Dr. Martin Weiss
Entwurf eines BMF-Schreibens vom 30.9.2021
Ab dem Veranlagungszeitraum 2022 können Personenhandelsgesellschaften zur Besteuerung „wie eine Kapitalgesellschaft“ optieren (sich dafür entscheiden). Die zusätzliche Flexibilität kann gezielt zur Nutzung der Vorteile der Kapitalgesellschaft im Steuerrecht eingesetzt werden. Das Bundesfinanzministerium greift hierzu strittige Fragen aus der Steuerpraxis auf, die sich noch im Stadium der Verbandsanhörung befinden.
Praxis-Info!
Problemstellung
Die „Option zur Körperschaftsbesteuerung“ nach § 1a KStG ist ein Kernpunkt des „Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts“ vom 25.6.2021 („KöMoG“; Weiss, BC 2021, 322 ff., Heft 7). Personenhandels- und Partnerschaftsgesellschaften wird die Möglichkeit eingeräumt, durch einen Antrag ertragsteuerlich „wie eine Kapitalgesellschaft“ behandelt zu werden. Damit können profitable Personenhandelsgesellschaften – also Rechtsformen wie die OHG oder die KG – von dem günstigeren Körperschaftsteuersatz von 15% statt der progressiven Besteuerung ihrer Gesellschafter (§ 32a EStG) profitieren. Werden die Gewinne im Wesentlichen im Unternehmen belassen (thesauriert), kann sich im Laufe der Zeit ein ansehnlicher Steuervorteil ergeben.
Rund um die Option haben sich zahlreiche Zweifelsfragen in der Praxis ergeben (Brühl/Weiss, DStR 2021, 1617 ff.). Zeitdruck ergibt sich insoweit aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber die Option nach § 1a KStG erstmalig für nach dem 31.12.2021 beginnende Wirtschaftsjahre der Personenhandelsgesellschaften ermöglicht. Damit können entsprechende Anträge bereits in den letzten Monaten des Jahres 2021 bei den Finanzämtern eingehen. Gesetzlich vorgesehen ist insoweit, dass der Antrag von der Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft spätestens einen Monat vor Beginn des Wirtschaftsjahres zu stellen ist, „ab dem die Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft gelten soll“ (§ 1a Abs. 1 S. 2 Hs. 1 KStG; Überblick zu den Anträgen im Umfeld von § 1a KStG bei Weiss, BC 2021, 322, 325 und 327). Damit ist der 30.11.2021 ein erstes „Etappenziel“ für viele Unternehmen und deren steuerliche Berater.
Um sowohl für die bearbeitenden Finanzämter als auch für die Steuerpflichtigen und ihre Berater hier Hinweise zu umstrittenen Fragen zu geben, arbeitet das BMF an einem Schreiben zur Option nach § 1a KStG. Am 30.9.2021 hat es einen Entwurf veröffentlicht, zu dem Stellungnahmen bis zum 20.10.2021 erwünscht sind.
- Das BMF-Schreiben bestätigt zahlreiche Überlegungen der Beraterschaft, die sich bereits intensiv mit den Zweifelsfällen im Umfeld der Option nach § 1a KStG beschäftigt hat.
- Insbesondere die Behandlung von bestehendem „Sonderbetriebsvermögen“ bei der Personenhandelsgesellschaft ist dabei in der Praxis relevant. Ist dieses „funktional wesentlich“, muss es auf die optierende Gesellschaft mit übertragen werden (Rz. 32). Ohne eine solche Übertragung droht eine Aufgabe des jeweiligen Mitunternehmeranteils unter Aufdeckung aller stillen Reserven im Betriebsvermögen (§ 16 Abs. 3 EStG; Rz. 32).
- Eine vorzeitige Übertragung oder Überführung der funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen in ein anderes Betriebsvermögen ist zwar zwischenzeitlich für Zwecke des § 6 Abs. 3 EStG grundsätzlich anerkannt (BMF-Schreiben vom 20.11.2019, IV C 6 – S 2241/15/10003, DStR 2019, 2482, Tz. 10 ff.). Bei Umwandlungen will das BMF jedoch offenbar an der sog. „Gesamtplanrechtsprechung“ festhalten (Rz. 35). Die Hoffnungen der Praxis auf eine Aufgabe dieser Betrachtungsweise von Handlungen des Steuerpflichtigen haben sich damit nicht erfüllt.
- Im internationalen Steuerrecht wird die optierende Gesellschaft wie eine Kapitalgesellschaft behandelt. Es besteht u.a. eine DBA-Berechtigung (Rz. 54). Bei beschränkt steuerpflichtigen EU-Kapitalgesellschafen als Gesellschafter wird allerdings die Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie der EU (§ 43b EStG) nicht zugelassen (Rz. 52).
- Auch die Diskussionen rund um einen Verlustuntergang bei der Option greift der Entwurf des Schreibens auf. Vortragsfähige Fehlbeträge bei der Gewerbesteuer gehen im Zuge der Option unter (§ 23 Abs. 5 UmwStG; Weiss, BC 2021, 322, 325). Das gilt auch für Verluste nach § 15a EStG sowie die Zins- und EBITDA-Vorträge bei der Zinsschranke (Rz. 47).
- Enttäuschend dürfte für viele Unternehmen und deren Berater die Aussage in Rz. 56 sein. Danach kann die „optierende Gesellschaft“ nicht Organgesellschaft im Sinne der §§ 14, 17 KStG sein. Gewerbesteuerlich gilt diese Wertung nach § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG dann ebenfalls. Problematisch ist dabei nicht die steuerliche Eigenschaft als Körperschaft (§ 1a Abs. 1 S. 1 KStG; § 2 Abs. 8 GewStG), sondern die Eintragung eines Gewinnabführungsvertrags mit einer Personenhandelsgesellschaft (ins Handelsregister). Die Eigenschaft als Organträgerin hingegen ist für die optierende Gesellschaft unproblematisch (Rz. 55).
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Dr. Martin Weiss, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Dipl.-Kfm., Verlag C.H.BECK, München
BC 11/2021
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