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Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 27.11.2019, V R 23/19 (V R 62/17)

 

Im deutschen Umsatzsteuerrecht galten Aufsichtsräte bislang als selbstständige Unternehmer. Doch gilt dies auch für Aufsichtsräte, die von der Konzernmutter in das Aufsichtsorgan einer Tochtergesellschaft entsandt werden? Und wie ist die bisherige Praxis im Licht der neueren EuGH-Rechtsprechung zu sehen?


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger war als leitender Angestellter bei der S-AG tätig. Die S-AG war Alleingesellschafterin der E-AG, deren Aufsichtsrat der Kläger angehörte. Auf Anweisung des Klägers zahlte die E-AG die vereinbarte, nicht variable Aufsichtsratsvergütung an ihn ohne Umsatzsteuerausweis.

Im daraufhin folgenden Rechtsstreit mit dem Finanzamt machte der Kläger geltend, dass er als Aufsichtsratsmitglied nicht unternehmerisch tätig sei. Er sei nicht selbstständig tätig gewesen, sondern an die Weisungen seines Arbeitgebers, der S-AG, gebunden. Somit liege kein Handeln im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vor. Weiterhin führte der Kläger an, er habe kein wirtschaftliches Risiko getragen. Das Finanzamt weist dagegen darauf hin, dass ein Aufsichtsrat persönlich hafte.

 

 

Lösung

Der BFH revidiert seine bisherige Rechtsprechung und folgt der Rechtsauffassung des Klägers. Bislang hatte der BFH jede Aufsichtsratstätigkeit als selbstständige Tätigkeit eines Unternehmers gewertet, ohne dabei nach der weiteren Ausgestaltung oder den Begleitumständen dieser Tätigkeit zu unterscheiden. Laut EuGH-Urteil vom 13.6.2019, C-420/18 IO (EU:C:2019:490, Rz. 40 ff.), übt aber ein Aufsichtsratsmitglied dann keine selbstständige Tätigkeit aus, wenn es

– nicht im eigenen Namen,

– nicht auf eigene Rechnung und

– nicht in eigener Verantwortung tätig wird und

– dabei auch nicht das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit trägt.

Im Ausgangsfall liegt somit keine selbstständige unternehmerische Tätigkeit vor. Begründung:

  • Der Kläger wirkte nur an den durch Beschluss zu treffenden Entscheidungen des Aufsichtsrats mit. Er konnte sich nicht selbstständig unternehmerisch entfalten.
  • Er ist kein wirtschaftliches Risiko eingegangen, da er eine jährlich gleich hohe Festvergütung ohne variable Anteile erhielt.
  • Der Kläger konnte durch fahrlässiges Handeln zwar eine Verantwortlichkeit begründen, diese hat aber keinen unmittelbaren Einfluss auf seine Vergütung.

Auf die Tätigkeit bei der S-AG kommt es dagegen nicht an.

Somit fehlt es im Ausgangsfall an der erforderlichen Unternehmerstellung mit der Folge, dass die Aufsichtsratsvergütung nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

 

Praxishinweis:

Der BFH weist ausdrücklich darauf hin, dass er im vorliegenden Fall nicht darüber zu entscheiden hatte, in welchen Fällen ein Aufsichtsratsmitglied weiterhin unternehmerisch tätig ist. Entscheidend wird hier wohl der Vergütungsaspekt sein. Bei Vorliegen variabler Vergütungsanteile kann von der Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos ausgegangen werden. Ob dies schon ausreichend ist, um eine Unternehmereigenschaft zu erzeugen, werden wohl künftige Urteile zeigen.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 3/2020

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