FG Münster Urt. v. 11.5.2023 – 8 K 520/22 (Revision zugelassen)
Der Präsident der Bundesnetzagentur hat sich (laut einer Mitteilung vom 12.6.2023) offen für eine Reduzierung der Briefzustellungstage bei der Deutschen Post gezeigt. Bislang ist die Post verpflichtet, sechs Tage pro Woche zuzustellen. Angedacht ist, den Montag von einer Zustellung auszunehmen. Kann dies eine Auswirkung auf die gesetzliche Bekanntgabefiktion von drei Tagen haben? Die Finanzgerichte scheinen hier unterschiedliche Ansichten zu haben.
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Problemstellung
Das Finanzamt lehnte einen Einspruch gegen einen Einkommensteuerbescheid mit Schreiben vom 28.1. – einem Freitag – ab. Das Schreiben wurde vom Postdienstleister A-GmbH & Co. befördert.
Der Steuerpflichtige erhob hiergegen am 3.3. Klage. Er machte geltend, dass ihm das Schreiben des Finanzamts erst am 3.2. zugestellt worden sei. Ferner führte der Kläger an, dass der Postdienstleister keine Zustellung am Samstag und Sonntag vornehme.
Lösung
Das Finanzgericht (FG) Münster lehnt die Klage als unzulässig ab, weil sie erst nach Ablauf der Klagefrist (ein Monat; hier: 28.2.) beim Finanzgericht einging. Aus Sicht des FG Münster gilt die Drei-Tages-Bekanntgabefiktion gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO (Beginn: 31.1.), da es dem Kläger nicht gelungen ist, berechtigte Zweifel am Versand des Briefs zu begründen. Im Gegensatz zum FG Berlin-Brandenburg, das eine Anwendung der Drei-Tages-Bekanntgabevermutung ablehnt, wenn nach dem Absendetag (hier: 28.1.) innerhalb der Drei-Tages-Frist planmäßig zwei zustellfreie Tage (hier: Samstag und Sonntag) liegen, spielt dies für das FG Münster keine Rolle. Ein Zustellungstag innerhalb der Drei-Tages-Frist genügt, um die gesetzliche Zustellungsfiktion zu begründen.
Aufgrund der divergierenden Finanzgerichtsurteile wird sich nunmehr der BFH mit dieser Frage beschäftigen müssen.
- „Aufgabe zur Post“ bedeutet nicht „Übergabe an die Deutsche Post AG“. Die Dreitagesfrist beginnt auch dann bereits mit der Einlieferung bei einem privaten Postdienstleister zu laufen, wenn dieser die Sendung zur weiteren Ausführung an die Deutsche Post AG übergibt, damit diese die Einlegung in ein bei ihr gemeldetes Postfach vornimmt.
- Sofern ein elektronischer Verwaltungsakt gemäß § 122a AO zum Datenabruf bereitgestellt wird, wird der Empfänger von der Bereitstellung elektronisch benachrichtigt. Auch in diesem Fall gilt der Verwaltungsakt drei Tage nach Absendung der Benachrichtigung über die Bereitstellung der Daten als bekannt gegeben (§ 122a Abs. 4 S. 1 AO).
- Zustellungsfreie Tage und Streiks können sich auf die Zustellungsdauer eines Schreibens auswirken. Eine einfache Lösung besteht darin, fristwahrende Schriftsätze bereits ein paar Tage vor Ablauf der Frist zu versenden und dabei insbesondere zustellungsfreie Tage wie Sonn- und Feiertage im Auge zu behalten.
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Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 7/2023
BC2023712