BFH-Urteil vom 28.9.2021, VIII R 18/18
Nach der Aufdeckung von hinterzogenen Steuern werden in der Regel Hinterziehungszinsen für die verkürzte Steuer erhoben. Doch sind neben Hinterziehungszinsen für die Jahressteuer auch Hinterziehungszinsen für die verkürzten Steuervorauszahlungen fällig? Oder würde dies zu einer unzulässigen Doppelverzinsung führen? Mit dieser Frage hat sich nun der BFH auseinandergesetzt.
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Problemstellung
Werden Steuern hinterzogen, so sind nach Aufdeckung neben der Erstattung der hinterzogenen Steuern auch Hinterziehungszinsen zu zahlen. Diese dienen dazu, den Liquiditätsvorteil aus der verspäteten Steuerzahlung beim Delinquenten (Straftäter) abzuschöpfen. Die Höhe der Jahressteuer hat bei diversen Steuerarten einen direkten Einfluss auf die Höhe der festgesetzten Vorauszahlungen. Die Steuerhinterziehung bewirkt also auch eine Verkürzung der Steuervorauszahlungen.
Im Ausgangsfall setzte das Finanzamt daher auch Verzugszinsen auf die verkürzten Steuervorauszahlungen an. Aus Sicht des Klägers stellte dies eine unzulässige Doppelverzinsung dar, da die Vorauszahlung Teil der Jahressteuerschuld sei und dieser Betrag in Gänze schon mit Hinterziehungszinsen belegt sei.
Lösung
Wie schon das erstinstanzliche Finanzgericht widerspricht auch der BFH der Sichtweise des Klägers. Entscheidend sei, wie im Ausgangsfall korrekt vom Finanzamt angewendet, dass sich die Verzinsungszeiträume nicht überschneiden. Der Zinslauf für die Hinterziehungszinsen auf die verkürzten Steuervorauszahlungen beginnt mit dem jeweiligen Fälligkeitstag (z.B. 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember) und endet mit der Bekanntgabe des unzutreffenden Jahressteuerbescheids (oder bei Festsetzung einer Abschlusszahlung mit deren Fälligkeit). Ab diesem Zeitpunkt beginnt dann der Zinslauf für die Hinterziehungszinsen der Jahressteuerschuld.
Hinterziehungszinsen auf verkürzte Steuervorauszahlungen setzen einen (bedingten) Vorsatz voraus. Davon ist auszugehen, wenn gegen den Steuerpflichtigen regelmäßig Vorauszahlungen festgesetzt werden und ihm bekannt ist, dass die verminderte Steuerzahlung im Vorjahr einen Einfluss auf die Höhe der künftigen Vorauszahlungen haben kann.
Der Ausgangsfall bezog sich auf eine Privatperson und deren Einkommensteuer; hierbei ist nicht automatisch eine Vorauszahlung fällig. Bei den unternehmerischen Steuern (Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer) werden sich Unternehmen nicht damit herausreden können, dass sie von dem Einfluss der Steuerhinterziehung auf die Vorauszahlungen nicht Bescheid gewusst hätten. |
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 1/2022
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