BFH-Beschluss vom 28.4.2020, IX B 121/19
Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gilt nach dem Gesetzeswortlaut nur für solche Aufwendungen, die innerhalb von drei Jahren „nach“ der Anschaffung vom Steuerpflichtigen getragen werden. Vor der Anschaffung des Grundstücks vom Steuerpflichtigen getätigte Aufwendungen sind nach den allgemeinen handelsrechtlichen Abgrenzungskriterien als Anschaffungs-, Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand steuerlich zu berücksichtigen.
Praxis-Info!
Gemäß der Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG gehören zu den Herstellungskosten eines Gebäudes auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15% der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (sog. anschaffungsnahe Herstellungskosten). Unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung zählen hierzu sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer „im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes“ vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen. Hierunter fallen auch Schönheitsreparaturen (z.B. Tapezieren von Wänden). Ausnahme: Aufwendungen für Erweiterungen und für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen (z.B. Heizungswartung), gehören nicht zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 EStG).
Vor der Anschaffung des Grundstücks vom Steuerpflichtigen getätigte Aufwendungen sind nach den allgemeinen handelsrechtlichen Abgrenzungskriterien als Anschaffungs-, Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand steuerlich zu berücksichtigen.
Bei anschaffungsnahen Herstellungskosten (im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG) kommt es zwingend zu einer Abweichung der Wertansätze in Handels- und Steuerbilanz: - Sofern zeitlich nachgelagerte Maßnahmen zu einer Erweiterung oder wesentlichen und über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden Verbesserung des Vermögensgegenstands führen, sind diese in der Handelsbilanz als nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktivierungspflichtig (§ 255 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 1 HGB). Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen führen hingegen zu Erhaltungsaufwand des entsprechenden Geschäfts- oder Wirtschaftsjahres.
- Steuerlich besteht jedoch bei Gebäuden eine Besonderheit für sog. anschaffungsnahe Herstellungskosten. Hierbei handelt es sich um Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die eigentlich eine sofort abzugsfähige Betriebsausgabe darstellen. Sofern jedoch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG kumulativ erfüllt sind (siehe oben), erfolgt eine Umqualifizierung dieses originären Erhaltungsaufwands in zu aktivierende Herstellungskosten.
Sollten einzelne Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen über mehr als ein Wirtschaftsjahr verteilt zu einer Überschreitung der 15%-Grenze führen, sind die im ersten Wirtschaftsjahr bzw. in den ersten beiden Wirtschaftsjahren anfallenden Aufwendungen zunächst als Betriebsausgabe zu erfassen, da die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG in diesen Wirtschaftsjahren noch nicht vorliegen. Sobald die Aufwendungen für die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen dann in einem späteren (maximal dritten auf die Anschaffung folgenden) Wirtschaftsjahr netto 15% der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen, ist der gesamte Betrag zu aktivieren. Hierzu sind die Steuerbilanzen und somit die Steuererklärungen der Vorjahre zu ändern. Verfahrensrechtlich ist dies über § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO als rückwirkendes Ereignis abgesichert. Dies führt folglich zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die AfA. Die anschaffungsnahen Herstellungskosten werden somit als Betriebsausgabe über den Abschreibungssatz auf mehrere Wirtschaftsjahre verteilt. Bei anschaffungsnahen Herstellungskosten fallen aktive latente Steuern im Sinne von § 274 Abs. 1 S. 2 HGB i.V.m. § 274 Abs. 2 S. 1 HGB an, für die ein Aktivierungswahlrecht besteht. |
[Anm. d. Red.]
BC 8/2020
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