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News & Beiträge

Der One-Stop-Shop ab 1.7.2021

Erwin Herzing, Dr. Steffen Heyd und Olesea Calos

Ein erster Überblick

 

Mit dem Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) wurde das Mehrwertsteuer-Digitalpaket in das nationale Recht umgesetzt. Die Regelungen treten ab 1.7.2021 in Kraft. Ergänzend hat auch das BMF mit Schreiben vom 1.4.2021 zu den Neuregelungen Stellung bezogen.

Nachfolgend werden die dringendsten Fragen bezüglich der Neueinführung des One-Stop-Shops beantwortet.


 

 

Praxis-Info!

 

Was ist der One-Stop-Shop?

Zum 1.7.2021 wird der existierende Mini-One-Stop-Shop (MOSS) zum One-Stop-Shop (OSS) erweitert. Das Grundprinzip des OSS ist, wie auch schon bei MOSS, die zentrale Deklaration von bestimmten im EU-Ausland umsatzsteuerpflichtigen Leistungen und der abzuführenden Umsatzsteuer über ein nationales Portal.

Liegen die Voraussetzungen vor, können Unternehmer die geschuldeten Umsatzsteuerbeträge für ihre erbrachten Leistungen zentral melden, d.h. die Umsatzsteuerbeträge pro EU-Land deklarieren und einheitlich bezahlen. Die gemeldeten Umsätze und die Zahlungen auf die Umsatzsteuer werden EU-intern an die betreffenden EU-Mitgliedstaaten gemeldet und verteilt.

 

 

Für welche Unternehmer gilt das OSS-Verfahren?

Beim OSS ist zwischen OSS-EU-Regelung (OSS (EU)) und OSS-Nicht-EU-Regelung (OSS (NON-EU)) zu unterscheiden.

  • Der OSS (EU) kann von deutschen Unternehmern genutzt werden, wenn z.B. Umsatzsteuer aus grenzüberschreitenden Umsätzen an Verbraucher (hier immer synonym für Nicht-Unternehmer ohne Umsatzsteuer-Identifikationsnummer) in den europäischen Ländern (EU-Gebiet) entsteht und zu entrichten ist.
  • Der OSS (NON-EU) ermöglicht Unternehmern außerhalb der EU (Drittland), zentral in Deutschland die Umsatzsteuer für die durch sie erbrachten Leistungen an die Verbraucher in der EU zu deklarieren und zu bezahlen.

 

 

Für welche erbrachten Leistungen können Umsätze im OSS (EU) gemeldet werden?

EU-Unternehmer können – wie bisher über MOSS – ihre Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehleistungen bzw. ihre elektronischen Dienstleistungen gegenüber Verbrauchern künftig im OSS (EU) melden.

Neu ist: Die Umsatzsteuer kann aus innergemeinschaftlichen Fernverkäufen an Verbraucher in der EU gemeldet werden. Dies sind bis dato als Versandhandel bezeichnete Verkäufe an Verbraucher im EU-Gebiet mit grenzüberschreitendem Transport.

Neu ist zudem: Über OSS (EU) kann auch die Umsatzsteuer aus gegenüber Verbrauchern erbrachten Dienstleistungen deklariert und bezahlt werden, soweit der Verbrauch in einem anderen EU-Ausland stattfindet (wie z.B. Grundstücksleistungen, kulturelle und unterhaltende Leistungen im EU-Ausland).

 

 

Was gilt für EU-interne Verkäufe im Fernhandel für Händler mit Sitz im Drittland?

Ab 1.7.2021 sind Betreiber von elektronischen Marktplätzen im Rahmen einer Lieferfiktion als Lieferer an den Verbraucher anzusehen und folglich zur Deklaration der Umsätze an Verbraucher in der EU verpflichtet, soweit der Lieferant/Händler im Drittlandgebiet ansässig ist und aufgrund deren Vermittlung der Warentransport innerhalb des EU-Gebiets erfolgt. Die Plattformbetreiber können ihre Umsätze mit den Verbrauchern im OSS (EU) melden.

 

 

Welche Umsatzgrenzen gelten ab Juli 2021?

Grundsätzlich sind Leistungen in dem Land, in dem der Verbrauch stattfindet, zu besteuern (Bestimmungslandprinzip). Die bisherigen Lieferschwellen für den Versandhandel entfallen.

Eine Ausnahme vom Bestimmungslandprinzip gilt ab 1.7.2021 noch eingeschränkt, soweit der leistende Unternehmer an zwei nacheinander folgenden Kalenderjahren die jährliche Umsatzschwelle von jeweils € 10.000 (netto) nicht überschreitet. Für Umsätze aus Fernverkäufen, Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehleistungen bzw. elektronischen Dienstleistungen kann dann der Umsatz in dem Land der Ansässigkeit des Unternehmers bzw. am Ort des Beginns der Versendung (Fernhandel) besteuert werden. Die neue Umsatzschwelle gilt einheitlich für alle getätigten Umsätze in andere EU-Mitgliedstaaten während eines Kalenderjahres.

Bei der Berechnung der Umsatzschwelle zum 1.7.2021 genügt für die Bestimmung des Leistungsorts, dass die Umsatzschwelle nur in einem Jahr, z.B. im Kalenderjahr 2020 oder im ersten Halbjahr 2021, überschritten wird. Für das erste Halbjahr 2021 gilt die Umsatzschwelle von € 10.000 vollumfänglich und wird nicht zeitanteilig aufgeteilt.

Wird die Umsatzschwelle nicht überschritten, kann der Unternehmer allerdings (wie bisher) optieren, d.h. alle seine Umsätze freiwillig im Bestimmungsland besteuern, z.B. um gegebenenfalls niedrigere Umsatzsteuersätze in anderen EU-Ländern nutzen zu können.

Wichtig ist, die internen Prozesse für den Fernhandel etc. so umzustellen, dass ab 1.7.2021 die neu geltenden Umsatzsteuerregelungen richtig abgebildet werden.

 

 

Muss ich etwas tun, wenn ich bereits für MOSS registriert bin?

MOSS gilt bis 30.6.2021 und wird ab 1.7.2021 zu OSS (EU) erweitert. Unternehmer, die bereits im MOSS registriert sind, sind ab 1.7.2021 auch automatisch ohne erneute Registrierung für OSS (EU) angemeldet und müssen daran teilnehmen.

Die Teilnahme an beiden Verfahren ist freiwillig. Wollen bei MOSS registrierte Unternehmen nicht automatisch am OSS teilnehmen, muss die Teilnahme widerrufen werden. Das dürfte aber eher die Ausnahme sein.

Wichtiger ist, die Prozesse für den Fernhandel etc. so umzustellen, dass ab 1.7.2021 die neu geltenden Umsatzsteuerregelungen richtig abgebildet werden.

 

 

Kann ich OSS (EU) für bestimmte Länder wählen?

Der Unternehmer muss sich einmalig entscheiden, ob er das OSS-Verfahren nutzen möchte. Es ist ein Wahlrecht, das den Unternehmer bindet, darüber die bisherigen MOSS-Umsätze und den Fernhandelsumsatz mit Ort des Verbrauchs in einem anderen EU-Land zu melden. Die Entscheidung zur Teilnahme am OSS (EU) kann nicht pro einzelnes EU-Land erfolgen. Es ist dann ausgeschlossen, die unter das OSS fallenden Umsätze über eine im EU-Mitgliedstaat vorhandene Umsatzsteuer-Registrierung zu deklarieren!

Ausgenommen sei der Staat, in dem der Unternehmer ansässig ist. Der Umsatz und die Umsatzsteuer im Ansässigkeitsstaat ist insoweit in der regulären Veranlagung des Unternehmers zu melden.

 

 

Kann ich neben OSS (EU) auch noch eine reguläre Umsatzsteuer-Registrierung im EU-Ausland haben?

Ja, der Unternehmer kann parallel eine umsatzsteuerliche Registrierung in einem EU-Bestimmungsland durchführen. Bei Wahl des OSS sind die darunterfallenden Umsätze verpflichtend über OSS (EU) zu melden (siehe vorherige Frage). Es reduziert sich dadurch das mögliche Potenzial der im Ausland im regulären Verfahren zu meldenden Umsätze stark.

Andere umsatzsteuerliche Sachverhalte, wie z.B. das innergemeinschaftliche Verbringen, die innergemeinschaftlichen Erwerbe, die umgekehrte Steuerschuldnerschaft, nicht grenzüberschreitende Umsätze an Unternehmer und Nicht-Unternehmer sowie der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen, sind weiterhin im Rahmen lokaler Veranlagungen zu deklarieren.

Es ist im Einzelfall abzuwägen, ob die Option zur Teilnahme am OSS (EU) für den Unternehmer wirtschaftlich zweckmäßig ist.

 

 

Wie ist der Ablauf der Registrierung?

Die Registrierung ist ab 1.4.2021 technisch über das BZSt Online-Portal (BOP) des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) (https://www.elster.de/bportal/start) möglich.

Nach Anlage eines Kontos im Portal erhält der Unternehmer seine Aktivierungsdaten per Post zugeschickt. Nach erfolgreicher Aktivierung und Erhalt einer Zertifikatsdatei, kann die Nutzung des OSS-Verfahrens im BOP elektronisch beantragt werden.

Die Anwendung des OSS-Verfahrens kannzu Beginn jedes Kalendervierteljahres mit Wirkung vom Beginn dieses Kalendervierteljahres an auf elektronischem Weg widerrufen werden.

 

 

Kann ich meine Teilnahme am OSS (EU) rückwirkend erklären?

Eine rückwirkende Erklärung zur Teilnahme am OSS (EU) ist nicht möglich. Die Registrierung für die Anwendung von OSS zum 1.7.2021 muss bis spätestens 30.6.2021 erfolgen (Vorsicht: Antragstellung reicht eventuell aus). Wird diese Frist nicht eingehalten, muss der Unternehmer seine Umsätze lokal im Bestimmungsland deklarieren. Er hat die Möglichkeit, seine Umsätze ab dem darauffolgenden Quartal (z.B. 1.10.2021) im OSS-Verfahren zu melden. Dafür muss er sich spätestens bis zum Beginn des folgenden Quartals (z.B. 30.9.2021) für OSS (EU) registrieren.

 

 

Was gilt, wenn ich Waren in einem anderen EU-Land gelagert habe und von dort verkaufe?

Werden die Waren aus einem Lager in einem EU-Land lokal an Verbraucher verkauft, greift in diesem Fall die Fernverkaufsregelung nicht, und das OSS (EU) kann nicht genutzt werden, da die Waren nicht aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat über die Grenze physisch transportiert wurden.

Die Lieferungen an Verbraucher sind dann weiterhin lokal zu deklarieren. Werden jedoch aus diesem Lager Waren an Nicht-Unternehmer in andere EU-Länder (inklusive Deutschland) grenzüberschreitend verkauft, verlagert sich der Besteuerungsort zum Ort des Verbrauchs, sodass die Umsätze im OSS (EU) gemeldet werden können.

 

 

Kann Vorsteuer im Rahmen des OSS geltend gemacht werden?

Vorsteuern aus bezogenen Leistungen im EU-Ausland im unmittelbaren Zusammenhang mit Fernverkäufen und Dienstleistungen können nicht im OSS-Verfahren abgezogen werden. Bestehen umsatzsteuerliche Registrierungen im EU-Ausland, kann die Vorsteuer in den regulären Veranlagungen geltend gemacht werden. Soweit keine umsatzsteuerliche Registrierung besteht, kann die Erstattung von Vorsteuern gegebenenfalls im Rahmen von Vorsteuer-Vergütungsverfahren beantragt werden.

 

 

Wie ist das Umsatzsteuermeldeverfahren im Rahmen von OSS (EU)?

Die Umsatzsteuererklärungen im OSS (EU) sind stets quartalsweise elektronisch an das BZSt zu übermitteln. Die Frist zur elektronischen Übermittlung beträgt einen Monat; somit spätestens bis zum Ende des Monats, der auf den Ablauf des Kalendervierteljahres folgt. Jahreserklärungen sind nicht abzugeben. Falls in einem Kalendervierteljahr EU-weit keine Umsätze ausgeführt wurden, ist eine Null-Meldung abzugeben.

 

 

Wie erfolgt die Korrektur von Fehlern in der Meldung von OSS (EU)?

Die festgestellten Fehler in einer bereits übermittelten Steuererklärung müssen innerhalb von drei Jahren in der nächsten offenen und fälligen Steuererklärung im laufenden Kalendervierteljahr korrigiert werden. Die ursprüngliche fehlerhafte Steuererklärung wird grundsätzlich nicht korrigiert.

 

 

Wohin sind die Zahlungen zu leisten?

Die Unternehmer müssen die gemeldete Umsatzsteuer-Zahllast an die Deutsche Bundesbank Filiale Saarbrücken, Zahlungsempfänger „Bundeskasse Trier Sonderkonto EU/UST“ überweisen. Die Erteilung eines Lastschriftmandats zum Einzug der angemeldeten Umsatzsteuer ist derzeit nicht möglich.

 

 

 

Wichtig!

Die Umsatzsteuerbeträge müssen so rechtzeitig überwiesen werden, dass – auch die Zahlung bis zum Ende des Monats – nach Ablauf des gemeldeten Kalendervierteljahres bei der Bundeskasse eingegangen ist. Es ist im Einzelfall abzuwägen, ob die Option zur Teilnahme am OSS (EU) für den Unternehmer wirtschaftlich sinnvoll ist.

 

 

 

Was ist der Import-One-Stop-Shop (IOSS)?

Das Verfahren Import-One-Stop-Shop (IOSS) ist ein eigenständiges Meldeverfahren und eine freiwillige Deklarationsmöglichkeit für – alle – Unternehmer, die Fernverkäufe in der EU tätigen und dafür Waren aus dem Drittlandsgebiet in Sendungen mit einem Sachwert bis € 150 einführen. Ab 1.7.2021 unterliegen alle Einfuhren nach Deutschland unabhängig von ihrem Sachwert der Einfuhrumsatzsteuer. Die Einfuhrumsatzsteuer wird aber nicht erhoben, wenn der liefernde Unternehmer die Umsätze über IOSS deklariert. In der Zollanmeldung muss hierfür die gültige individuelle IOSS-Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers oder seines Vertreters angegeben sein.

Unternehmen mit Ansässigkeit im Drittland wählen einen Mitgliedstaat für Zwecke der Registrierung zum IOSS und geben dort laufende Meldungen für alle EU-Länder ab.

Ab 1.7.2021 sind die Betreiber von elektronischen Marktplätzen die Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer, wenn deren Plattformen die direkte Lieferung an Verbraucher von aus dem Drittlandgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens € 150 unterstützen. Die Marktplatzbetreiber können diese Umsätze im IOSS melden, wenn einzelne Lieferungen den Wert von € 150 nicht überschreiten. Nutzen die Marktplatzbetreiber dieses Wahlrecht nicht, müssen sie sich im EU-Land des Endverbrauchs umsatzsteuerlich registrieren und dort die Umsätze deklarieren.

Die Steuerklärungen im IOSS sind monatlich abzugeben.

 

 

Wie wendet ein Unternehmer aus dem Drittland OSS an?

Soweit der Drittlandsunternehmer in Deutschland Umsätze an Verbraucher ausführt, sind bislang in Deutschland Steuererklärungen abzugeben.

Ab 1.7.2021 kann er alternativ den OSS (NON-EU) für die Erklärung seiner Umsätze in Deutschland nutzen. Darüber hinaus kann er all seine Umsätze mit Verbrauchern aus allen anderen EU-Ländern deklarieren und könnte eventuell seine übrigen umsatzsteuerlichen Registrierungen in den einzelnen EU-Ländern auflösen. Dies würde die Kosten der Erfüllung der umsatzsteuerlichen Pflichten senken.

 

 

Fazit und Empfehlung für die Praxis

Bestimmte Leistungen an EU-Verbraucher (Endverbraucher und andere Nicht-Unternehmern) sind grundsätzlich im jeweiligen EU-Ausland am Ort des Verbrauchs (eventuell erst nach Überschreiten der Umsatzschwelle von € 10.000) zu besteuern. Für diese Leistungen stellt der OSS eine notwendige Ergänzung und Erleichterung der Besteuerung dar.

Die neuen umfassenden Regelungen sind im Detail sehr komplex und müssen ordnungsgemäß im Unternehmen implementiert werden. Danach sollte eine Erleichterung der Besteuerung der Umsätze und Abführung der Umsatzsteuer im Fernverkauf, bei elektronischen Leistungen an Verbraucher eintreten.

Unverändert muss der Unternehmer die richtigen Umsatzsteuersätze der EU-Länder und eventuell Vorschriften zur Rechnungsstellung kennen.

 

StB Erwin Herzing, Head of VAT, Prokurist der Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)

StB Dr. Steffen Heyd, Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München

StB Olesea Calos, Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München

 

BC 7/2021

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