Dr. Corinna Boecker
Nach § 91 Abs. 2 AktG muss der Vorstand einer AG ein sog. Risikofrüherkennungssystem einrichten, damit bestandsgefährdende Entwicklungen frühzeitig erkannt werden können. Bei einer börsennotierten AG verlangt § 317 Abs. 4 HGB, dass der Abschlussprüfer dieses Risikofrüherkennungssystem prüfen muss. Hierzu hat er die in IDW PS 340 verankerten Grundsätze für die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems heranzuziehen. Dieser Prüfungsstandard wurde jüngst überarbeitet – die Neufassung ist erstmals auf Abschlussprüfungen für das Geschäftsjahr 2021 anzuwenden.
Praxis-Info!
Für Aktiengesellschaften (AG) regelt § 91 Abs. 2 AktG ausdrücklich die Verpflichtung zur Einführung eines sog. Risikofrüherkennungssystems. Dieses soll dazu beitragen, dass bestandsgefährdende Risiken frühzeitig erkannt werden und somit Schaden vom Unternehmen abgewendet werden kann. Zwar gibt es für andere Rechtsformen (z.B. GmbH) keine explizite korrespondierende gesetzliche Regelung. Allerdings geht mit der Erfüllung der Sorgfaltspflichten eines Geschäftsleiters – wie sie z.B. auch für den GmbH-Geschäftsführer gelten – implizit (nicht ausdrücklich) eine vergleichbare Anforderung einher.
Eine Pflicht zur Prüfung des eingerichteten Risikofrüherkennungssystems hat der Gesetzgeber in § 317 Abs. 4 HGB nur für börsennotierte AG verankert. Unabhängig davon kann aber jedes Unternehmen, welches über ein solches System verfügt, dessen Prüfung auf freiwilliger Basis mit dem Abschlussprüfer vereinbaren. Losgelöst von der Frage einer verpflichtenden oder freiwilligen Prüfung hat der Wirtschaftsprüfer bei seinen Tätigkeiten den Prüfungsstandard IDW PS 340 zu beachten. Dieser wurde nun überarbeitet, um auch den Entwicklungen der letzten Jahre in der Unternehmenspraxis in Bezug auf die Corporate-Governance-Systeme (gesetzlicher und faktischer Ordnungsrahmen für die Unternehmensleitung und deren Überwachung) Rechnung zu tragen.
IDW PS 340 n.F. (Stand: 27.5.2020) wurde am 25.6.2020 vom IDW verabschiedet. In der Neufassung spielen insbesondere die folgenden Aspekte eine bedeutende Rolle:
- Konkretisierung der Grundelemente eines Risikofrüherkennungssystems in Anlehnung an IDW PS 980 (Prüfung von Compliance-Management-Systemen) und IDW PS 981 (Prüfung von Risikomanagementsystemen),
- Hervorhebung der Pflichten eines Unternehmens in Bezug auf seine Risikotragfähigkeit und die Risikoaggregation (Aggregation = Ansammlung, Verdichtung),
- Klarstellungen zur Ausgestaltung der Maßnahmen nach § 91 Abs. 2 AktG bei Konzernen,
- Klarstellungen zur Betrachtung von „Netto-Risiken“ sowie zur Risikosteuerung,
- Verdeutlichung der Dokumentationspflichten des Unternehmens,
- Konkretisierung und Betonung, dass die Prüfung gemäß § 317 Abs. 4 HGB durch den Abschlussprüfer unter Berücksichtigung der im Rahmen der Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts gewonnenen Erkenntnisse erfolgt,
- Überarbeitung der Berichterstattung des Abschlussprüfers (weitergehende Berichterstattung in Bezug auf festgestellte Mängel sowie ergänzende Anforderungen in Bezug auf eine gegebenenfalls erforderliche Einschränkung oder Versagung der Erklärung).
IDW PS 340 n.F. ist erstmals auf Abschlussprüfungen für nach dem 31.12.2020 beginnende Berichtszeiträume anzuwenden. Bei einem kalenderjahrgleichen Geschäftsjahr betrifft er demnach die Prüfungen für das Geschäftsjahr 2021 im Jahr 2022.
WP/StB Dr. Corinna Boecker,
Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)
BC 8/2020
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