Dr. Martin Weiss
Entwurf eines BMF-Schreibens vom 27.10.2021
Die Körperschaftsteuer-Richtlinien sind Weisungen an die Finanzämter. Sie haben nicht den Rang des Körperschaftsteuergesetzes. Sie stellen sicher, dass die Finanzämter bei der Körperschaftsteuer nach einheitlichen Grundsätzen verfahren. Über die Selbstbindung der Finanzverwaltung entfalten die Körperschaftsteuer-Richtlinien eine erhebliche Außenwirkung.
Praxis-Info!
Die Körperschaftsteuer-Richtlinien („KStR“) behandeln nach der Einführung zu den derzeit anzuwendenden KStR 2015 Folgendes:
„… Anwendungs- und Auslegungsfragen von allgemeiner Bedeutung, um eine einheitliche Anwendung des Körperschaftsteuerrechts durch die Behörden der Finanzverwaltung sicherzustellen. Sie geben außerdem zur Vermeidung unbilliger Härten und aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung Anweisungen an die Finanzämter, wie in bestimmten Fällen verfahren werden soll.“
Die Finanzgerichte sind allerdings nicht an die darin ausgedrückte Rechtsauffassung der Finanzverwaltung gebunden („bloße Verwaltungsanweisung“, BFH-Urteil vom 24.7.2013, I R 40/12, DStR 2013, 1939, Rz. 26).
Diesem Anspruch der KStR 2015 will die Finanzverwaltung auch mit den geplanten KStR 2022 gerecht werden. Zu diesem Zweck hat sie mit ihrem Entwurf dieser Richtlinien vom 27.10.2021 zahlreichen Verbänden Gelegenheit gegeben, bis zum 24.11.2021Stellung zu den darin enthaltenen Aussagen zu nehmen. Insbesondere haben sich zwischenzeitlich gesetzliche Änderungen ergeben, die Anpassungen des Richtlinientexts erforderlich machen.
So führt die jüngste Einführung des § 2 Abs. 5 UmwStG (Beschränkung der steuerwirksamen Realisierung von stillen Lasten) zur Notwendigkeit, diesen in dem Schema der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens in der KStR 7.1 zu berücksichtigen (dort Zeile 2). Die Einführung des Forschungszulagengesetzes vom 14.12.2019 führt zur Anrechnungsverpflichtung des § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG (Anrechnung auf die Einkommensteuer), die nun in KStR 7.2 abgebildet wird. Auch neu eingeführte Regelungen im Einkommensteuergesetz, die nach § 8 Abs. 1 S. 1 KStG und § 31 Abs. 1 S. 1 KStG bei der Körperschaftsteuer beachtlich sind, werden nun in der KStR 8.1 Abs. 1 genannt – etwa die Abzugsbeschränkungen des § 4j EStG (Aufwendungen für Rechteüberlassungen) und des § 4k EStG (Betriebsausgabenabzug bei Besteuerungsinkongruenzen).
- Andere neuere Entwicklungen bei der Körperschaftsteuer – wie etwa die Einführung einer „Option zur Körperschaftsbesteuerung“ in § 1a KStG durch das „Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts“ („KöMoG“) vom 25.6.2021 (dazu bereits Weiss, BC 2021, 322 ff., Heft 7) – werden hingegen nicht beleuchtet. Diese sollen nach den Ausführungen des BMF „weiterhin soweit erforderlich durch BMF-Schreiben erfolgen“. Durch seinen Entwurf eines BMF-Schreibens zur „Option zur Körperschaftsbesteuerung“ nach § 1a KStG vom 30.9.2021 hat das BMF hierzu bereits den ersten Schritt getan (dazu bereits Weiss, BC-Newsletter vom 1.10.2021).
- Berücksichtigt wird hingegen die grundlegende Änderung der Behandlung in organschaftlicher Zeit verursachter Minder- und Mehrabführungen innerhalb der körperschaftsteuerlichen Organschaft. Insoweit hatte das „KöMoG“ eine Umstellung von der Methode organschaftlicher Ausgleichsposten hin zur sog. „Einlagelösung“ durch Neufassung des § 14 Abs. 4 KStG gebracht. Den Übergang, der u.a. auch die Regelungen des steuerlichen Einlagekontos in § 27 KStG erfasst, mit den zugehörigen zeitlichen Anwendungsregelungen kommentiert der neu eingefügte Absatz 1 der KStR 14.8 („Bildung und Auflösung besonderer Ausgleichsposten beim Organträger bis einschließlich VZ 2021“).
- Andere Stellen in den Richtlinien sind durch BFH-Rechtsprechung bestätigt worden und somit ohnehin nicht änderungsbedürftig. Nach § 14 Abs. 5 S. 1 KStG ist eine gesonderte und einheitliche Feststellung (§ 179 AO) für „das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft und damit zusammenhängende andere Besteuerungsgrundlagen“ vorgeschrieben. KStR 14.6 Abs. 6 S. 2 (KStR 2015) hatte insoweit bereits die Aussage enthalten, dass „gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung ... sowohl der Organträger als auch die Organgesellschaft“ einspruchsberechtigt (§ 350 AO) sind. Durch BFH-Urteil vom 1.7.2020 (XI R 20/18, DStRE 2021, 285, BStBl. II 2021, 296) ist diese Rechtsauffassung bestätigt worden.
- Weiterhin nicht in den Richtlinien behandelt wird die zentrale Vorschrift zum „nationalen Schachtelprivileg“ des § 8b KStG, obwohl gerade hier besondere Unsicherheiten bestehen. Durch § 8b Abs. 4 S. 1 KStG (Steuerpflicht von Streubesitz) wird die Freistellung für Bezüge nach § 8b Abs. 1 KStG – wie etwa Dividenden oder verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) – eingeschränkt. Für Beteiligungen, die zu Beginn des Kalenderjahres unterhalb von 10% liegen, wird diese seit einigen Jahren nicht mehr gewährt. Bezüglich der „Rückwirkungsregel“ des Satzes 6 in § 8b Abs. 4 KStG gibt es derzeit erhebliche Unsicherheiten bei den Steuerpflichtigen. Diese Regelung wird weiterhin „nur“ durch eine Verfügung der OFD Frankfurt am Main vom 2.12.2013 (DStR 2014, 427) vonseiten der Finanzverwaltung kommentiert (siehe auch das zugehörige Update vom 16.8.2021, DStR 2021, 2468). Durch finanzgerichtliche Rechtsprechung ist die „Rückwirkungsregel“ zwischenzeitlich abgelehnt worden (FG Hessen vom 15.3.2021, 6 K 1163/17, DStR 2021, 2447; Revision zugelassen, Az. BFH: I R 16/21; Weiss, DStRK 2021, 232). Hier wäre eine umfassende Aussage der Finanzverwaltung in den KStR 2022 sehr wünschenswert.
|
Dr. Martin Weiss, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Dipl.-Kfm., Verlag C.H.BECK, München
BC 11/2021
becklink443113