine andere Gewinnverwendung (z.B. Thesaurierung statt bisher geplanter Ausschüttung) erfolgen soll, stellt sich die Frage, ob dies bzw. unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist.

 

 

Gewinnverwendungsvorschlag im Jahresabschluss und Feststellung

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist zur Aufstellung eines Jahresabschlusses und gegebenenfalls eines Lageberichts verpflichtet (§ 242 HGB i.V.m. § 264 HGB). Der aufgestellte Jahresabschluss und Lagebericht sind, sofern die Aktiengesellschaft prüfungspflichtig ist, im Anschluss durch einen Abschlussprüfer zu prüfen (§ 316 Abs. 1 HGB). Der geprüfte Jahresabschluss und Lagebericht sind dann durch den Vorstand dem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft zur Durchsicht und Prüfung vorzulegen (§ 170 Abs. 1 AktG).

Daneben hat der Vorstand auf Basis des geprüften Jahresabschlusses einen separaten, für die Hauptversammlung bestimmten Vorschlag zur Verwendung des Bilanzgewinns dem Aufsichtsrat vorzulegen (§ 170 Abs. 2 AktG), wobei auch bereits im Anhang des Jahresabschlusses Angaben zu einem solchen Gewinnverwendungsvorschlag zu machen sind (§ 285 Nr. 34 HGB).

Nach Prüfung der ihm zur Verfügung gestellten Abschlussunterlagen hat der Aufsichtsrat schriftlich an die Hauptversammlung – insbesondere über sein den Jahresabschluss und den Lagebericht sowie den Gewinnverwendungsvorschlag betreffendes Urteil – zu berichten (§ 171 Abs. 2 S. 1 AktG). In diesem Bericht ist Stellung zu nehmen zum Ergebnis der durch den Abschlussprüfer durchgeführten Jahresabschlussprüfung (§ 171 Abs. 2 S. 3 HGB) sowie ein eigener Vorschlag zur Verwendung des Bilanzgewinns, der grundsätzlich vom Vorschlag des Vorstands abweichen kann, zu unterbreiten (§ 124 Abs. 3 S. 1 AktG).

Durch Billigung des vom Vorstand vorgelegten Jahresabschlusses gilt dieser als festgestellt und erlangt Rechtsverbindlichkeit. Dies bedeutet u.a., dass die Aktionäre im Rahmen der zeitlich nachgelagerten Hauptversammlung bei der Beschlussfassung über die Verwendung des Gewinns an den Bilanzgewinn des festgestellten Jahresabschlusses gebunden sind (§ 174 Abs. 1 S. 2 AktG).

Der vom Vorstand und vom Aufsichtsrat unterbreitete Vorschlag zur Gewinnverwendung stellt demgegenüber lediglich eine Empfehlung an die Hauptversammlung dar, wobei die Gewinninteressen der Aktionäre und die finanziellen Interessen der Gesellschaft in Form einer ausreichenden Solvenz und Liquidität in Einklang gebracht werden müssen.

 

 

Möglichkeiten einer Änderung des Gewinnverwendungsvorschlags

Der Vorstand schlägt eine Gewinnverwendung auf Basis der zum Aufstellungszeitpunkt bestehenden Gesellschaftsverhältnisse und des dann vorherrschenden Marktumfelds vor. Aufgrund der im Zweifel langen Zeitspanne zwischen Aufstellungszeitpunkt und Feststellungszeitpunkt können sich zwischenzeitlich wesentliche Änderungen der äußeren Umstände ergeben, die, wären sie im Aufstellungszeitpunkt bekannt gewesen, zu einem anderen Gewinnverwendungsvorschlag des Vorstands geführt hätten.

Hierzu ist zu bemerken, dass der dem Aufsichtsrat vorzulegende Gewinnverwendungsvorschlag nicht der Prüfung durch den Abschlussprüfer unterliegt. Aus diesem Grund hat ein gegebenenfalls vom Anhang des testierten Jahresabschlusses abweichender Vorschlag, der vom Vorstand dem Aufsichtsrat zur Prüfung vorgelegt wird, keinen Einfluss auf den Bestätigungsvermerk des Jahresabschlusses. Dies ist auch insoweit naheliegend, als ein Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung, welcher von der von Vorstand und Aufsichtsrat vorgeschlagenen Gewinnverwendung abweicht, ebenfalls keine Rückwirkung auf den geprüften Jahresabschluss zur Folge hat.

Darüber hinaus ist der Gewinnverwendungsvorschlag des Vorstands nicht Bestandteil des Feststellungsprozesses durch den Aufsichtsrat.

Wenn der finale, an die Hauptversammlung gerichtete Gewinnverwendungsvorschlag inhaltlich von dem im Anhang enthaltenen Vorschlag, gegebenenfalls unter Initiative des Vorstands selbst, abweicht, so sind die Gründe hierfür im schriftlichen Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung darzustellen.

Des Weiteren sollte in der Bekanntmachung zur Hauptversammlung unter dem Tagesordnungspunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses auf einen von dem im testierten Jahresabschluss enthaltenen Ergebnisverwendungsvorschlag abweichenden Gewinnverwendungsvorschlag hingewiesen werden.

 

 

Fazit und Empfehlung

Der Vorstand ist grundsätzlich nicht an einen im Anhang des Jahresabschlusses formulierten Gewinnverwendungsvorschlag gebunden. Vielmehr kann er diesen, sofern er dies nach geänderten Rahmenbedingungen für angemessen hält, in abgeänderter Form dem Aufsichtsrat unterbreiten oder – sofern der ursprüngliche Gewinnverwendungsvorschlag bereits dem Aufsichtsrat vorgelegt wurde – in Absprache mit dem Aufsichtsrat modifizieren.

 

Insofern verbleibt Vorstand und Aufsichtsrat ab dem Zeitpunkt der Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses inklusive des im Anhang enthaltenen Gewinnverwendungsvorschlags ausreichend Zeit, auf neue Entwicklungen zu reagieren. Ein vom testierten Jahresabschluss abweichender Gewinnverwendungsvorschlag hindert zudem nicht die Feststellung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat. Die finale Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung obliegt letztlich der Hauptversammlung, die zu gegebener Zeit und unter Würdigung der dann relevanten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vorausschauend und mit Blick auf die für die weitere Geschäftstätigkeit des Unternehmens notwendige Liquidität entscheiden muss.

 

 

WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner,
Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)

WP/StB Dr. Julia Busch, Prokuristin der Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München

 


BC 4/2020

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