FinMin Bayern, Mitteilung vom 24.2.2022 (Nr. 046)
Die bayerische Finanzverwaltung hat ein Pilotprojekt zur Einbeziehung von modernen Compliance-Systemen der Unternehmen in die steuerliche Betriebsprüfung gestartet.
In einem Pilotprojekt sollen interne Steuerkontrollsysteme von Unternehmen gezielt in die Prüfung einbezogen werden. Mit den gewonnenen Erkenntnissen werden die Prüfungsmethoden der Finanzverwaltung hinsichtlich Effizienz und Geschwindigkeit weiterentwickelt.
„Unternehmen, die sich gegenüber der Finanzverwaltung transparent zeigen, sollen von einer schnelleren Abwicklung der Prüfungen und damit früheren Rechtssicherheit profitieren.“
Durch die Einbeziehung von Steuerkontrollsystemen der Unternehmen können Schwerpunkte der Steuerprüfungen künftig noch gezielter gesetzt werden.
In vielen Unternehmen befinden sich derzeit interne Steuerkontrollsysteme im Aufbau, um die Einhaltung steuerlicher Pflichten in einem Unternehmen sicherzustellen. Im Rahmen des Pilotprojekts können Erkenntnisse über die Wirkungsweise von Steuerkontrollsystemen gewonnen und damit die gegenseitige Vertrauensbasis gestärkt werden. Ziel einer modernen Steuerprüfung muss sein, unternehmensinterne Steuerkontrollsysteme zukünftig rechtssicher in Außenprüfungen einbeziehen zu können. Dazu müsste das dafür maßgebliche Bundesrecht noch entsprechend modernisiert werden.
Praxis-Info!
„Compliance“ bedeutet die Einhaltung aller Gesetze, Verordnungen und Richtlinien sowie von vertraglichen Verpflichtungen und freiwillig eingegangenen Selbstverpflichtungen. Das Tax-Compliance erfasst hierbei sämtliche Steuergesetze und die hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften sowie die Steuerrechtsprechung mit Bedeutung für das Unternehmen und die insoweit erforderliche Einführung von Organisationsstrukturen (Compliance-Management-System). Wird somit der steuerlichen Betriebsprüfung der Zugang gewährt, das Tax-Compliance-Management-System eines Unternehmens zu prüfen, ermöglicht dies „eine Prüfung hinter der Prüfung“ bzw. einen Einblick in die unternehmensspezifischen steuerlichen Risiken. Denn die Tax-Compliance identifiziert und bewertet bei der Bestandsaufnahme u.a.:
- verdeckte Gewinnausschüttungen,
- unterschiedliche Bewertungsansätze,
- umsatzsteuerrechtliche Erfassung und Versteuerung von Sachbezügen,
- unberechtigterweise in Anspruch genommene Steuerbefreiungen oder
- Verletzung von Offenlegungs-, Informations- und Dokumentationspflichten.
Einen weiteren Einblick gewähren Checklisten, die z.B. erforderliche Korrekturen zur Überleitung von der Handels- zur Steuerbilanz abfragen, wie etwa
- gebildete Drohverlustrückstellungen,
- aktivierte Hard- und Software,
- sofort aufwandswirksam erfasste Disagien usw.
Des Weiteren werden konkrete Kontrollaktivitäten transparent gemacht, wie beispielsweise
- Funktionstrennung,
- Vier-Augen-Prinzip,
- Einhaltung von Verhaltensrichtlinien für die Zusammenarbeit mit den Steuerbehörden,
- Autorisation von Zahlungstransaktionen,
- personell beschränkter Zugriff auf Bankkonten,
- Checklisten und Fristenbücher.
Hieraus werden Berichte über Schwachstellen angefertigt (z.B. Schwachstellenanalyse mittels einer durchgeführten strukturierten Analyse ergibt: keine Anpassung des Organigramms bei Mitarbeiterwechsel, Auswertung von Betriebsprüfungen mit allen Verantwortlichen, aber nicht mit allen an den jeweiligen Prozessen Beteiligten).
Mit dem BMF-Schreiben vom 23.5.2016 (BStBl. I 2016, 490, Tz. 2.6) wird ein existierendes Tax-Compliance-Management-System als Indiz gegen Vorsatz und Leichtfertigkeit entsprechend § 153 AO angesehen. Damit können diesbezügliche Haftungsrisiken zumindest verringert werden. Das Bundesfinanzministerium hat keine Anforderungen an ein Tax-Compliance-Management-System definiert, beauftragte jedoch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) damit, sodass im PH 1/2016 zum IDW PS 980 sieben in die Geschäftsprozesse integrierte und miteinander in Wechselwirkung stehende Grundelemente eines solchen Systems beschrieben sind. An diesen können sich die Unternehmen orientieren (vgl. Hundt, BC 2018, 41 ff., Heft 1). Da hierbei selbstverständlich eine Unsicherheit verbleibt, empfiehlt das IDW z.B. projektbegleitende Angemessenheitsprüfungen oder ein Testat des Tax-Compliance-Management-Systems im Rahmen einer Wirksamkeitsprüfung des Abschlussprüfers.
[Anm. d. Red.]
BC 4/2022
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