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News & Beiträge

Klimaschutz im Mittelstand angekommen!?

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Forsa-Studienergebnisse vom 6.6.2023

 

Zwar gehen deutsche mittelständische Unternehmen den Klimaschutz aktiv an: So arbeiten 71% der Unternehmen an der energetischen Sanierung ihrer Gebäude, fast zwei Drittel (63%) der produzierenden Unternehmen entwickeln aktuell Produktionsverfahren, die schad- und treibstoffarm sind. Aber: Nur 40% der Unternehmen haben bisher eine ausformulierte Strategie, wie sie ganz konkret dem Klimawandel begegnen wollen.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die neuesten, auch wissenschaftlich gestützten Ergebnisse zur Verfolgung des Klimaschutz-Ziels im Mittelstand lassen aufhorchen: Neben den oben bereits genannten Zahlen wurde am 6.6.2023 bekanntgegeben, dass 79% der Unternehmen weitere Investitionen in Klimaschutz prüfen. Andererseits wollen nur 11% die Klimastrategie als Basis für ihre Geschäftsstrategie nutzen. Dennoch siedeln fast zwei Drittel die Verantwortung für Klimaschutz auf der Ebene des Vorstands und der Geschäftsführung an.

Diese mittelstandsorientierten Ergebnisse wurden im Rahmen einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Unternehmensberatung FTI-Andersch und der Leuphana Universität Lüneburg erhoben. Der in Lüneburg zuständige Professor Dr. Patrick Velte, der die Untersuchung wissenschaftlich begleitet hat, kommentiert: „Eine erfolgreiche Klimatransformation muss auch eine Anpassung des Geschäftsmodells und der damit einhergehenden Produkte und Dienstleistungen nach sich ziehen. Im anderen Fall bestehen die Risiken einer symbolischen klimabezogenen Unternehmenskommunikation, einer verfehlten Klimaneutralität bis 2045 und der Nichterreichung des 1,5-Grad-Ziels.“ Man fragt sich, ob die mittelständischen Unternehmen nun auf einem guten Weg oder noch auf einer Nebenstrecke sind?

 

 

Lösung

Hierzu betont der bei FTI-Andersch als Direktor tätige Experte für Energie und Klima Steffen Puhlmann, dass die Realität bei Klimaschutzmaßnahmen deutscher mittelständischer Unternehmen deutlich besser sei, als es das öffentliche Bild vermuten lasse. Er ist sich aufgrund der Ergebnisse sicher: „Die Unternehmen haben sich in großer Zahl auf den Weg gemacht und damit begonnen, ganz konkrete Maßnahmen bereits umzusetzen, um ihre CO2-Bilanz zu verbessern.“

Immerhin haben schon 40% der befragten Unternehmen eine ausformulierte Strategie, wie sie ganz konkret dem Klimawandel begegnen wollen. An der Finanzierung von zertifizierten Klimaschutzprojekten arbeiten 40%, um die eigenen Emissionen zu kompensieren. Da das aber auch bedeutet, dass weniger als die Hälfte bisher über eine Klimastrategie verfügen, warnt Puhlmann, dass „die Mittelständler aufpassen müssen, dass sie sich nicht mit einer zu großen Zahl an Einzelmaßnahmen verzetteln“. Eher positiv gesehen haben 52% der Mittelstandsunternehmen ausgesagt, aktuell eine eigene Klimastrategie zu entwickeln.

Die energieintensiven, produzierenden Unternehmen sind Vorreiter. Hier verfügt die Hälfte – Stand heute – über eine Klimastrategie. Zum Vergleich: Bei Dienstleistern ist es ein knappes Drittel (31%), im Handel ein Viertel der befragten Unternehmen. Auch im Rahmen der Gesamtstrategie der Mittelständler hat das Thema „Klima“ erheblich an Bedeutung gewonnen. 56% geben an, dass Klimaaspekte ein wichtiger Teil ihrer generellen Geschäftsstrategie sind.

Insgesamt gesehen bleiben auch nach Ansicht der Studienautoren (Stand heute) zumindest Fragezeichen, wie tief die Klimastrategien der Mittelständler wirklich wirken werden. Denn nur 55% wollen auf Basis der Strategien ihre Kernprozesse verändern, 41% die Produktportfolios anpassen und 40% das Geschäftsmodell selbst reformieren. Dagegen sagen 79%, dass sie selektiv Prozesse anpassen wollen. Steffen Puhlmann mahnt an: „Allerdings werden wirklich ambitionierte Ziele dauerhaft nur erreichbar sein, wenn der Klimagedanke in allen Bereichen des Unternehmens kraft faktischer Veränderung von Prozessen verankert wird.“

Festgestellt wurde, dass die deutliche Mehrzahl (61%) einen Verantwortungsbereich für ESG (Environmental/Umwelt, Social/Soziales, Governance/verantwortungsvolle Unternehmensführung und -überwachung) und Klimafragen auf Ebene des Vorstands und der Geschäftsführung geschaffen haben, z.B. einen Chief Sustainability Officer (CSO – Beauftragter für Nachhaltigkeit). Nachhaltigkeitsausschüsse im Aufsichtsrat oder Beirat sind dagegen bislang selten (19%). Für Prof. Velte kann aber die personelle Zuordnung von Klimaexpertise entweder bei einer Person oder einem Ausschuss im Vorstand sowie im Aufsichtsrat und Beirat nur der erste Schritt zur Institutionalisierung von Nachhaltigkeitskompetenz in der Unternehmensführung und -aufsicht sein: „Langfristig müssen jedoch alle Gremienmitglieder die entsprechende Kompetenz aufbauen.“

 

 

Praxishinweise:

  • Die Forsa-Umfrage (siehe hierist eingebettet in die Studie „Climate Governance 2023“ von FTI-Andersch in Zusammenarbeit mit der Leuphana Universität Lüneburg (Prof. Dr. Patrick Velte). Diese Studie zur klimabezogenen Unternehmensführung finden Sie unter Andersch_Studie_Klimabezogene_Unternehmensführung_230523_2.pdf. FTI-Andersch ist die auf Restrukturierung, Business-Transformation und Transaktionen spezialisierte Beratungseinheit von FTI Consulting in Deutschland.
  • Velte eröffnet Perspektiven für Bilanzbuchhalter und Controller, die es nicht in die Geschäftsleitung geschafft haben. Denn er warnt, dass ausgewählte Kompetenzträger als „Insellösung“ stets mit dem Risiko einer symbolischen Climate Governance verbunden sein könnten; er verweist dazu rückblickend auf die Chief Digital Officer der 2010er-Jahre und fordert ohne Wenn und Aber: „Auch bei den Ebenen unterhalb der Geschäftsführung muss Klimaexpertise konsequent auf- und ausgebaut werden.“
  • Was Unternehmen tun können, um den Mitarbeitenden Anreize für die Erfüllung von Nachhaltigkeitszielen zu bieten, konnten Sie im BC-Newsletter vom 1.6.2023 im Bericht über eine international angelegte Horváth-Studie (vom 24.5.2023) bereits lesen. Demnach signalisiert die Verankerung in Gehaltsprämien den Beschäftigten erstens die Ernsthaftigkeit, mit der das Unternehmen das Thema angeht; zweitens die ökonomischen Benefits, die Nachhaltigkeitserfolge mit sich bringen; und drittens, dass sie einen eigenen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit leisten können (siehe hier).


Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

BC 7/2023

BC2023707 

 

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